Annibale, der eigentliche Maler d. h. Farbenkünstler, das «Technische». Auf diese Weise war eine wirkliche «Schule» eingerichtet worden, in welcher jedes Fach seinen besonders geeigneten Vertreter hatte, dabei aber auch volle Einheitlichkeit herrschte. Die Caraccis hatten durch mehrere Arbeiten in Bologneser Palästen, die sie mit Wandgemälden schmückten, ihren Ruf begründet und auch außerhalb der Heimat die Aufmerksamkeit erregt. Im Jahre 1597 wurden sie nach Rom berufen, um in dem eben vollendeten Palazzo Farnese die Galerie mit Wandgemälden zu schmücken (Fig. 670). Dem damaligen Zeitgeiste entsprechend bilden den Inhalt der Darstellungen allerlei Vorgänge aus dem antiken Götter- und Heldensagenkreis, bei denen ein stark sinnlicher, wenn nicht lüsterner Grundzug vorherrscht.
Die Wand- und Gewölbeflächen sind in Felder geteilt, durch ein grau in grau gemaltes Rahmenwerk, das in seiner baulichen
Formengebung ganz «barock» gehalten ist. Die Gemälde selbst sind beredte
Zeugen für die verständnisvolle Auswahl der Vorbilder. Die Anordnung der Gruppen ist so trefflich,
wie man sie bei Lionardo oder Raphael findet; die Zeichnung, bestimmt, kräftig und voll Lebenswahrheit, erinnert beinahe
an Michelangelo; die leuchtende, satte Farbengebung an die Venezianer und die Behandlung des Lichtes an
Correggio. Es ist
eine glückliche Verbindung von rein malerischer Farbenkunst
mit ausdrucksvoller zeichnerischer Formensprache. Daß in den
einzelnen Grundzügen die Meister des Cinquecento nicht ganz erreicht werden, ist begreiflich, da man
mit zusammengesetzten Mitteln doch eine möglichst einheitliche Wirkung erzielen wollte, so mußte eben jedes einzelne Mittel
mit Rücksicht auf die anderen auf ein gewisses Durchschnittsmaß zurückgeführt werden.
Den Hauptanteil an diesem Werke, an welchem Absicht und Können der Schule der Neuerer am besten ersichtlich ist, hatte Annibale, der während dieser Arbeit noch Zeit fand zu verschiedenen bedeutenden Tafelbildern, in denen er seine hervorragende Meisterschaft und Vielseitigkeit bekundet. Er leistet da ebenso Treffliches in Altarwerken, wie im Bildnis, im Landschaftlichen wie in der Wiedergabe des Volkslebens. Gerade auf diese Werke ist aufmerksam zu machen, weil sie mehr als die Darstellungen aus der Sagenwelt auch die geistige Auffassung des Künstlers erkennen lassen.
Jene mythologischen Gemälde sind im
Grunde mehr Zierstücke, bei welchen es in erster Linie auf das Formale, das Aeußerliche,
ankam. In den religiösen Bildern zeigt Annibale jedoch nicht nur die gleichen Vorzüge der Kunst
fertigkeit,
sondern auch seine Befähigung, für die innerliche Stimmung den rechten Ausdruck zu finden. Seine Madonnen atmen allerdings
den Geist seiner Zeit, sie haben nicht die reine Schönheit des einfach Menschlichen, wie jene Raphaels, sondern besitzen
bereits einen Zug
schwärmerischer Verzückung. Auf die spätere Entwicklung der Landschaftsmalerei übte
er auch einen namhaften Einfluß, indem er auf das «Stimmungsvolle» in
der Natur hinwies. Seine Bildnisse sind von lebenswahrer Kraft in der Wiedergabe der äußeren Erscheinung.
An künstlerischer Bedeutung in ihren Werken stehen sowohl Agostino wie Lodovico hinter ihm zurück. Ersterer konnte einen gewissen trockenen, lehrhaften Zug in seinem Wesen nie verleugnen, er ist zwar tüchtig, aber wenig geistvoll. Zum Teil gilt dies auch
^[Abb.: Fig. 673. Caravaggio: Der Falschspieler.
