wie in
Schwaben. Diese einheimische Malweise kennzeichnet eine fast überkräftige Wirklichkeitstreue, bei der auf alles Verschönern
verzichtet wird. Die politischen und Verkehrsbeziehungen der pyrenäischen Königreiche zu Italien und den Niederlanden brachten
es dann mit sich, daß im 15. Jahrhundert die Kunst
letzterer Länder den herrschenden Einfluß gewann. Zuerst hatte man
Kunst
werke eingeführt, dann waren Künstler eingewandert und schließlich waren auch die Eingeborenen ganz auf die fremde
Weise eingegangen.
Fast stärker noch als der italienische war der Einfluß der Niederländer - in Portugal war er ausschließlich in Geltung -, mit denen man hinsichtlich der Hochschätzung der Wirklichkeitstreue übereinstimmte, während die mehr «ideale» Richtung der Italiener dem spanischen Volksgeiste weniger zusagte. So ausschweifend dessen Einbildungskraft auch ist, so haftet sie doch immer an der Erde und versteigt sich nicht in die Höhen des Uebermenschlichen; sie zeugt eher Gebilde von ungeheuerlicher Derbheit, als solche von nebelhafter Ungreifbarkeit.
Mit Beginn des 16. Jahrhun
derts änderte sich jedoch dieses Verhältnis, da Karl V. die Italiener bevorzugte
und eine große Zahl derselben an seinen Hof berief, an welchem freilich auch Niederländer thätig waren; andrerseits gingen
die Spanier nach Italien, um dort zu studieren. Es verdient Anerkennung, daß sie dabei in ziemlich bedeutendem Maße ihre
heimische Eigenart zu bewahren wußten und nicht zu bloßen Nachahmern herabsanken. Der spanische Stolz
geht freilich zu weit, wenn er diese Zeitgenossen der italienischen Cinquecentisten letzteren gleichstellt; von einer Ebenbürtigkeit
ist keine Rede, und die Bedeutung bleibt auf einen örtlichen Kreis beschränkt, für welchen sie allerdings erheblich ist.
Die spanischen Meister des Cinquecento haben zu dem allgemeinen Fortschritt der Malkunst
nicht beigetragen,
sondern nur die heimische volkliche Kunst
gefördert, außerhalb ihrer Heimat haben sie daher auch keinen Einfluß geübt.
Von den Hervorragenderen folgen Alonso Berruguete, Vicente Juan Macip (gen. Juan de Juanes), Luis
de Vargas, Alonso Sanchez Coello, Juan Fernandez Navarrete in mehr oder minder deutlich erkennbarer Weise
den italienischen Bahnen, die beiden ersteren der römischen Schule, die zwei letztgenannten dem Tizian, während Vargas
«Ekklektiker» ist. Der spanische Grundzug, die unbedingte Wirklichkeitstreue,
tritt bei allen hervor, die Formensprache bleibt daher oft hart und auch in der Farbe wird mehr auf Kraft, als auf
Tönung gesehen. Gegenüber dem feinen Schönheitsreiz der italienischen Cinquecento-Meister wirken daher die Spanier durch
die Stärke der Empfindungen, deren Tiefe und Leidenschaftlichkeit mit überzeugender Wahrheit zum Ausdruck gebracht wird.
Diese volklichen Eigenheiten sind am schärfsten entwickelt bei Luis Morales (+ 1586), der Italien nie besucht hatte und, wenn auch nicht ganz unbeeinflußt von den in Spanien vorhandenen fremden Werken, seinen eigenen Weg gegangen war. Die Lebenswahrheit und Leidenschaftlichkeit wird bis zum äußersten gesteigert, so daß es oft geradezu unschön wirkt.
^[Abb.: Fig. 702. Velasquez: Apollo und Vulkan.
