Weinbau hat deshalb in den letzten Jahren bedeutend abgenommen. Ackerbau, Handel und Industrie sind die Haupteinnahmsquellen
des Bezirkes. Der kulturfähige Boden ist fruchtbar und wird mit grösster Sorgfalt angebaut. Fruchtbäume, Viehzucht. Das
Gebiet umfasst
Die Wälder, welche ungefähr die Hälfte des produktiven
Bodens bilden, gehören zum grössten Teil den Gemeinden und dem
Staat. Man benutzt die Juragesteine als Bausteine oder zur Fabrikation von Kalk, Gips und Zement. Letztere hat eine bedeutende
Ausdehnung angenommen. Man gibt nach und nach die wenig einträgliche Getreidekultur zu Gunsten der Viehzucht
und der Milchwirtschaft auf; die Felder werden in
Wiesen umgewandelt. Die Viehzählung weist folgende Resultate auf:
1876
1886
1899
Hornvieh
3875
4925
5086
Pferde
328
409
434
Schweine
1321
1866
1736
Ziegen
1173
1833
1805
Schafe
26
108
55
Bienenstöcke
1109
1435
1753
Aarau und die benachbarten Ortschaften bilden den Mittelpunkt verschiedener Industrieen.
Die hauptsächlichsten sind Baumwollindustrie, sowohl
Spinnereien als auch Färbereien und Webereien, Seidenbandfabrikation,
Fabrikation von Schuhwaren und Elastique, Zement und Zementröhren, Maschinen, Firnissen; elektrische Industrie, graphische
Gewerbe, Fabrikation von mathematischen und geodätischen Instrumenten; Glockengiessereien, Bauschreinereien, Bürstenfabrikation,
Hanf- und Flachsspinnereien, Kalk- und Zementfabrikation,
Mühlen und
Sägen. Ungefähr 2000 auf dem Lande
wohnende Arbeiter verdienen ihren Lebensunterhalt in den Fabriken des Hauptortes. Unter den philanthropischen Instituten
sind nennenswert: Das Kantonsspital in Aarau, eröffnet 1887;
im Jahre 1897 wurden darin 1746 Kranke verpflegt;
die Anstalt
für schwachsinnige Kinder in
Biberstein, gegründet 1889, 47 Zöglinge;
die Taubstummenanstalt in Aarau, 32 Zöglinge;
das Diakonissenhaus in Aarau.
Zwei Eisenbahnlinien durchziehen den
Bezirk von W. nach O., die Linie
Brugg-Aarau-Olten und die Linie
Lenzburg-Zofingen; diese
zwei Linien werden durch die Querlinie
Aarau-Suhr verbunden.
Fünf Hauptstrassen verbinden den Hauptort des Bezirks mit den benachbarten Kantonen und Bezirken.
Stadt, Hauptort des Kantons Aargau
und des Bezirkes Aarau, 81 km. nordöstl. von Bern
(nördl. Breite 47° 23' 31“; östl.
Länge von Paris 5° 42' 45“), auf dem rechten Aareufer, an den Abhängen des
Distelberges und des
Gönhard (410 m), gegenüber
dem
Hungerberg (388 m) gebaut. Station der Linie
Olten-Zürich und
Aarau-Zofingen. E. im Jahre 1888: 6699,
im Jahre 1900 ungefähr 8000. Sitz der kantonalen Behörden, Sitz der Kreispostdirektion;
eidgen. Waffenplatz.
Aarau besitzt
zwei
Zeughäuser, zwei grosse, neue
Kasernen, die eine für Infanterie, die andere für Kavallerie, mit Exerzier- und Schiessplatz
im
Schachen und einem solchen im Gehren, Gemeinde Erlisbach. Aarau ist eine Stadt mit modernem Anstrich.
Ueberreste aus dem Mittelalter sind noch: der
TurmRore, der jetzt den Haupteingang des Stadthauses bildet, das
Schlössli auf
einem isolierten
Felsen, der Stieberturm, das Haldentor, der Gerechtigkeitsbrunnen und einige mit alten Malereien verzierte
Gibel. Unter den modernen Gebäuden sind nennenswert: Das Regierungsgebäude und das Rathaus, von
einem Englischen
Garten umgeben. Zahlreiche Schulanstalten.
Grosses Primarschulhaus; Lehrerinnenseminar, daneben das Naturhistorische
Museum; Kantonsbibliothek im Rathaus (80000 Bände und 500 Manuskripte), Münzkabinett im Gewerbemuseum (einige Tausend Stücke,
von denen die meisten römischen
Ursprungs aus
Windisch, dem alten Vindonissa).
Gewerbemuseum bei der Kantonsschule, enthält ausser industriellen Produkten, ethnographische Sammlungen.
Altertümer, Gemälde und Glasmalereien aus dem Kloster
Muri. Im gleichen Gebäude ist eine kantonale Handwerkerschule. Städtisches
Spital an der
Halde, im ehemaligen Kloster der Augustinerinnen von
Schännis. Kantonsspital mit 260
Betten. Pavillons und Baraken
für ansteckende Krankheiten.
