Rheinlande. Am Rheine - wie überhaupt an den Sitzen der geistlichen Fürsten, so auch in Würzburg - ließ die Neigung zur
Prunksucht eine künstlerische Vertiefung nicht aufkommen. Die zahlreichen Grabmäler der Bischöfe, Domherren und des Adels
sind ungemein reich an Schmuckwerk, auch mit feiner Sorgfalt ausgeführt, aber es ist alles nur auf den
äußerlichen Schein berechnet und von einer höheren geistigen Auffassung selten etwas zu bemerken; man könnte dies kurz
bezeichnen als vortreffliche Marktware eines ausgebildeten Kunst
handwerkes.
Salzburg. Nach dem Jahre 1620 ließ die Kriegsnot ein künstlerisches Leben in Deutschland nicht mehr gedeihen und erst nach 1660 beginnt es wieder etwas sich zu regen.
Nur in dem Erzbistum Salzburg, das von den Wirren weniger berührt wurde, begegnen wir gerade in jener Zeit einer lebhaften
Kunst
thätigkeit, die jedoch nichts Hervorragendes leistete. Neben Einheimischen waren vorzugsweise Italiener beschäftigt.
Der (nach 1664) von Anton Dario gefertigte Hofbrunnen (Fig. 667) zeichnet sich durch kraftvolle
Einfachheit aus und hebt sich dadurch vorteilhaft von anderen gleichzeitigen Werken ab. Fast allenthalben herrscht eben eine
ziemlich geistlose Handwerksweise, die zudem auch noch mittelmäßig geworden war und die frühere Schulung eingebüßt hat.
Nur an zwei Stätten entwickelt sich eine wirkliche bildnerische Kunst
, in Wien und Berlin.
^[Abb.: Fig. 668. Schlüter: Der große Kurfürst.
Berlin.] ¶
Wien. Donner. An dem Kaiserhofe in Wien bestand ja Sinn für die Kunst
- der berühmte Feldherr Prinz Eugen von Savoyen zählt
zu deren eifrigsten Förderern - freilich waren die steten Kriege (mit den Türken, der spanische Erbfolgekrieg) für eine
besondere Pflege derselben nicht sehr günstig. Erst um 1720 traten ruhigere Zeiten ein. Damals besaß
denn auch Wien einen Meister, welcher sich von den Geschmacksverirrungen seiner Vorgänger frei hält und mit Erfolg zu einer
maßvollen Einfachheit und Formenreinheit zurückzustreben sich bestrebt. Es ist dies Raphael Donner (1692-1741) dessen bedeutsamstes
Werk der Brunnen zu Wien ist.
Dasselbe läßt die Eigenart des Künstlers trefflich erkennen. An der malerischen Auffassung hält er zwar fest, ohne sie jedoch zu übertreiben, vielmehr zeigt er bereits die Anläufe zu einem rein bildnerischen Stil. Die Gruppe ist geschmackvoll angeordnet, die Formen sind edel gebildet und zeugen von besserer Naturbeobachtung, als sonst in dieser Zeit üblich war, in der man nach Vorbildern anstatt nach der Natur zu arbeiten pflegte. Wohl vermißt man noch eine kräftigere Betonung des Innerlichen, immerhin liegt schon mehr Geist darin, namentlich in der Hauptfigur, als in den meisten anderen gleichzeitigen Werken.
Berlin. Schlüter. In Berlin, der Hauptstadt jenes Staates, welcher die Führerschaft in Deutschland anzutreten
sich anschickt, hatte in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhun
derts die niederländische Kunst
richtung hauptsächlich Einfluß
gewonnen und in deren Geiste bildete sich auch zunächst der Künstler aus, welcher wieder die deutsche Eigenart in der Bildnerei
zu Ehren brachte: Andreas Schlüter (1664-1714). In den Trophäen an dem Zeughause herrscht noch die malerische
Auffassung, ihre Anordnung zeugt aber von einem hohen Schönheitsgefühl, welches von Uebertreibung sich fern hält.
Die Köpfe der sterbenden Kämpfer sind jedoch bereits in neuem Geiste gebildet. Von einer packenden Naturwahrheit, dabei wieder
maßvoll im Ausdruck des Schmerzes und Todes, welcher nichts Abstoßendes enthält, jeder derselben eine besondere
persönliche Eigenart bekundend, erscheinen diese Köpfe als Vorboten des Wiedererwachens der echtdeutschen Kunst
, welche
die Natur tiefsinnig ergründet und mit wahrer Empfindung in edlen Formen nachgestaltet.
Das Hauptwerk Schlüters, das Reiterstandbild des Großen Kurfürsten, steht den besten Werken der Antike und der Renaissance in dieser Gattung ebenbürtig zur Seite. Der geistige Gehalt der dargestellten Persönlichkeit ist ebenso meisterhaft zum Ausdruck gebracht, wie die ganze Haltung von ergreifender Würde erfüllt. Es ist wirklich das Bildnis eines «großen Fürsten», wie man sich einen solchen vorstellen mag. Nicht minder trefflich ist das Roß gebildet, dessen kraftvolle Formen und lebendige Bewegung zu der Auffassung des Reiters prächtig stimmen. Nur in einem Punkte hat der Meister der «Mode der Zeit» nachgegeben, indem er den Kurfürsten in römischer Gewandung darstellt.
Ville.] ¶