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Redaktion und Verlag: Zürich I, Sihlhofstraße 22.
1909. 17. Januar. Inhalt: Rationelle Abhärtung und Lebensdauer. - Zur Winterfütterung der Vögel. - Vermischtes. - Kochrezepte. - Briefwechsel der Abonnenten unter sich. - Inserate.
Rationelle Abhärtung und Lebensdauer.
Wenn wir solchen Artikeln, die uns lehren wollen, das köstliche Gut der Gesundheit zu pflegen, gerne und vielleicht etwas zu oft Raum gewähren in der Kochschule, so gehen wir dabei von der Ansicht aus, damit Hausfrauen und Müttern, deren erste und höchste Pflicht ja die Pflege und Erhaltung der geistigen und leiblichen Gesundheit der ihr Anvertrauten ist, einen guten Dienst zu erweisen.
Folgende Zeilen entnehmen wir den «Schweiz. Blättern für Gesundheitspflege»:
Wir leben in einer nervösen Zeit. In Wirklichkeit ist auch die Zahl der Nerven- und Geisteskrankheiten in der Zunahme begriffen. Es ist das zum größten Teil den Anforderungen auf technischem und sozialem Gebiete zuzuschreiben, welche das heutige Leben an uns stellt.
Unsere Lebenshaltung hat sich entschieden gehoben, aber diese Steigerung des Komforts unseres Lebens bedingt neue Forderungen, sowohl an die körperliche wie geistige Leistungsfähigkeit eines jeden Einzelnen.
Eisenbahn, Telephon, Telegraph sowie alle möglichen Errungenschaften der modernen Technik haben unser ganzes Leben in nie geahnter Weise umgestaltet und gehoben, haben den Verkehr der Menschen untereinander erleichtert, den Austausch ihrer materiellen und geistigen Güter gefördert, aber sie bedingen auf der anderen Seite eine derartige Inanspruchnahme unserer Spannkraft, vor allem unseres Nervensystems, daß eine Uebermüdung, Erschöpfung der Nerven umso rascher und nachhaltiger eintritt, je gewaltiger das Ringen nach materiellem und geistigem Reichtum, je größer der Hang nach Genuß und Vergnügen ist.
Der Furcht des Menschen, diesen Einflüssen vorzeitig zu unterliegen, entspricht sein Bestreben, sie zu überwinden und zwar dadurch, daß er den Körper und seine Nerven wehrhaft überlegen dagegen macht, mit anderen Worten, daß er ihn abhärtet.
Was ist Abhärtung? Unwillkürlich denkt jedermann an Erkältung.
Also Abhärtung ist Schutz gegen Erkältung.
Die Erkältung ist aber nur eine der vielen Ursachen für die mannigfachen Erkrankungen während unseres Lebens.
Längst ist nachgewiesen, daß zur sogenannten Erkältung noch eine zweite Ursache hinzukommen muß, das sogenannte Bazillengift, damit eine Krankheit entsteht.
Zugegeben ein sogenannter Frühjahrs- oder Herbstschnupfen kann entstehen, daß man längere Zeit Sturm und Regen ausgesetzt ist oder an der Zugluft stehen muß.
Wie bekommen nun die Familienangehörigen, alle Kinder zu Hause auch den Schnupfen, nachdem sie sorgsam zu Hause behütet worden sind und der Familienvater allein der Verkältung ausgesetzt war? Da findet bei Familienangehörigen eine Ansteckung durch Bazillen, respektive Bakteriengift, allein statt.
Wie Ihnen bekannt, gehören die Bakterien zu den niedern Pilzen, gehören also ins Pflanzenreich.
Man unterscheidet nach den neuesten Forschungen: 1. ¶
Spaltpilze oder Bakterien;
2. Streptokokken oder Kugelpilze;
3. Sproß- oder Hefepilze;
4. Fäden- oder Schimmelpilze.
Dieselben vermehren sich entweder durch Teilung oder Sporenbildung.
Sie kommen bei ihnen zusagendem Nährboden und ihnen zusagender Temperatur in ungeheurer Anzahl, infolge ihrer beispiellos raschen Vermehrung vor.
Sie gehören mit zum organischen Leben, ohne sie wäre ein Leben auf dieser Erde in kurzer Zeit unmöglich.
