zugeben, er malte jedoch noch mit gleicher Kunstfertigkeit weiter und sein letztes Bild: «Christus an der Martersäule» zeigt noch alle Vorzüge seines Könnens, freilich aber auch die geistige Müdigkeit und seelische Verstimmung des schwergeprüften Mannes. Im Jahre 1669 beschloß er sein arbeitsreiches Leben, in welchem er etwa 350 Bilder und beinahe ebenso viele Kunstblätter geschaffen hatte.
Schule Rembrandts. Eine zahlreiche Schar unmittelbarer Schüler und Nachahmer schloß sich an Rembrandt an, darunter einige von großer Begabung, welche die Kunstweise des Meisters auch mit persönlicher Eigenart zu verbinden wußten; so Govaert Flink, Samuel van Hoogstraten und Ferdinand Bol (1616-80). Letzterer hatte sich am meisten in die Art Rembrandts eingelebt, so daß seine Werke manchmal diesem zugeschrieben wurden, wie auch umgekehrt. In neuester Zeit wird sogar der Versuch gemacht, die Behauptung zu erweisen, daß eigentlich Bol die meisten Gemälde geschaffen habe, die bisher für solche Rembrandts galten.
Thatsache ist, daß verschiedene «sichere» Bilder Bols an meisterlicher Vollkommenheit denen Rembrandts gleich stehen, ebenso aber auch, daß jene, die aus der letzten Zeit stammen (also nach Rembrandts Tode) eine auffällige Verflachung zeigen. Vielleicht liegt die einfache Lösung des Rätsels darin, daß vielfach ein gemeinschaftliches Arbeiten stattfand, wobei ja manchmal der Schüler wohl die Hauptarbeit geleistet, der Meister ihr aber die feine Vollendung gegeben haben mag.
Sittenbildmalerei. In der «Großmalerei», auf dem Felde der religiösen und mythologischen Darstellungen, wurde im 18. Jahrhundert die Schule Rembrandts durch die «klassische» Richtung verdrängt, die mit ihren akademischen Anschauungen von der Alleingiltigkeit der Antike auch in Holland durchdrang. Länger bewahrte die heimische Eigenart die holländische Kunst auf dem Gebiete des Sittenbildes, das sie ganz besonders pflegte. Hier kam der eigentliche Kunstgeist des Volkes am schärfsten zum Ausdruck und leistete daher auch sein Bestes.
Rembrandt war eine außerordentliche künstlerische Persönlichkeit, die zwar im Volkstum wurzelt, aber über dasselbe in die Höhe entwuchs. Die zahlreichen Meister der Kleinmalerei, bedeutend an Können und auch eigenartig verschieden, sind jedoch mehr gleichwertig. Keiner überragt wesentlich den anderen, alle zusammen vertreten nur den künstlerischen Sinn, Begabung und Verständnis des Volkstums, die sich hier auf einer Höhe zeigen, wie nirgends anders in der damaligen Zeit. Der Grund hierfür wurde bereits erörtert, er ist das Gefallen an Kunstschmuck im Hause, das in einer vornehm denkenden, in behaglichem Wohlstand lebenden Gesellschaft sich entwickelte und vererbte. Auf die einzelnen Künstler näher einzugehen, ist bei der riesigen Zahl derselben unmöglich, es genügt aber auch, auf einige Hauptvertreter der verschiedenen Gruppen hinzuweisen, da deren Art immerhin bezeichnend für die letzteren selbst ist.
Das bäuerliche Leben war auch in Holland ein beliebter Vorwurf für die malerische Darstellung. Die besten Leistungen auf diesem Felde hat Adriaen Brouwer (1606-38) aufzuweisen, neben welchen noch Adriaen van Ostade (1610-75) zu nennen ist. Brouwer giebt die Vorgänge mit einer packenden Unmittelbarkeit, seine Gestalten scheinen wahrhaftig zu «leben», so treffend und kennzeichnend ist der Ausdruck der jeweiligen Aeußerung oder Handlung. Das Gemeine ist niemals mit besserer künstlerischer Meisterschaft veranschaulicht
^[Abb.: Fig. 694. Terborch: Trompeter und Dame.
München. Pinakothek.] ¶
und «genießbar» gemacht worden. Auch die Farbengebung, ein gemäßigtes Helldunkel, ist ansprechend. Ein vorzügliches Stück ist die «Lustige Gesellschaft», die alle vorbenannten Vorzüge erkennen läßt (Fig. 692).
Noch häufiger wurde das städtische und bürgerliche Volksleben zum Gegenstande der Schilderung gewählt; die vortrefflichsten Meister dieses Faches sind: Gerard Dou (1613 bis 75), Gabriel Metsu (1629-67) und Frans Mieris der Aeltere (1635-81);
auch Pieter Slingelandt und Gottfried Schalcken haben Bemerkenswertes geleistet.
