Die Malerei.
Italien. Die «Manieristen». Raphael, Michelangelo und Correggio waren am Schlusse des 16. Jahrhunderts noch immer jene «vorbildlichen» Meister, welchen die zahlreichste Schar von Kunstjüngern nachstrebte. Durch emsiges Kopieren ihrer Werke suchte man ihre «Malweise» sich anzueignen, und die «Kunstgeheimnisse» zu entdecken, denen sie ihre Erfolge verdankten. Bei einigem Fleiß konnte Ersteres wohl glücken und die Handfertigkeit genügend geschult werden, um ganz in der Art des Vorbildes arbeiten zu können. In diesem heißen Bemühen ging aber gewöhnlich das bischen eigener Geist und eigenes Empfinden verloren, welches ursprünglich vorhanden gewesen sein mochte, und man glaubte schließlich daran, daß die Handhabung der abgelauschten Kunstgriffe nicht nur genüge, sondern auch unbedingt erforderlich sei, um ein Kunstwerk zu schaffen.
Bequem war es ja, sich einfach die Formensprache der Vormeister anzueignen, anstatt eine eigene sich zu erfinden, noch schlimmer war es aber, wenn die Bequemlichkeit so weit ging, daß man auch nur die fremden alten Gedanken auszusprechen wußte. Es ist eigentlich seltsam, daß gerade auf dem Gebiete der Kunst, auf welchem das persönliche Selbst des Schaffenden entscheidend ist für die Bedeutung des Werkes, man so häufig einer völligen Entäußerung aller Selbständigkeit begegnet. Die Meisten sind sich freilich dessen gar nicht recht bewußt, daß sie mit fremden Augen sehen, mit fremdem Hirne denken und mit fremder Hand den Pinsel führen; wurde es ja in der Regel ihnen eindringlich gelehrt und gepredigt, daß es so sein müsse.
Geschicklichkeit läßt sich vielen von diesen Nachtretern der Hauptmeister nicht absprechen und es findet sich unter ihren Werken gar manches, das eine höhere Wertschätzung verdient, als ihm gewöhnlich zu teil wird. Bei einem Vergleich mit den Vorbildern werden allerdings solche Arbeiten schlechter wegkommen, als wenn man sie für sich betrachtet. Der Unbefangene wird oft dabei zugestehen müssen, daß die Sachen gefallsam sind und eine große Gewandtheit verraten, fast niemals aber durch Geschmacklosigkeit abstoßen. Die Gerechtigkeit verlangt es, gegenüber der üblichen, kurzweg absprechenden Be-
^[Abb.: Fig. 670. Caracci: Galatea.
Rom. Palazzo Farnese.] ¶
urteilung dieser sogenannten «Manieristen» auch deren «gute Seiten» zu erwähnen. Sie lebten eben in der Ueberzeugung, daß die von den Hauptmeistern gewiesenen Wege die allein richtigen seien und bemühten sich, diese genauestens einzuhalten, dabei verdarben sie wenigstens nicht den Geschmack und das ist auch ein Verdienst. Weitaus schlimmer ist es, wenn kraftlose Unfähigkeit mit Neuerungssucht sich paart, mißverstandene Grundzüge der verschiedensten Art miteinander verbindet und sich schon neuschöpferisch dünkt, wenn sie blos das Gegenteil von dem thun, wodurch die anderen ihr Können bewiesen haben.
Für die weitere Entwicklung der Kunst haben freilich diese «Manieristen» der römisch-oberitalischen Schulen keine Bedeutung und von diesem Standpunkte aus brauche ich auch nicht näher auf die einzelnen einzugehen, deren Zahl ohnehin sehr umfänglich ist. Es genügt, wenn ich nur zwei derselben nenne, die bei ihren Zeitgenossen in hohem Ansehen standen, und dieses insofern rechtfertigten, als ihre Kunstfertigkeit in der Formbehandlung bedeutend war. Es sind dies Giuseppi Cesari Cavaliere d'Arpino (gest. 1640) und Pompeo Batoni (gest. 1787), die zu Anfang und zu Ende dieses Zeitraumes wirkten und durch die gleiche Artung ihrer Werke auch dafür zeugen, wie unverändert sich die «Manier» durch fast zwei Jahrhunderte erhalten konnte.
Es fehlte jedoch keineswegs an Künstlern, welche gegen diese Verflachung in Manier ankämpften und auf eigenen Bahnen selbständig fortzuschreiten suchten. Man kann da drei Hauptrichtungen unterscheiden. Die eine ging zwar auch davon aus, daß die Kunst des Cinquecento bereits das Höchste geleistet hätte und nicht zu übertreffen wäre, aber nur in ihrer Gesamtheit, während jedem Einzelnen nur bestimmte Vorzüge zukämen. Es gälte daher, diese Vorzüge herauszufinden und zusammenzufassen, dabei aber kritisch zu verfahren, das heißt, sie auf ihre Wahrheit hin zu prüfen, wozu gewissenhaftes Naturstudium nötig sei, und die auf diese Weise gewonnenen Grundzüge selbständig zu verarbeiten.
Die andere Richtung verwarf alle Anlehnung an die Ueberlieferungen und wollte ganz selbständig auf Grundlage eigenen Studiums der Natur und in neuer Auffassung derselben schaffen, dabei hielt sie jedoch daran fest, daß die Malkunst ihre besonderen Ziele und Aufgaben, somit auch ihre bestimmten Grenzen gegenüber den Schwesterkünsten habe. In dieser Hinsicht unterschied sich von ihr die dritte Richtung, welche ganz in dem Geiste der Zeit, wie er in der Baukunst sich geltend machte, mit unbefangener Kühnheit alle gewonnenen Ausdrucksmittel nur unter dem Gesichtspunkte der «Schmuckwirkung» verwertete. Hier haben wir die eigentlich «barocke» Malkunst, die auf ihre Sonderstellung verzichtend, mit Baukunst und Bildnerei sich verbindet, um Schmuckwerke von eindrucksvoller Pracht zu schaffen. Sie sieht ihre Aufgabe im «Zieren», und zu deren Lösung schlägt sie, unbekümmert um die besonderen Gesetze der Malerei, die ihr geeignet erscheinenden Wege ein. Der gedankliche Gehalt wird zur Nebensache und daher brauchen auch Farben- und Formgebung keine
^[Abb.: Fig. 671. Reni: Aurora.
Rom. Galerie Pallavicini.] ¶