Dresden. Galerie.] ¶
von Lodovico, der aber doch als eine mehr abgeklärte künstlerische Natur erscheint und mit feinsinnigem Verständnis für Erhabenheit und Größe in seinen kirchlichen Bildern eine tiefe Wirkung zu erzielen wußte.
Guido Reni. Die von den Caraccis angebahnte Richtung fand hauptsächlich durch zwei Schüler derselben eine weitere Verbreitung, weil diese mit erstaunlicher Handfertigkeit eine Fülle von Werken schufen, so daß man solchen in zahllosen Orten Italiens und in allen Sammlungen begegnet. Der bekanntere und beliebtere der Beiden ist Guido Reni (1575-1642); an künstlerischer Kraft überlegen ist ihm jedoch Domenico Zampieri, genannt Domenichino (1581-1641).
Reni hatte seine hohe Begabung schon in einem Jugendwerke, dem berühmt gewordenen Bildnisse der
Beatrice Cenci erwiesen, welches ihn bereits als selbständigen Meister zeigt, der nicht blindlings die Wege der Schule wandelt.
In Rom bildete er sich durch eifriges Studium der Antike aus, welche er mehr als die Caraccis in seinen Arbeiten berücksichtigte.
Damit bereicherte er seine Kunst
weise mit einem neuen Grundzug, den er in einem anderen «berühmten»
Werke, der sogenannten «Aurora» (Morgenröte),
glücklich verwertete. (Fig. 671.) Das Bemühen, «ideale», d. h. urbildlich schöne Gestalten im Geiste der antiken Auffassung zu geben, tritt hier deutlich hervor; es vereinigt sich mit gutem Verständnis für die Natürlichkeit der Bewegungen und einer malerischen Farbengebung, so daß dieses Bild in der That den hohen Reiz der Anmut besitzt, der seine Wirkung nicht verfehlt. Den Zug solch' anmutiger Behandlung der Form und Farbe findet sich auch in einer Reihe gleichzeitig entstandener Gemälde: bald aber artete er in eine gewisse Süßlichkeit aus, die unwahr wirkt.
Ueberdies begann Reni jetzt die Zeichnung zu vernachlässigen und - was bei der Massenerzeugung nicht verwunderlich ist - oberflächlich und schleuderhaft zu arbeiten. Immerhin sind auch unter seinen späteren Werken noch manche, in denen sich eine tiefere Empfindung mit sorgfältiger Ausführung paart, und bei welchen daher auch die Schönheit reiner zum Ausdruck kommt. Freilich ist diese immer eine etwas weichliche, fast weibische, selbst in den Darstellungen männlicher Idealgestalten. Darin mag auch die Erklärung dafür liegen, daß er in der Zeit, in welcher an Stelle wahrer kräftiger Empfindungen die Rührseligkeit trat, so hoch geschätzt wurde.
Domenichino. Gegenüber dieser Weichlichkeit Renis erscheint Domenichinos Art von einer bemerkenswerten Kraft und Naturwahrheit. Hatte Jener durch das Studium der Antike sich beeinflussen lassen, so wandte dieser seine Aufmerksamkeit der Natur zu, die er auch im Geiste seines Lehrers Caracci tiefer erfaßte, wie dies die schöne Behandlung des Landschaftlichen in seinen Gemälden zeigt. Seine Hauptthätigkeit entfaltete er in religiösen Bildern, deren sich in Bologna, Rom und Neapel genug finden.
Besser als die weiblichen Gestalten gelangen ihm die männlichen, bei denen er nicht nur im Körperlichen, sondern auch in der Wiedergabe des Seelischen eine treffliche und sichere Gestaltungsgabe beweist. Wie selbst seinen weiblichen Figuren ein Zug des Männlichen anhaftet, läßt seine Sibylle erkennen. Diese ist für seine Art ebenso bezeichnend, wie die «Jagd der Diana» hinsichtlich der Auffassung der Landschaft, und die sogenannte «Communion des heiligen Hieronymus,» welches wohl das beste seiner religiösen Bilder ist. In der Farbengebung
^[Abb.: Fig 674. Salvator Rosa: Strand.
Florenz, Galerie Pitti.] ¶