Dou zeichnet sich durch eine ungemein sorgfältige, fast tüftelnde Durcharbeitung aller Einzelheiten aus, er ist auch nicht streng wirklichkeitstreu, sondern stellt den Inhalt seiner Bilder nach malerischen Gesichtspunkten zusammen; seine Gestalten zeigen stets eine ruhige Stimmung, sie geben sich mit stillem Ernst ihrer Beschäftigung hin, wie dies der gemessenen holländischen Volksart entspricht (Fig. 693). Auch bei ihm ist alles in ein fein abgetöntes Helldunkel getaucht. Mehr lebendige Bewegung verleiht den dargestellten Vorgängen Metsu, dessen Bilder dagegen in der Farbe klarer und kälter sind.
Mieris zog außer dem Leben der niedrigeren Kreise des Volkes auch jenes der vornehmen Gesellschaft in den Bereich seiner Darstellung und verwendet namentlich auf die Behandlung des Stoffes und der Gerätschaften vielen Fleiß. Uebertroffen wird er jedoch an Kunstfertigkeit in dieser Hinsicht und in der unvergleichlich feinen und abgewogenen Farbenstimmung von Gerard Terborch dem Jüngeren (1617-81), dessen Bilder auch durch die meisterhafte Wiedergabe der inneren Bewegung sich auszeichnen. Man fühlt sofort heraus, was in der Seele dieser Gestalten vorgeht (Fig. 694).
Landschaftsmalerei. In der Landschaftsmalerei lassen sich zwei Hauptgruppen unterscheiden. Die eine hatte sich der italienischen Richtung angeschlossen und holte sich auch ihre Vorwürfe aus Italien. Bemerkenswert ist, daß in Rom der Deutsche Elsheimer den meisten Einfluß auf die holländischen Kunstgenossen übte und diese von ihm, also sozusagen aus zweiter Hand, die italienische Kunstweise empfingen. Von den Malern dieser Gruppe wurde teilweise ganz Ansprechendes geleistet, z. B. von Jan Both und Claes Berchem, deren Landschaften sich durch eine sinnige Anordnung und schöne Farbentönung auszeichnen. In einer wirklichen und zwar auch hohen Bedeutung gelangte jedoch nur die zweite Gruppe, welche die heimische Natur zum Gegenstande ihrer Studien und Darstellung machte.
Das holländische Gelände bietet weder großartige Formen noch viel Abwechslung; eine Ebene, die höchstens von Sandhügeln unterbrochen wird, durchzogen von stillen Flüßchen und Kanälen, mit kleinen Wäldern zwischen den Dörfern, das sind die wesentlichen Grundzüge. Die Reize liegen hier in der «Stimmung» von Luft und Licht, und um diese herauszufinden, bedurfte es eines tieferen Naturgefühles und einer sorgfältigeren Beobachtung. Mit der Arbeit nach Vorbildern konnte man da nicht weit kommen, eigene Naturstudien waren unerläßlich.
Dadurch war die holländische Landschaftsmalerei auf den richtigen Weg zur künstlerischen Höhe gedrängt und gelangte zu einer Vollendung, welche nirgends anders im 17. Jahrhundert erreicht wurde. Die unmittelbare Natürlichkeit, die frische Auffassung, die wundervolle Durchsichtigkeit der Luft, die feine Tönung der Lichter und Schatten, kurz gesagt: «Stimmung» - diese Vorzüge finden sich in mehr oder minder hohem Maße bei den meisten Werken dieser Gruppe.
Aus derselben ragen insbesondere zwei Persönlichkeiten hervor, die als vollkommene Meister auf diesem Gebiete gelten können: Jacob van Ruysdael (1628-1682) und Meindert Hobbema (1638-1709), denen noch des ersteren Oheim, Salomon van Ruysdael (1600-70), Aelbert Cuyp (1620-91) und Jan van der Meer (1628-91) zur Seite sich stellen können. Ruysdael ist der Maler der Waldeinsamkeit, Hobbema jener der belebten, sonnbeglänzten Flur; der erstere giebt eine mehr traumhaft-dichterische, der andere eine genußfröhlichere Stimmung wieder. Ruysdael bildet alle Einzelheiten mit sorgfältiger Feinheit durch und arbeitet mit einem zarten Helldunkel; Hobbema wählt das vollere sonnige Licht, ist großzügiger und kräftiger. Es ist schwer zu sagen, welchem der beiden der Vorzug gebühre; von entzückendem Reiz sind die Landschaften des einen wie des andern, und ist bei Hobbema vielleicht die Naturwahrheit noch ¶