Denken Sie nur an die Fäulnisbazillen, welche alle Zerfallstoffe des menschlichen Lebens zersetzen und unschädlich machen und damit fortwährend eine ungeheure und dem organischen Leben segensreiche Tätigkeit leisten. Im Gegensatz dazu sind die pathogenen Bakterien dem menschlichen Körper unter Umständen sehr gefährlich.
Pathogen nennen wir die Bakterien, welche im menschlichen Körper Krankheiten erzeugen.
Sie sind dem Menschen aber nur dann gefährlich, wenn sie sich in den Geweben ansiedeln und sich vermehren können, und das können sie im normalen menschlichen Gewebe nicht.
Das neugeborene Kind ist im Momente, wo es auf die Welt kommt, absolut bakterienfrei.
Aber schon nach einer Stunde sind, durch Mund und After, teils durch das Aus- und Einatmen, Bakterien eingedrungen.
Sie sind aber auch notwendig, da es ohne gewisse Bakterien nicht einmal eine richtige Verdauung gibt.
Also Abhärtung ist mehr als nur Schutz gegen Erkältung.
Abhärtung bedeutet überhaupt Verstärkung der Lebensenergie, das heißt Verstärkung der Verteidigungsorgane des menschlichen Körpers.
Mit der Abhärtung will man den Körper fähig machen, nicht nur die täglichen, sondern auch die außergewöhnlichen Einwirkungen, Anstrengungen oder Entbehrungen zu überwinden, indem man die Leistungsfähigkeit eines Organs oder einer Organgruppe nach einer bestimmten Richtung zu erhöhen sucht.
Solches kann man innerhalb gewisser Grenzen erreichen durch vorsichtig gesteigerte Anspannung der Tätigkeit des betreffenden Organs, wobei der Arbeitsleistung jedesmal die nötige Ruhe folgen muß.
Letztere ist notwendig, weil die Ueberspannung, sei es der Höhe oder Dauer der geforderten Leistung nach, zur Abspannung oder zur Erkrankung führen muß.
Das Herz z. B., welches der Bergsteiger durch richtige Steigerung der zugemuteten Arbeit, unter richtiger Einhaltung von Erholungszeiten, zu bedeutenden Leistungen befähigen kann, erlahmt und bleibt für immer geschwächt, wenn demselben einmal eine übergroße Arbeit zugemutet oder wenn demselben bei allzuforcierten Touren gar keine Ruhe gegönnt wird.
Ebenso ist es mit der Widerstandsfähigkeit der Haut gegenüber Kälteeinflüssen.
Wir müssen zwischen körperlicher und geistiger Abhärtung unterscheiden:
Zur körperlichen Abhärtung gehört in erster Linie die Gewöhnung an Kälte- und Wärmeeinflüsse, mit anderen Worten, die Hautabhärtung;
dann aber auch die Stärkung der übrigen Organe, der Muskeln, des Herzens, des Magens und Darmes, der Sinnesorgane.
Zum Beispiel können wir Herz und Muskeln dazu erziehen, daß sie momentane Arbeitsleistungen ohne Schaden vollbringen können, wie es ein Wettlauf, eine Regatta, ein Velorennen darstellt.
Eine derartige Erziehung nennt man Trainieren.
Dasselbe erfordert erfahrene und umsichtige Anleitung, nicht nur bloße Erhöhung der Muskelkraft, sondern zielbewußte Einhaltung einer bestimmten Lebensweise.
Die Abhärtung des Magens und Darmes erfolgt in der Weise, daß man sie vorsichtig daran gewöhnt, auch Speisen, die als unverdaulich gelten, wenn auch nicht zu verdauen, so doch zu bewältigen und ohne selbst Schaden zu nehmen, wieder zu entfernen.
Darin wird gerade in besseren Familien viel gesündigt.
Aengstlich werden die Kinder, in einem Alter, wo der Darm schon recht leistungsfähig ist, vor allen möglichen eingebildeten Schädlichkeiten bewahrt. So bekommen oft zwei- und dreijährige Kinder nur abgekochte, sterilisierte Milch, wenn auch die Kinder Widerwillen gegen solche Milch haben und lieber eine Tasse frischer Milch genießen würden.
Die Frage des Genusses ungekochter Milch hat einen mächtigen Schritt vorwärts getan.
Professor Koch, der ¶