Vorliebe weibliche Heilige, die alle sich so ziemlich gleichen, da es Dolci gar nicht darauf ankam, eine persönliche Eigenart oder verschiedene seelische Stimmungen klar zum Ausdrucke zu bringen. Es ist immer ein und derselbe Zug von verzücktem Gefühlsüberschwang, in dessen Wiedergabe Dolci allerdings Meister ist. Daß die rundliche, weiche Formengebung auf die Natürlichkeit keine Rücksicht nimmt, braucht nicht erst gesagt zu werden (Fig. 679).
Genua. In Genua, das bisher in der Malkunst keine Rolle gespielt hatte, entwickelte sich im 17. Jahrhundert auch auf diesem Gebiete ein regeres Leben. Bei dem Fehlen einer bodenständigen Kunstweise mit ihren Ueberlieferungen ergab sich natürlich ein Anschließen an die andernorts entwickelten Richtungen, und die Genueser Maler erscheinen daher vorwiegend als «Ekklektiker». Eine bemerkenswerte Ausnahme macht nur Bernardo Strozzi (1581-1644), der ohne eigentliche Schulbildung auf dem Wege des Naturstudiums zu einer selbständigen Eigenart gelangte.
Seine Arbeiten zeigen einige Verwandtschaft mit denen Caravaggios, weil er gleich diesem ausschließlich die Natur zum Vorbilde nahm; sie unterscheiden sich aber wesentlich von diesem durch eine mehr heitere, gemütvolle Auffassung auch in der Darstellung des Volkslebens, und vor allem durch eine leuchtkräftige, satte Farbengebung. Der Minoritenmönch Strozzi sah die Welt mit anderen Augen an, als der verbitterte, mit Sorgen kämpfende Caravaggio; eine milde Fröhlichkeit und Farbenfreude spricht daher aus seinen Werken.
Strozzi fand daher in seiner Heimat weniger Anklang als in Venedig, wo er sein Leben beschloß. Genua bedurfte auch für seine Paläste mehr der Schmuckmalerei, als der «naturalistischen»; doch auch in jener Richtung blieb es verhältnismäßig einfach und maßvoll, wie es zwar stolzen, aber auch ehrsamen Handelsherren geziemt.
Venetianische Landschaftsmalerei. In dieser Hinsicht unterschieden sich die Genueser erheblich von der Gesellschaft Venedigs, das im 17. und 18. Jahrhundert die Weltvergnügungsstadt geworden war, in der sich die Lebenslust austoben konnte. Man ging damals nach Venedig, wie in unseren Tagen nach Paris, Monako, Ostende u. s. w., um sich zu unterhalten, Abenteuer zu erleben und des Geldes los zu werden. Die vornehme Gesellschaft und die Abenteurer aller Länder fanden sich in der Lagunenstadt zusammen, die den prickelnden Reiz einer gewissen «Gefährlichkeit» besaß.
Die venetianische Malkunst zehrte von dem Erbe der großen Vorfahren; wenn auch hier die Richtung der «Ekklektiker» zur Geltung kam, so blieb doch die heimische Farbenkunst immer maßgebend. Die überlieferte Geschicklichkeit in der Verwertung der Farbe machte auch die Venetianer besonders geeignet für die Schmuckmalerei, und wir finden sie daher mit Arbeiten dieser Gattung an allen Höfen Europas, in Deutschland, Oesterreich, England, Spanien u. s. w. beschäftigt. Von dem Hauptmeister Venedigs habe ich bereits früher gesprochen, und es bleibt nur noch ein Zweig zu erwähnen, der in Venedig eine besondere Pflege fand, die Landschaftsmalerei.
