Dieser barocken Keckheit huldigte schon Jaques Francquart, der außerhalb des von Rubens unmittelbar beeinflußten Kreises stand, noch mehr aber der letztere selbst.
Das bedeutendste Werk dieser Richtung dürfte die Jesuitenkirche zu Antwerpen sein, erbaut von zwei Ordensmitgliedern (1614-21), welche zwar 1718 abbrannte, aber nach den alten Plänen wieder hergestellt wurde. Ihr damaliges Inneres giebt ein Gemälde von Sebastian Vranc wieder. Bezeichnend ist namentlich der Turm, der untere Teil ist quadratisch, durch dorische und jonische Wandpfeiler gegliedert mit Einsprüngen in den Ecken, in welche Säulen gestellt sind, der obere Teil ist achteckig und mit einer auf korinthischen Säulen ruhenden Kuppellaterne bekrönt. Die Schauseite ist ungemein reich ausgeschmückt, zweigeschossig mit mächtigem Giebelaufbau (Fig. 642). Die gleiche malerische Pracht zeigt auch eine Reihe anderer Jesuitenkirchen, so in Brügge, Lüttich, Ipern u. a. O.
Rubens hatte durch sein Kupferstichwerk über die Genueser Paläste seine Landsleute mit der italienischen Barockkunst vertraut gemacht, die eigenen baukünstlerischen Gedanken dagegen hauptsächlich in seinen Gemälden niedergelegt. Unter seinen späteren Schülern ragt insbesondere Lucas Faidherbe (1617-97) hervor, von dem wahrscheinlich auch die Jesuitenkirche zu Löwen und die Beguinenkirche in Brüssel herrühren, beide Werke von mächtiger Wirkung. Namentlich die letztere zeichnet sich durch glückliche Verteilung der Massen, schöne Gliederung und vollen Einklang der Verhältnisse, sowie durch maßvolle und geistreiche Durchbildung der Einzelheiten aus. Die Schauseite ist von einem malerischen Reiz, der kaum zu übertreffen ist (Fig. 643). Beachtenswert ist dabei auch die Betonung der senkrechten Linien, welche die Höhenentwickelung hervorhebt, noch ein Anklang an die Gotik.
Der Meister war auch viel mit Umbauten beschäftigt, die damals mit Eifer betrieben wurden. Es lag dieses Umbilden, das «Restaurieren», im Geiste der damaligen Zeit, welche mit dem Alten aufräumen wollte, ohne vom Grunde aus Neues schaffen zu müssen. Man verstand es auch vortrefflich, das «alte Baugerüst» mit dem neuen reichen Zierschmuck zu verhüllen, wobei freilich auf den inneren Zusammenhang der Baufügung mit den Schmuckstücken keine Rücksicht genommen werden konnte.
Lag auch der Schwerpunkt der künstlerischen Thätigkeit Belgiens im Kirchenbau, so entstanden doch auch eine Anzahl weltlicher Bauten, an denen die neue Richtung zum Ausdruck gelangte. In dieser Hinsicht sind die Zunfthäuser bemerkenswert, an denen insbesondere Brüssel reich ist. Auch bei diesen tritt als bezeichnend die vorwiegend senkrechte Gliederung und die Zurückdrängung der Massen hervor, so daß das Aufstreben zur Höhe den Gesamteindruck bestimmt, sowohl auch die wagerechten Linien (in breiten Gesimsen und Säulengeländern) kräftig genug gebildet sind (Fig. 644).
Der belgischen Barockkunst muß man nachrühmen, daß sie die volkliche Eigenart immer zu bewahren verstand; sie nahm überlieferte heimische Eigentümlichkeiten wie fremde
^[Abb.: Fig. 647. Schloß Blenheim.]
Anregungen auf, ging aber ihre eigenen Wege, welche ihr die schöpferische Einbildungskraft erfindungsreicher, formengewandter und vor allem malerisch empfindender Meister wies.