Madrid. Prado.] ¶
Maßhalten und ein geläutertes Schönheitsgefühl waren ja die beiden Haupterrungenschaften, welche die früher Genannten von ihren italienischen Studienfahrten heimbrachten; sie fehlen dem strengvolklichen Meister, der dafür die heimische Eigenart vollkommener zum Ausdruck bringt.
Weniger einseitig tritt sie hervor bei zwei anderen Künstlern, die sonst gleichfalls eine große Selbständigkeit bekunden: Francisco de Ribalta und Juan de las Roelas, welch' letzterer durch eine stimmungsvolle, weiche Farbengebung von seinen Landsleuten in auszeichnender Weise sich unterscheidet. Ein Schüler des letzteren, Francisco Zurbaran (1598-1662), erhebt sich zu größerer Bedeutung durch seine auf eindringlichen Naturstudien beruhende, einfachschlichte Wahrheit sowohl in der Formensprache wie in der Wiedergabe der inneren Bewegung. Er malte fast ausschließlich Mönchsbilder, und daß er dabei sich niemals wiederholt, sondern immer eine neue Auffassung zeigt, legt wohl auch Zeugnis ab für seine künstlerische Kraft.
Aus Ribaltas Schule war der bereits besprochene Jose Ribera hervorgegangen, welcher das Haupt der neapolitanischen Maler wurde
und daher mehr zur italienischen Kunst
als zur spanischen gehört. Für letztere lag darin eine Art «Befähigungsnachweis»,
nun auch über die heimatlichen Grenzen hinaus Ansehen und Bedeutung zu gewinnen.
Velasquez. Dieses Ziel, in der Weltkunst
eine Stelle in der ersten Neihe einzunehmen, erreichten die zwei Hauptmeister der
spanischen Malerei: Velasquez und Murillo, beide aus Sevilla stammend, welches überhaupt unter den spanischen
Kunst
stätten die hervorragendste Rolle spielte. Diego Rodriguez de Silva-Velasquez (1599-1660) hatte seine erste Ausbildung
bei Herrera genossen, der in der ungeschminkten Wiedergabe der Wirklichkeit noch weit über seine Zeitgenossen hinausging.
Selbst Morales hatte noch einigermaßen sich an die überlieferten Anschauungen gehalten, wie sie sich unter den Einflüssen der italienischen und niederländischen Vorbilder entwickelt hatten; Herrera setzte sich kühn darüber hinweg und wollte die Erscheinungen genau so geben, wie sie wirklich sind. Seine Kraft reichte allerdings nicht aus, diese Wahrheit auch künstlerisch zu gestalten, sein Vorgehen blieb jedoch nicht ohne nachhaltige Wirkung auf das jüngere Künstlergeschlecht, und was er selbst nicht erreichen konnte, das gelang seinem Schüler.
Velasquez besaß die seltene Gabe, das Wesen der Natur «an und für sich» zu sehen, ohne irgendwelche Beeinflussung durch das eigene Selbst. Bei den meisten tritt letzteres mehr oder minder ein; auch bei der genauesten Beobachtung der Natur sehen sie dieselbe doch nur so, wie es ihrem eigenen Wesen entspricht, und tragen unwillkürlich ihre Anschauungen in dieselbe hinein; Velasquez faßte sie mit der unbeeinflußten Treue eines «photographischen Apparates» auf und gab sie ebenso unmittelbar wieder.
Während aber der Apparat nur die äußeren Formen festhalten kann, drang Velazquez' scharfer Blick auch in das innerste Wesen ein, und in dieser Begabung, Formen und Innerlichkeit gleichmäßig zu erkennen und beides mit vollster Sicherheit wiederzugeben, liegt die künstlerische Eigenart des spanischen Meisters. Dazu gesellte sich die vollendete Beherrschung aller malerischen Ausdrucksmittel, so daß Velasquez das, was er wollte, mit müheloser Leichtigkeit zur Erscheinung bringen konnte.
^[Abb.: Fig. 703. Velasquez: Weibliches Bildnis.
Berlin. Kgl. Galerie.] ¶