Frankreich. Die Malerei im 15. und 16. Jahrhun
dert. Auffallend dürftig erscheint die Malerei in Frankreich, weniger der
Zahl der ausübenden Meister und dem Umfange ihrer Arbeiten nach, als vielmehr in der Hinsicht auf Anteilnahme an der allgemeinen
Entwicklung der Kunst.
Insofern ist auch die übliche kurze Behandlung gerechtfertigt, so anziehend auch
sonst das Eingehen auf die Einzelheiten wäre. Die Malerei Frankreichs empfing aber nur Anregungen, ohne solche zu geben,
und konnte daher auch lange Zeit zu keiner über die engsten Landesgrenzen hinaus reichenden Bedeutung gelangen, ja, lange
nicht einmal zu einer selbständigen Eigenart.
Vor dem 15. Jahrhundert
wurde die Tafelmalerei fast gar nicht gepflegt, wohl aber die Miniaturmalerei,
jedoch unter starkem niederländischen Einfluß. Auf diesem Gebiete war auch der angesehenste nordfranzösische Meister des 15. Jahrhun
derts
vorwiegend thätig: Jean Fouquet (um 1415-1475), von welchem einige gute Stücke erhalten sind. Sie verraten viel Verwandtschaft
mit der Art Rogier van Weydens; ihr größter Vorzug ist eine verständige Auffassung des Natürlichen.
Den Niederlanden entstammte auch der Hofmaler des Königs Franz I., Jehann Clouet ^[richtig: Jean Clouet](+ 1540), der 1518 nach Paris berufen worden war und zahlreiche Bildnisse lieferte. Sein Sohn François Clouet (um 1500-1571) war gleichfalls Hofmaler und scheint ungemein thätig gewesen zu sein, da eine beträchtliche Anzahl von Ebenbildnissen von seiner Hand erhalten sind. Er kann vielleicht als der erste gelten, welcher sich von den fremden Vorbildern erheblicher losmacht und eine «französische» Eigenart zu entwickeln versucht. Etwas oberflächlich faßt er seine Köpfe auf, er sieht mehr auf Zierlichkeit des Beiwerkes, als auf den geistigen Ausdruck der Persönlichkeit. Eines seiner besten Werke ist das Bildnis Heinrich II., das in mehrfachen Wiederholungen vorhanden ist.
Daß die heimische Malerei auf keiner hohen Stufe stand, bezeugen auch die Versuche des
Königs
Franz I., Leonardo da Vinci
und Andrea del Sarto an seinen Hof zu fesseln, damit sie etwas Auffrischung in das Kunst
leben brächten.
Der erstere starb bald und der andere kehrte freiwillig wieder in die Heimat zurück, so daß ein unmittelbarer Einfluß
auf die französische Kunst
weise nur in geringstem Maße statthaben konnte. Wohl aber mußte das Vorgehen des
Königs der
italienischen Kunst
weise überhaupt die maßgebende Geltung
^[Abb.: Fig. 696. Watteau: Einschiffung nach der Insel Cythere.
Paris. Louvre.] ¶
verschaffen und auch die Einheimischen auf deren Wege weisen, anstatt sie zu veranlassen, eigene zu suchen. Nachdem es Franz I. nicht gelungen war, «erste» Meister zu gewinnen, begnügte er sich mit solchen minderen Ranges, unter welchen Francesco Primaticcio (1504 bis 71) das größte Ansehen und den meisten Einfluß gewann. Er war aus Bologna und hatte unter Giulio Romano sich die Art Raphaels angeeignet; in seinen ziemlich umfänglichen Gemälden zeigt er zwar eine geschickte Handfertigkeit, aber kaum viel eigenen Geist.
Daheim hätte er, wie seine Genossen Giambatista di Jacopo und Niccolo del Abbate, es kaum zu einer Bedeutung gebracht, in
Frankreich wurden sie bewundert und ihre Werke vorbildlich. Anderwärts hatte zwar auch die «römische
Manier» sich Geltung verschafft, aber man hatte diese wenigstens selbst unmittelbar nach den Hauptmeistern ausgebildet,
in Frankreich wurde sie aus zweiter Hand übernommen, also bereits «verwässert».
Die Unlust der Franzosen, selbst in die Fremde zu gehen, um zu sehen und zu lernen, hat nicht wenig zu
dem ganzen eigentümlichen Entwicklungsgang der Kunst
beigetragen; man lernte nur das kennen, was ins Land gebracht wurde,
und dies genügte nicht, um eine zutreffende Kritik an den eigenen und fremden Leistungen zu üben. Man kam daher zu Ueberschätzung
oder Unterschätzung, je nach den oft rein zufälligen Umständen, weil der richtige Maßstab durch Vergleichen
nicht gewonnen wurde.
So mußte auch hinter einem Primaticcio der Einheimische Jean Cousin (1501 bis 1589) zurückstehen, der sowohl in Bildnissen wie in Altarwerken eine bemerkenswerte kräftige Eigenart bekundet. Die zierliche Geschmeidigkeit in der Formgebung und eine ungemeine Lebhaftigkeit in der Bewegung sowie in der Anordnung sind besondere französische Eigenheiten. Cousin, der auch Bildhauer, Glasmaler und Kupferstecher war, wurde als Maler vom Hofe nicht verwendet, er mußte sich mit den Erfolgen begnügen, die seine bildnerischen Werke fanden.
Vouet. Poussin. Erst im 17. Jahrhundert
tritt ein Wandel ein und beginnt die Malerei in allen Fächern
neue, eigene Bahnen einzuschlagen. Es bleibt aber bezeichnend für die französische Art, daß man nicht in einer entschlossenen
Rückkehr zur Natur, sondern in
^[Abb.: Fig. 697. Claude Lorrain: Morgen-Landschaft.
München. Pinakothek.] ¶