und die Künstler hatten nicht nur weniger Anlaß, sich mit der Natur überhaupt zu beschäftigen, sondern mußten auch dem Umstande Rechnung tragen, daß die damalige Gesellschaft in der Landschaft nicht das innerste Wesen der Naturerscheinungen zu erkennen suchte, also Wahrheit verlangte, sondern sie ebenfalls bühnenmäßig hergerichtet - idealisiert und allegorisch stilisiert - sehen wollte. Dieses «Verfeinern» und «Verbessern» der Natur widerstrebt nun unserem Gefühle; sieht man jedoch von dieser Empfindung ab, so wird man auch hierin die Fertigkeit anerkennen, mit welcher die Landschaften zusammengestellt wurden.
In den Bildnissen zeigt sich die geistige Auffassungsgabe eines Meisters eigentlich am besten; denn hier handelt es sich darum, die ganze Persönlichkeit, ihre innere und äußere Eigenart zu erfassen und deutlich erkennbar zu machen. Freilich sind die Künstler auch hierbei abhängig davon, ob Verständnis für diese innerliche Wahrhaftigkeit vorhanden ist. Damals wünschten aber auch die Leute, die sich abbilden ließen, weniger wahrhaftig, als vielmehr «ansehnlich» dargestellt zu werden; der Zug nach dem Schauspielerischen, dem Gesuchten und Gezierten machte sich auch hier geltend. Das Aeußerliche mußte daher auch stärker betont werden. Im Geiste der Zeit sind aber die Bildnisse immerhin trefflich und sorgfältig behandelt.
Eine mehr auf tüftelnde Genauigkeit im Einzelnen als großzügige Auffassung abzielende Geschicklichkeit sehen wir auch in den Blumen- und Tierstücken, welche übrigens auch erkennen lassen, wie für die Anordnung behufs Erzielung malerischer Wirkung gewisse Schul-Grundsätze sich im Laufe der Zeit herausgebildet hatten.
Gemalt wurde zu Ausgang des 16. Jahrhun
derts nicht wenig, hauptsächlich aber nur in Süddeutschland, wo geistliche und weltliche
Fürsten ihre
Schlösser schmücken ließen.
Chr. Schwarz. Für letztere wurden insbesondere umfangreiche Wand-Malereien geliefert, von denen jedoch Vieles zu Grunde gegangen ist; so auch die seinerzeit sehr gerühmten des Christoph Schwarz (1550-1597), der als einer der bedeutenderen Meister (er war auch Hof-Maler in München) genannt zu werden verdient. Von Tintoretto stark beeinflußt, und daher dunkle Farbentönung bevorzugend, zeigt er doch ein ziemliches Maß persönlicher Eigenart, welches am besten in seinem Familienbild zum Ausdruck gelangt.
Rottenhammer. Den ebenerwähnten Mischstil finden wir besonders ausgeprägt bei Johann Rottenhammer, welcher in langjährigem
Aufenthalt in Italien so ziemlich die Eigenheiten aller Schulen sich angeeignet hatte. Unleugbar von
großer Begabung, die ihn wohl befähigt hätte, selbständige Wege zu gehen, erwarb er zwar eine ungemeine Kunst
fertigkeit,
die sich in der vollendeten Beherrschung der Formen kundgiebt, läßt aber, was sehr zu bedauern ist, die gedankliche Vertiefung
vermissen. Am Besten gelungen sind die kleineren Tafelbilder, die mit großer Sorgfalt ausgeführt sind,
während bei den großen Altarbildern trotz der wirkungsvoll malerischen Anordnung sich die oberflächliche Auffassung unangenehm
geltend macht.
Die Prager Hof-Maler. Einen nicht minder großen Ruf wie Rottenhammer, der zuletzt in Augsburg wirkte, genoß Hans von Achen (1552-1615), der als Hofmaler des
^[Abb.: Fig. 706. von Achen: Jupiter und Antiope.
