Rücksicht auf sie zu nehmen, sondern richten sich einzig darauf, die höchste Wirkung auf das Auge zu erzielen: zu reizen.
Diese drei Richtungen finden wir in allen italischen Kunst
stätten vertreten, bemerkenswert ist jedoch, daß in diesem Zeiträume
zwei - Bologna und Neapel - zu einer maßgebenden Bedeutung gelangen, welche früher keine hervorragende
Bedeutung spielten. Es hängt dies aber nicht mit besonderen örtlichen Verhältnissen, welche den Kunst
geist bestimmten,
zusammen, sondern ist mehr nur eine Folge des zufälligen Umstandes, daß führende Meister dort lebten und Schulen bildeten.
Die Schule von Bologna. Caracci. So erscheint Bologna als Hauptstätte der ersten der vorgenannten Richtungen,
daher man auch von einer «bolognesischen Schule» spricht. Zutreffender
ist die Bezeichnung «ekklektisch» (auswählend), da sie, wie vorhin auseinandergesetzt
wurde, aus der Kunst
des Cinquecento Grundzüge auswählt und neu zu verbinden sucht. Die Begründer dieser Schule sind die
drei
Vettern Caracci, Lodovico (1555-1619), Agostino (1557-1602) und Annibale (1560-1609).
In Bologna hatte sich um die Mitte des 16. Jahrhun
derts ein ziemlich reges Kunst
leben entwickelt, das
eine gewisse Unabhängigkeit von jenem der anderen Orte zeigte. Man hatte dort in der Baukunst
eigene Wege eingeschlagen,
und zwar mit Erfolg. Es lebte noch der Geist der Unabhängigkeit und der Stolz auf die uralte Bedeutung
der Universität in der Bürgerschaft fort und von diesem war auch Lodovico Caracci beseelt. Er hatte seine Lehrzeit bei
einem «Manieristen» durchgemacht, dann aber die Hauptkunst
stätten Italiens
besucht und die verschiedenen Richtungen gründlich studiert.
Die Werke
Correggios und Tizians hatten ihn erkennen lassen, wie die römisch-raphaelische Weise nach der Seite
der Farbenkunst
hin fortbildungsfähig sei. Auf seine Veranlassung hin begaben sich auch seine beiden
Vettern nach Venedig
und Parma und nach deren Rückkehr wurde gemeinsam eine «Akademie» begründet,
welche sie Accademia degli Incamminati, (Schule der Neuerer) nannten. Die geistige Leitung hatte Lodovico, Agostino lehrte
das «Theoretische»,
^[Abb.: Fig. 672. Domenichino: Jagd der Diana.
Rom. Galerie Borghese.] ¶
Annibale, der eigentliche Maler d. h. Farbenkünstler, das «Technische». Auf diese Weise war eine wirkliche «Schule» eingerichtet worden, in welcher jedes Fach seinen besonders geeigneten Vertreter hatte, dabei aber auch volle Einheitlichkeit herrschte. Die Caraccis hatten durch mehrere Arbeiten in Bologneser Palästen, die sie mit Wandgemälden schmückten, ihren Ruf begründet und auch außerhalb der Heimat die Aufmerksamkeit erregt. Im Jahre 1597 wurden sie nach Rom berufen, um in dem eben vollendeten Palazzo Farnese die Galerie mit Wandgemälden zu schmücken (Fig. 670). Dem damaligen Zeitgeiste entsprechend bilden den Inhalt der Darstellungen allerlei Vorgänge aus dem antiken Götter- und Heldensagenkreis, bei denen ein stark sinnlicher, wenn nicht lüsterner Grundzug vorherrscht.
Die Wand- und Gewölbeflächen sind in Felder geteilt, durch ein grau in grau gemaltes Rahmenwerk, das in seiner baulichen
Formengebung ganz «barock» gehalten ist. Die Gemälde selbst sind beredte
Zeugen für die verständnisvolle Auswahl der Vorbilder. Die Anordnung der Gruppen ist so trefflich,
wie man sie bei Lionardo oder Raphael findet; die Zeichnung, bestimmt, kräftig und voll Lebenswahrheit, erinnert beinahe
an Michelangelo; die leuchtende, satte Farbengebung an die Venezianer und die Behandlung des Lichtes an Correggio. Es ist
eine glückliche Verbindung von rein malerischer Farbenkunst
mit ausdrucksvoller zeichnerischer Formensprache. Daß in den
einzelnen Grundzügen die Meister des Cinquecento nicht ganz erreicht werden, ist begreiflich, da man
mit zusammengesetzten Mitteln doch eine möglichst einheitliche Wirkung erzielen wollte, so mußte eben jedes einzelne Mittel
mit Rücksicht auf die anderen auf ein gewisses Durchschnittsmaß zurückgeführt werden.
Den Hauptanteil an diesem Werke, an welchem Absicht und Können der Schule der Neuerer am besten ersichtlich ist, hatte Annibale, der während dieser Arbeit noch Zeit fand zu verschiedenen bedeutenden Tafelbildern, in denen er seine hervorragende Meisterschaft und Vielseitigkeit bekundet. Er leistet da ebenso Treffliches in Altarwerken, wie im Bildnis, im Landschaftlichen wie in der Wiedergabe des Volkslebens. Gerade auf diese Werke ist aufmerksam zu machen, weil sie mehr als die Darstellungen aus der Sagenwelt auch die geistige Auffassung des Künstlers erkennen lassen.
Jene mythologischen Gemälde sind im Grunde mehr Zierstücke, bei welchen es in erster Linie auf das Formale, das Aeußerliche,
ankam. In den religiösen Bildern zeigt Annibale jedoch nicht nur die gleichen Vorzüge der Kunst
fertigkeit,
sondern auch seine Befähigung, für die innerliche Stimmung den rechten Ausdruck zu finden. Seine Madonnen atmen allerdings
den Geist seiner Zeit, sie haben nicht die reine Schönheit des einfach Menschlichen, wie jene Raphaels, sondern besitzen
bereits einen Zug
schwärmerischer Verzückung. Auf die spätere Entwicklung der Landschaftsmalerei übte
er auch einen namhaften Einfluß, indem er auf das «Stimmungsvolle» in
der Natur hinwies. Seine Bildnisse sind von lebenswahrer Kraft in der Wiedergabe der äußeren Erscheinung.
An künstlerischer Bedeutung in ihren Werken stehen sowohl Agostino wie Lodovico hinter ihm zurück. Ersterer konnte einen gewissen trockenen, lehrhaften Zug in seinem Wesen nie verleugnen, er ist zwar tüchtig, aber wenig geistvoll. Zum Teil gilt dies auch
^[Abb.: Fig. 673. Caravaggio: Der Falschspieler.
Dresden. Galerie.] ¶