erreicht er den feinen Zauber nicht, der in den besseren Werken Reni's liegt, er ist auch hier ernster und kräftiger, weniger malerisch aber wahrer (Fig. 672).
Die Nachfolger der Caracci. Von den anderen Schülern Caraccis verdient nur noch Francesco Albani (1578-1660) erwähnt zu werden, einerseits, weil er das Landschaftliche noch weiter und zwar mit unleugbarem Geschick ausbildete, und dann wegen seiner Engel- und Kinder-Darstellungen, mit welchen er der barocken Ziermalerei dankbare Vorbilder lieferte. Reizend sind unstreitig diese «kleinen Kerlchen», und man wird sie immer mit Vergnügen betrachten können; Besseres in dieser Art haben die späteren Nachahmer selten geleistet.
Die Führung der Schule ging später an Giovanni Francesco Barbieri, genannt Guercino (1590-1666) über,
der zwar gewandt und sicher in der Formbehandlung, aber sonst kühl und schwunglos erscheint, weder die Anmut Renis noch
die Kraft Domenichinos erreicht. Im zweiten Geschlecht, unter den
Schülern der Vorgenannten, gab es auch noch einige in der
Handfertigkeit ganz tüchtige Meister, welche den guten Ruf der Schule wahrten, ohne sonst auf die Kunst
entwicklung Einfluß
zu nehmen.
Im Jahre 1709 gründete Papst Clemens XI. in Bologna eine Akademie, zu deren Haupt er seinen Günstling Carlo Cignani (1628-1719) berief, einen Schüler Albanis, der jedoch schon stark der Richtung der Zierstücke-Malerei sich annäherte.
Seine Bilder zeichnen sich durch lebhafte Farbe und einen bemerkenswerten Schwung der Zeichnung aus. Die anderen Bologneser Akademiker unterschieden sich übrigens kaum mehr von den anderen «Manieristen»; die Caracci-Schule konnte dem unvermeidlichen Schicksale der Verflachung und Verflauung ebenso wenig entgehen, wie jede andere.
^[Abb.: Fig. 675. Tiepolo: Maria Himmelfahrt.
Würzburg. Kgl. Schloß.] ¶
Die Naturalisten. Die Gefahr, in Manier zu verfallen, lag eigentlich um so näher, als ja die ganze Richtung auf dem Benutzen älterer Vorbilder beruhte, und nur in der kritischen Art der Benutzung und in dem Verarbeiten der entlehnten Züge die selbständige Eigenart hervortreten sollte. Dies setzte aber immerhin auch starke künstlerische Persönlichkeiten voraus, «die eigenen Geist» und die Kraft besitzen mußten, auch ihre besondere Ausdrucksweise sich zu schaffen. Da erschien doch der Weg einfacher und auch sicherer, unmittelbar und rückhaltslos aus der Natur zu schöpfen, und durch genauere Beobachtung derselben Inhaltliches und Ausdrucksmittel auszubilden.
Dabei ist jede Nachahmung und Manier ausgeschlossen; je nach seinem Wesen wird jeder Einzelne die Natur
eigenartig auffassen. Dieser besonderen Auffassung wird auch eine verschiedene Art des Ausdrucks, der Formen, entsprechen,
es muß also der Künstler, welcher nur die Natur zum Vorbild nimmt, stets von selbständiger Eigenart bleiben. Die unbestreitbare
Richtigkeit dieser Schlußfolgerung machte sich auch damals geltend, als die Caraccis auftraten. Sie
hatten zwar auch den hohen Wert des Naturstudiums anerkannt, aber dieses nicht zur ausschließlichen Grundlage der Kunst
weise
gemacht. Das letztere kennzeichnet nun eine Gruppe von Meistern, die man gegenüber den «Ekklektikern»
als «Naturalisten» bezeichnen muß.
Caravaggio. Der älteste derselben ist Michelangelo Amerighi (oder Merisi) da Caravaggio (1569-1609), ein Oberitaliener, der anscheinend nur durch Selbststudium sich ausgebildet hatte. Er kam nach Rom und sollte bei dem Manieristen Cavaliere d'Arpino eintreten, was natürlich seiner ganzen Weise widersprach. Unter ziemlich ungünstigen Verhältnissen arbeitete er nun nach seinen Neigungen, fand jedoch damit wenig Anklang, was sich bei der damaligen Herrschaft der «Manieristen» wohl begreifen läßt.
Nur allmählich vermochte er sich Beachtung zu schaffen, blieb aber immer angefeindet. Der von Natur aus sehr reizbare und heißblütige Künstler wurde dadurch in allerlei schlimme Streitigkeiten verwickelt, in denen er seinen Gegnern nicht nur mit Worten erwiderte, so daß er wegen Totschlages aus Rom flüchten mußte. In Malta, wohin er sich gewendet hatte, erging es ihm ähnlich, er entkam zwar aus dem Gefängnisse, auf der Rückkehr wurde er aber in einem Streite schwer verwundet und starb 1609. Das wild Leidenschaftliche seines Wesens prägt sich auch in seinen Werken aus; er behandelt mit Vorliebe die unheimlichen Erscheinungen des Lebens, und selbst in der Farbengebung ist er düster.
Die Wahrheit geht ihm über Alles und rücksichtslos giebt er derselben Ausdruck; er verwirft nicht nur das «Verschönern
der Natur», wie es die Schule der «Idealisten» betrieb, sondern
nimmt auch den Standpunkt ein, daß nicht blos das «Schöne
in der Natur», sondern auch das Häßliche Gegenstand der Kunst
darstellung sein könne, weil es «wahr»
sei. Da er insbesondere im Anfange auf die üblichen Aufträge für Kirchen- oder Palastschmuck nicht rechnen konnte, so
wurde er Sittenschilderer, wozu er Stoffe und Modelle aus dem Volksleben Roms nahm (Fig. 673). Dabei konnte
er sich in der Wiedergabe des Naturwahren nur noch mehr ausbilden.
Daß er aber auch dem Schönen gerecht werden konnte, und den holden Reiz der Weiblichkeit darzustellen vermochte, beweisen
Bilder wie die «Lautenspielerin» oder das Bildnis der Schwester der Beatrice
Cenci. Später erhielt er allerdings Bestellungen auf Altarbilder, da er aber dem Geschmack der Auftraggeber
keine Zugeständnisse machte, so wurden ihm einzelne derselben zurückgewiesen. Die Darstellungsweise ist allerdings herbe
und derb, wirkt nicht erbaulich, sondern in ihrer unbedingten Wahrheitstreue erschütternd. Auf Gefallsamkeit und Sinnenreiz
nahm Caravaggios Kunst
weise niemals Rücksicht.
Eigentliche Schüler besaß er nicht, aber seine Art blieb doch nicht ohne Einfluß auf verschiedene Zeitgenossen, die von dieser strengen Wahrheitsliebe und Naturtreue sich angezogen fühlten, wenn sie auch in ihren eigenen Arbeiten einer weit gemäßigteren Auffassung huldigten.
Die Schule von Neapel. Ribera. Einen günstigeren Boden, als wie in Rom fand die «naturalistische» Richtung in Neapel, wo man von jeher mehr für derbe Lebenswahrheit als für das «Ideale» eingenommen war. Die neapolitanische ¶