Holland. Holland hatte erst durch den Waffenstillstand von 1609 für längere Zeit jene Ruhe erlangt, welche gestattete, sich auch wieder mehr mit Kulturaufgaben zu befassen. Während des Kampfes hatten sich die Gegensätze zu Belgien noch schärfer herausgebildet. Wir finden sie auf allen Gebieten. Auf den Unterschied der Volksart wurde bereits hingewiesen, dort der bewegliche, sinnlich erregbare, lebensfroh genießende Romane, hier der ernste, verständig berechnende, häusliche Germane. In Belgien überwog die gewerbliche Thätigkeit, Holland war eine Seemacht geworden, die gemeinsam mit England den Welthandel beherrschte. Der Katholizismus im Süden wirkte auf das Gemüt, der Protestantismus beschäftigte das Denken. Holland wurde eine Stätte der wissenschaftlichen Forschung, an der die Philosophie mit gründlichem Eifer gepflegt wurde.
Diese philosophisch-wissenschaftliche Geistesrichtung allein würde es schon hinreichend erklären, daß in Holland die Barockkunst keinen Boden finden konnte, sondern dort das «Klassische» und zwar in der Auffassung Palladios Geltung behielt, bis die «Wissenschaft» dem «hellenischen Klassizismus» zum Durchbruch verhalf. Dazu trugen noch die anderen Umstände nicht unerheblich bei, das belgische Barock mit seiner Formenpracht erschien als «katholisch» und war daher dem strenggläubigen Protestantismus widerwärtig, das ungebundene Walten der Einbildungskraft konnte dem nüchternen, kalten und klaren Verstande der Holländer nicht zusagen; ernst, regelrecht und gesetzmäßig sollte auch die Kunst sein.
Sie blieb aber auch deutsch in ihrem Wesen. Die Gotik, welche in Holland auch weit einfacher und nüchterner wie in Belgien sich entwickelt hatte, gab die Grundgedanken, und die deutsche Frührenaissance lieferte die Formensprache für die holländische Bauweise zu Beginn des 17. Jahrhunderts, die sich von Italien nur in geringem Maße beeinflußt zeigt.
Man konnte sich aber doch der Erkenntnis nicht verschließen, daß in Italien wie in Belgien eine fortschreitende Entwicklung sich vollziehe, zumal auch viele der holländischen Künstler dort ihre Studien gemacht hatten. Da man aber aus den erwähnten Gründen sich dieser Kunstweise nicht anschließen, sondern die Eigenart bewahren wollte, so blieb für einen Fortschritt eben nur der Weg zur «antiken Einfachheit» übrig. Auch die deutsche Renaissance hatte der Freude an malerischem Formenreichtum und der frischweg gestaltenden Einbildungskraft freie Bahn gewährt, die man nun verließ, um in ruhiger, breiter Massenentwicklung, in einfachen, großzügigen Formen bei fast völligem Verzicht auf Zierwerk im Aeußeren, die künstlerische Wirkung zu suchen.
Für diese Auffassung ist wohl am meisten bezeichnend das Stadthaus in Amsterdam (jetzt königliche Residenz), welches 1648 begonnen wurde und zwar von einem Rubens-Schüler, Jacob von Campen (+ 1657). Der Bau ist von mächtiger Wirkung, seine Größe entspricht der damaligen Stellung Amsterdams als der ersten Handelsstadt der Welt. Die Eigenart eines «Stadthauses», als des Mittelpunktes eines freien bürgerlichen Gemeinwesens, findet bedeutungsvollen Ausdruck. Dem Hauptbau (Fig. 645) ist ein Vorhaus vorgelegt, in welches sieben Rundbogenthore führen. Aus demselben gelangt man über die Haupttreppe in den großen Bürgersaal, der durch zwei Stockwerke sich erhebt und mit einem Tonnengewölbe überdeckt ist; rings um denselben ziehen sich Galerien von fast 9 m Breite hin. An den Ecken des Hauptbaues springen gleichfalls drei Fenster breite Pavillons vor. Die Schauseite ist wagerecht in drei Hauptteile gegliedert: ein niederes Untergeschoß mit quadratischen Oeffnungen; ein schmales Gesimse trennt es von dem ersten Hauptgeschoß, über welches ein Halbgeschoß angeordnet ist, dann folgt ein mächtig entwickeltes Gesimse, das auf Wandpfeilern aufruht und darüber das zweite Geschoßpaar. Die senkrechte Gliederung erfolgt durch die erwähnten Wandpfeiler mit korinthischen Kapitälen. Die Fenster der Hauptgeschosse sind länglich, jene der Halbgeschosse quadratisch. Ueber dem siebenfenstrigen Mittelbau erhebt sich ein mit Flachbildwerken geschmückter Giebel, hinter