Die eigentümlichen landschaftlichen Reize der Lagunenstadt konnten nicht ohne Eindruck auf die zahlreichen Fremden bleiben, die nach Venedig kamen, und es ist begreiflich, daß Bilder derselben einen «Markt» finden mußten, um so mehr, als es damals weder Photographien noch Ansichtspostkarten gab, mit denen sich heutzutage das «kunstsinnige Publikum» begnügt. Eine Reihe von Künstlern pflegte daher die Malerei von Lagunenansichten, und unter diesen brachten es insbesondere drei zu einem «Weltruf»: Antonio Canale (1697-1768), dessen Neffe Bernardo Belotto (1720-1780), - beide führen den Beinamen Canaletto - und Francesco Guardi (1712-1793). Ihre Werke - alle drei waren ungemein fruchtbar und fleißig -, finden sich in der ganzen Welt zerstreut und werden auch heute noch hoch geschätzt.
Canale giebt in seinen Bildern hauptsächlich die Bauwerke wieder mit einer gewissenhaften Sorgfalt und Sicherheit, auch mit feiner Behandlung des Lichtes und der Luft, welche Eigenschaften die Beliebtheit rechtfertigen, die er genoß.
Legte schon Canale das Hauptgewicht auf die Richtigkeit der Zeichnung, auf Deutlichkeit und Klarheit, so that dies noch mehr Belotto, der zu Gunsten der ¶
Wahrheitstreue in der Linienführung auf den Reiz malerischer Stimmung gänzlich verzichtete. Naturwahrheit im höheren Sinne ist ihm jedoch nicht eigen; in seinen venetianischen Ansichten ist allerdings Luft- und Lichtstimmung naturwahr, aber fast immer die gleiche, und diese ihm gewohnte überträgt er auch auf die Ansichten der deutschen und polnischen Städte, die er in München, Dresden und Warschau malte. Gerade der am wenigsten berühmte Guardi übertrifft die Vorgenannten sowohl an Verständnis für die Mannigfaltigkeit der Naturerscheinungen wie auch an wahrhaft malerischer Auffassung derselben: seine Ansichten sind wohl weniger scharf gezeichnet, aber von lebhafterer Farbe und daher auch reizvoller. Letzterer hat deshalb in der Folgezeit auf die Entwicklung der Landschaftsmalerei einen stärkeren Einfluß geübt, als die kühl-verständige Weise der Canalettos.
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Belgien. Rubens. In den Niederlanden war die Malerei in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts ebenfalls auf den Abweg der «Manier» geraten. Jene Künstler, welchen die gedankenlose Nachahmung der heimischen Vorgänger nicht behagte und die daher neue Anregungen suchten, holten sich diese aus Italien, gaben dabei die heimische volkliche Eigenart auf und wurden, genau genommen, auch wieder «Manieristen», nur daß sie fremden Vorbildern folgten. Auf diesem Wege war eine Erneuerung der Kunst noch weniger möglich; dazu bedurfte es entweder einer machtvollen, künstlerischen Persönlichkeit, deren überlegener Kunstgeist eine neue Bahn brechen konnte, oder einer allmählichen Wandlung des volklichen Kunstgeistes, der auf eine neue Richtung hindrängen mußte. Das erstere war der Fall in den vlämischen Gauen, das letztere trat ein in Holland. Von der geistigen Scheidung der beiden niederländischen Gebiete wurde bereits an früherer Stelle gesprochen, und es genügt daher hier, auf diese Erörterungen hinzuweisen.
Unter den glänzenden Erscheinungen jener «Künstlerfürsten», die nicht nur unter ihren Genossen, sondern auch in der Gesellschaft und im öffentlichen Leben den Rang der Vornehmheit besaßen, ist eine der liebenswürdigsten Peter Paul Rubens. Er entstammte einer Antwerpener Familie, sein protestantischer Vater hatte jedoch auswandern müssen und lebte in den Rheinlanden. In Siegen wurde 1577 Peter Paul geboren; die erste Jugend verbrachte er in Köln, denn erst nach des Vaters Tode (1587) durfte die Familie nach
^[Abb.: Fig. 681. Rubens: Der bethlehemitische Kindermord.
München. Pinakothek.] ¶