der Begriffe in körperlichen Gestalten. Tugenden und Laster, Wissenschaften und Handwerk, Länder und Städte werden so verkörpert und mit Vorliebe auch handelnd dargestellt. Dabei unterläuft viel Abenteuerliches, ja Widersinniges. Neue Gedanken kommen dabei nicht zum Vorschein, man behilft sich mit den Einfällen der «Alten» und würfelt nur diese durcheinander. Wenn man solche umfängliche, figurenreiche Zierstücke, denen man namentlich in den Prachtsälen der Paläste, über den Thüren, an Kaminen u. s. w. begegnet, ausschließlich nur auf die Formen hin betrachtet und darauf verzichtet, sich dabei etwas denken zu wollen, so wird man diese spielerische Art erträglich finden.
Berninis Nachfolger. Daß ich im Vorstehenden von Bernini ausführlicher gesprochen habe und mehr Proben seiner Werke gebe, läßt sich leicht rechtfertigen. Begabung und die Gunst der Verhältnisse machten ihn zum «Hauptmeister» seiner Zeit, und neben ihm konnte in Italien keiner recht aufkommen. Die Schwächeren beugten sich willig vor ihm und wurden sklavische Nachahmer, und auch die mehr selbständigen Geister wurden, wenn vielleicht auch widerwillig, in seinen Bann gezwungen, weil alle Welt Berninische Art verlangte.
Man weiß ja, wie es zu gehen pflegt: erregt ein Kunstwerk oder ein Künstler Aufsehen, kommt dieser «in die Mode», so wollen Käufer und Besteller auch «dasselbe oder Aehnliches» haben, und solche «Tyrannei der Mode» mordet mehr künstlerische Naturen, als mancher glauben mag. Die Voraussetzung für die ersehnte wirkliche «Freiheit der Kunst» ist ein «geistig freies Volk» - letzteres Wort sei im weitesten Sinne verstanden -, dann kann in den großen Kreisen desselben jeder Künstler von Eigenart eine Anhängerschaft finden, deren er schon aus den groben Gründen des Daseinskampfes bedarf.
Neben Bernini konnte nur noch der Bolognese Alessandro Algardi (1602-1654) eine gewisse selbständige Bedeutung behaupten, ja, allerdings nicht sehr erfolgreich, mit jenem wetteifern. Daß auch seine Art sich nicht wesentlich von der Berninischen unterscheidet, ist begreiflich, nur knüpft sie unmittelbar an den malerischen Stil der Hochrenaissance an. Als ein Zeugnis für seine Kunstfertigkeit und dafür, wie sehr er sich die Formen der Antike angeeignet hatte, mag erwähnt werden, daß man sein Standbild des Morpheus lange für ein «antikes» Werk gehalten hat. Seine besten Arbeiten sind das Flachbildwerk: «Papst Leo d. Gr. tritt dem Attila entgegen» (ein Stoff, den bekanntlich auch Rafael behandelt hat) und das Grabmal des Papstes Leo XI. (Fig. 655).
^[Abb.: Fig. 664. Grabmal Kaiser Ludwig des Bayern.
München. Frauenkirche.] ¶
In den nächsten hundert Jahren nach Berninis Tode hat die italienische Bildnerei keinen Mann aufzuweisen, der die Kunst irgendwie vorwärts gebracht hätte. Man arbeitet in der nun herkömmlich gewordenen Weise mehr oder minder tüchtig und man kann dieser Zeit nur das nachrühmen, daß sie wenigstens die Handfertigkeit nicht verfallen ließ. Erst in Canova erscheint wieder ein Meister, der sich über seine Vorgänger erhebt und an der Schwelle einer neuen Zeit eine bedeutsame, vermittelnde Rolle spielt.
***
Französische Bildnerei. In Frankreich hatte die Bildnerei ihre heimisch-völkische Eigenart bewahren können, da sie in den Zeitgenossen Michelangelos, Bontemps und vor allem Goujon, vortreffliche Meister besaß, die ihre Selbständigkeit nicht aufgaben. Wenn nun eine Wandlung eintrat, so wurde sie den heimischen Künstlern gewissermaßen durch König Louis XIV. aufgezwungen, dessen Wesen die Art Berninis so recht entsprach. Nur allmählich und sozusagen widerwillig betraten die französischen Bildner die neuen Bahnen; jene Gruppe jüngerer Kräfte, die im Anfange des 17. Jahrhunderts wirkten, hielt noch vielfach an den Ueberlieferungen der älteren Schule fest und liefert Werke, die mehr Züge von schlichter Wahrheit und edler Klarheit aufweisen, als daß sie dem neuen Geschmack an hochtrabender, schauspielerischer Prunksucht huldigen. Was sie aber stets auszeichnet, ist jene anmutige Feinheit und Zierlichkeit, welche, selbst wenn sie übertrieben wird, doch gefallsamer bleibt, als die aufdringliche Schwelgerei in üppigen Formen.
Girardon. Puget. Schon mehr der neuen Richtung angehörig, aber doch die trefflichen Eigenheiten der älteren französischen Schule nicht ganz verleugnend, erscheint François Girardon (1628-1715), dessen Werke durch lebensvolle Natürlichkeit sich erfreulich von anderen zeitgenössischen abheben. Der feinere, d. h. maßvollere Geschmack des Franzosen tritt hervor, wenn man seinen «Raub der Proserpina» (Fig. 656) mit jenem Berninis vergleicht. Die Uebereinstimmung in vielen Zügen ist ja schlagend, aber der Pluto Girardons ist doch weniger roh, die Proserpina etwas keuscher und die ganze Gruppe ist schöner angeordnet.
Dagegen huldigt Pierre Puget (1622-1694) ganz der rein malerischen Auffassung - er war ja selbst auch Maler, freilich als solcher unbedeutend - und geht, was unruhige Bewegung anbelangt, bis an die äußersten Grenzen. Die Gruppen «Milon aus Kroton von einem Löwen zerfleischt», dann «Perseus befreit Andromeda» und das Flachbild «Alexander bei Diogenes» wurden seiner Zeit viel bewundert. Anerkennenswert ist, daß die Vorgänge verständlich und naturwahr dargestellt sind; die zweitgenannte ist zwar an-
^[Abb.: 665. Candid: Marienbild.
München, Residenz.] ¶