Wien. Kaiserl. Gemäldesammlung.] ¶
Kaisers Rudolf II. nach Prag berufen wurde. Er steht zwar dem Ersteren hinsichtlich der Sicherheit in der Formgebung nicht nach, ist jedoch noch unselbständiger; seine Gestalten sind gefällig, aber ohne besonderen Ausdruck und gleichen einander zu sehr.
Mehr ursprüngliche Begabung verrät ein anderer Hofmaler Rudolfs, Johann Heinz (1565-1609), insbesondere im Bildnis.
Neben den beiden Vorgenannten, die ganz in der italienischen Art befangen sind, war am Prager Hofe auch noch der Niederländer Bartel Sprangher thätig, der in seinen großen Allegorien die Prunkhaftigkeit und in den Tafelbildern die sinnliche Formenfülle eines Rubens nachahmt. Bezeichnend ist überhaupt, daß diese Hofmaler mit besonderer Vorliebe jene «antike Stoffe» behandelten, welche Gelegenheit zur Darstellung des Nackten gaben (Fig. 706).
Elsheimer. Frankfurter Schule. Die heimische deutsche Kunst
weise war aber doch nicht ganz verloren gegangen; in Frankfurt
a. M. hatte sich eine Schule erhalten, die noch die Ueberlieferungen Grünewalds pflegte. Aus
dieser ging Adam Elsheimer (1578-1620) hervor, der unter allen Zeitgenossen noch am meisten echt deutsche
Art bewahrte, obwohl er größtenteils in Italien lebte und in der Farbengebung Correggio zum Vorbild nahm. Dies prägt sich
am trefflichsten in den Landschaften aus, welchen er mit dichterischer Auffassung einen Gehalt von Stimmung verlieh, wie
dies nur bei Vertiefung in die Natur und inniger Empfindung möglich war. In seinen Werken erscheint
das Landschaftliche fast mehr als Hauptsache, dem das Figürliche angepaßt ist; immer aber stimmt beides
zusammen und ergiebt eine völlig einheitliche Wirkung des Ganzen (Fig. 707).
Leider fand Elsheimer unter seinen Landsleuten keine Nachfolger - die Holländer wußten ihn besser zu
würdigen - vielmehr wandten sie sich einer andern fremden Art zu, welche durch die Hofgunst gefördert wurde. Wie bereits
erwähnt, war nach Prag der Niederländer Sprangher berufen worden, und der Hof zu München verschrieb sich Pieter de Witte,
der nicht nur als Maler, sondern auch als Bildhauer hier thätig wurde. Die niederländische Kunst
weise
war in Mode gekommen, und die Deutschen beeilten sich nun, aus den Niederlanden ihre Bildung und Schulung zu holen.
Die Nachahmer der Niederländer. Sandrart. Immerhin war es doch eine etwas mehr, als die italienische, stamm- und geistesverwandte
Richtung, welche nun an Einfluß gewann. Die bedeutendste Erscheinung unter denen, welche diese Bahn
einschlugen, ist der Frankfurter Joachim Sandrart (1606-1688), so wenig Selbständigkeit er auch besitzt. Er schwankt zwischen
verschiedenen Vorbildern hin und her, die er jedoch mit Geschmack und großer Geschicklichkeit trefflich nachzuahmen weiß,
so daß seine Arbeiten als beredte Zeugnisse für die Anpassungsfähigkeit der damaligen Deutschen gelten
können. Ein besonderes Verdienst erwarb sich Sandrart noch als Verfasser des kunst
geschichtlichen Werkes «Teutsche
Akademie der edlen Bau-, Bild- und Malerei-Künste», welches uns wertvolle Nachrichten über damalige Kunst
und Künstler
giebt. Von den Niederländern übernahm man auch die Pflege des Tierstückes und der Stillleben-Malerei.
In ersterer Gattung leistete die Familie Roos (Vater und vier Söhne)
^[Abb.: Fig. 707. Elsheimer: Die Ruhe auf der Flucht nach Aegypten.
Wien. Kaiserl. Gemäldesammlung.] ¶