Aarau besitzt zahlreiche industrielle Etablissemente, welche durch natürliche Triebkraft oder durch
das Elektrizitätswerk getrieben werden. Die
Wasser der
Aare, durch drei grosse Kanäle abgefangen, liefern 1500 Pferdekräfte
und der Bach, der durch die Stadt fliesst, treibt einige
Mühlen.
Aarberg
* 2 Seite 41.17.
Seidenbandfabrikation, im 18. Jahrhundert durch Joh.
¶
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Rud. Meyer († 1813) eingefürt. Woll- und Baumwollwebereien, mechanische Stroh- und Bastflechtereien, Glockengiessereien;
die älteste Zementfabrik der Schweiz. Ehemals berühmte Töpferei, wo heute die Röhren für Kanalisation, Ziegel etc. hergestellt
werden. Fabrikation von chem. Produkten, Firnissen, Siegellack. Färbereien für Seide, Wolle und Stroh, Giessereien, Maschinen-
und Waffenwerkstätten, Kunstschlossereien. Fabrikation von elektr. Installationsteilen und Reisszeugen.
Brauereien, Chokoladenfabrik, Zuckerwarenfabrik, Druckerei, Lithographie, Buchbinderei. Handels- und Kunstgärtnereien. -
Reges Vereinsleben, 83 Vereine und Gesellschaften, von denen die wichtigsten: Der Kunstverein, die historische, die naturforschende
und die landwirtschaftliche Gesellschaft, der kaufmännische Verein, die kaufmännische Gesellschaft, die mittelschweiz.-geograph.-kommerzielle
Gesellschaft, die Sektion Aarau des schweiz. Alpenklubs, Handwerker- und Gewerbeverein, Sektion Aarau
des schweiz. Geschäftsreisendenvereins, der Einwohnerverein, die Hülfs- und die Kulturgesellschaft.
In Bezug auf das religiöse Bekenntnis der Bevölkerung kamen im Jahre 1888 auf 6699 E. 5377 Protestanten, 1264 Katholiken, 58 gehörten
andern Religionen oder auch gar keiner an. Diese Bevölkerung verteilt sich auf 710 Häuser mit 1497 Haushaltungen.
Für das Jahr 1900 ergbit ^[richtig: ergibt] die Statistik 8000 E. auf 1500 Gebäude.
Ansicht von Aarau.
Die Entstehung Aarau reicht wahrscheinlich ins Zeitalter der Merowinger; in diese Periode mag auch der TurmRore und das Schlössli
gehören. Im Jahre 920 war es schon befestigt. In die Gewalt des HausesHabsburg und später der Herzoge
von Oesterreich gefallen, hatte es in den ersten Kriegen gegen die Eidgenossen zu kämpfen. Durch Bern
1415 erobert, hatte Aarau
eine Zeit lang gegen den umliegenden österreichisch gesinnten Adel zu ringen. Den versammelte sich die Tagsatzung
der XIII. alten Orte zum letzten Male in Aarau; den 2. Februar pflanzte die Stadt den Freiheitsbaum auf und
erklärte sich von Bern
unabhängig. Aarau wurde nun provisorischer Sitz der helvetischen Regierung und nach der Mediationsakte
von 1803 Hauptort des neuen Kantons Aargau.
Aarau
ist der Heimatort mehrerer berühmter Männer: Joh. Rud. Meyer (1739-1813) führte neue Industriezweige
ein und gründete die Kantonsschule. Franz Xaver Bronner (1758-1850), Verfasser von Idyllen, Professor an der Kantonsschule,
Kantonsbibliothekar und Staatsarchivar, schrieb ein vorzügliches Werk über den Kanton Aargau.
Albert Rengger (1764-1835), helvetischer
Minister. Augustin Keller (1805-1883), berühmter Staatsmann und Pädagoge. Vital Troxler, Professor und Schriftsteller.
Abraham Em. Fröhlich, Fabelndichter. Tanner, Dichter. Jak. Frey (1824-1875), Verfasser von Schweizernovellen.
Kurz, Professor an der Kantonsschule. Dr. Rochholz, Antiquar. Dr. Rud. Rauchenstein, Rektor und Philologe. Joh. Herzog, Staatsmann,
Gründer von Industrien. General Herzog. Bundesrat Frey-Herosé. Nationalrat Feer-Herzog, eine Autorität in Münzfragen.
Ferdinand Rud. Hassler (1770-1843), berühmter Ingenieur, Direktor des Coast-Survey der Ver. Staaten Amerikas.
Bundesrat Dr. Emil Welti.
Der Geschichtschreiber u. Schriftsteller Heinr. Zschokke, geboren in Magdeburg im Jahre 1771, hat in Aarau den grössten
Teil seines Lebens zugebrachter, ist 1848 dort gestorben. Die Stadt hat ihm, ebenso wie Augustin Keller, ein Denkmal errichtet.