lang nach bildnerischen Formen gearbeitet, und eben so gut konnte die Bildnerei gewisse Züge der ersteren aufnehmen. Doch das richtige Maß sollte nicht überschritten werden. Gerade dies trat jedoch ein.
Auf zwei, in dem Geiste der ganzen Zeit, besser gesagt der maßgebenden Gesellschaftskreise, begründete Züge muß ich noch aufmerksam machen. Der eine ist das Hervortreten des Sinnlichen, das bis zum Lüsternen sich steigert. Wie in der Malerei jene Vorwürfe beliebt wurden, in welchen eine ausgelassene Sinnenlust sich kundgiebt, so auch in der Bildnerei. Man weiß ja, welche Sittenverderbnis im 17. Jahrhundert an gewissen Höfen herrschte und auch in die Gesellschaft drang.
Dieser entsprach auch die Richtung der Kunst hinsichtlich der Stoffwahl. Beinahe mehr noch als in der Darstellung des Nackten tritt dieser Zug in den halbverhüllten Gestalten hervor, vor allem aber, wie gesagt, in den Vorwürfen und der ganzen Art und Weise, wie die Vorgänge dargestellt wurden. Selbst religiöse Bilder, die für Kirchen bestimmt waren, sind davon nicht frei. Es kommt in denselben selten noch innige, religiöse Empfindung, die Erhabenheit des Göttlichen und Heiligen zum Ausdruck, dafür liebt man es, Verzückungen und Martervorgänge darzustellen.
Der zweite Zug ist jener der oft geradezu maßlosen Prunkhaftigkeit. Erscheint hinsichtlich der Sinnlichkeit die weltliche Gesellschaft allein verantwortlich, so trug zu der Ausartung der Prachtliebe auch die Kirche bei, welche hierdurch auf die Masse wirken wollte.
Die Kunstfertigkeit wurde allerdings im höchsten Grade ausgebildet. Die Glätte und Sauberkeit in der Behandlung des Marmors - dem jetzt fast ausschließlich verwendeten Stoffe - verdient volle Anerkennung. Dabei leistet man auch allerlei Kunststücke; man weiß durchscheinende Gewandung, welche die Körperformen genau erkennen läßt, zu bilden oder eine ganze Gruppe in ein Netz zu hüllen und dergleichen mehr.
Berninis bildnerische Werke tragen bereits all' die genannten Züge an sich. Von den Häuptern der weltbeherrschenden Mächte seiner Zeit, den römischen Päpsten und dem französischen Könige (Ludwig XIV.) als «erster Künstler» gefeiert, wäre ihm schon aus diesem Grunde die Rolle des «tonangebenden Weltmeisters» zugefallen, auch wenn er nicht thatsächlich an Begabung seine Zeitgenossen überragt hätte. Die Hauptmenge seiner Arbeiten befindet sich in Rom; es sind darunter sowohl religiöse Darstellungen und Grabmäler, wie auch solche von weltlich-sinnlicher Art und Ebenbildnisse.
Er selbst hat als sein «bestes Werk» die Gruppe der heiligen Theresia in der Kirche S. Maria della Vittoria bezeichnet und somit als dasjenige, nach welchem man auch den «Geist» des Meisters, seine Anschauung von dem «Kunstziel» zu beurteilen habe.
Die Gruppe stellt die Heilige in seliger Verzückung dar; ein Engel entsendet den Pfeil der göttlichen
^[Abb.: Fig. 661. Kanzel im Dom zu Magdeburg.] ¶
Liebe in ihr Herz (eine Uebertragung des bekannten Vorwurfs, Amor mit dem Liebespfeil, ins Christliche) (Fig. 652). Der Vorgang spielt sich auf dem Boden von marmornen Wolken ab, welche den Nischenraum erfüllen, also thatsächlich als in der Luft schwebend gedacht sind. Diese Gruppenanordnung in freiem Raume auf Steinwolken hatte damals den nachhaltigsten Eindruck gemacht und wurde unzählige Male angewendet. Daß der Ausdruck der Verzückung trefflich gelungen ist, wird man zugestehen, ebenso aber auch erkennen, daß mehr ein sinnlicher als gemütsinniger Grundzug hervortritt.
Die Behandlung des Gewandes ist nicht minder bezeichnend. Den ruhigen Faltenwurf mit maßvoll flüssigen Linien, der auch den Körperformen sich anschmiegt, kennt die Bildnerei dieser Zeit nicht mehr; auch die Gewandung muß in heftiger, übermäßiger Bewegung erscheinen, sie bauscht sich und flattert, als ob die Figuren stets im Sturme ständen. Diese Gestaltung des Gewandes erscheint daher in den allermeisten Fällen «grundlos», denn sie ist nicht bedingt durch den Vorgang, der dargestellt ist.
Die Bildnerei hatte aber an dieser gekünstelten Faltenlegung (Drapierung) ein starkes Gefallen gefunden und man setzte viel Fleiß und Geist an die Erfindung neuer, schwellender und überraschender Faltungen. An und für sich sind dieselben sicherlich gefällig und, in weichen Stoffen selbständig ausgeführt, müßten sie auch einen «künstlerischen Eindruck» machen, in Marmor aber, noch mehr aber wegen der willkürlichen, d. h. durch den dargestellten Vorgang nicht begründeten Anwendung auch an unpassendem Orte wirken sie unkünstlerisch.
Für die Behandlung von Grabmälern, wie sie jetzt üblich wurde, ist ein anderes Werk Berninis, das Grabmal des Papstes Alexander VII. bezeichnend. Hier hebt der Tod in Form eines Skelettes den Vorhang auf, der die Gruft verhüllt. Die Verkörperung des Todes durch ein Knochengerüst hat etwas Grauenhaftes an sich, das wohl auf überreizte Nerven stark wirkt, aber dennoch keinen das Gemüt erschütternden und dabei zugleich erhebenden Eindruck macht. Um die Kunstfertigkeit zu zeigen, giebt das Skelett freilich Gelegenheit (Fig. 653).
Einen «sinnlichen» Vorwurf behandelt Bernini in seinem «Raub der Proserpina». An dem männlichen Körper (Pluto) ist die überkräftige Bildung der Muskeln, an dem weiblichen die fast schlappe Weichheit des Fleisches zu beachten. In dem Vorgang selbst
^[Abb.: Fig. 662. Der Tugendbrunnen in Nürnberg.] ¶