In Schwaben hatte schon ein Einheimischer, Leopold Retti, der in Paris studiert, die französische Richtung eingebürgert, wie das Residenzschloß in Stuttgart zeigt, für welches er die Pläne entworfen hatte, und dessen Bau er bis 1752 leitete, worauf dann der Franzose de la Guepiére an seine Stelle trat. Das Schloß ist vollständig in den Formen der Pariser Bauten gehalten und zeigt nicht im geringsten mehr etwas von deutscher Art. Von Guepiére stammen auch die beiden Schlößchen Monrepos (Fig. 630) und Solitude bei Ludwigsburg, deren Grundanlage und Ausschmückung allerdings mustergiltig ist, was vornehme Behaglichkeit und feinen Reiz anbelangt.
In der Kurpfalz und am Rhein kam Nicolaus de Pigage zu Einfluß und bürgerte auch hier den französischen Geschmack ein. Am zähesten hielt Oesterreich an seiner heimischen Richtung fest. Die große Kaiserin Maria Theresia empfand in dieser Hinsicht wahrhaft «deutsch» und ließ sich von der «französischen Mode» nicht beeinflussen, obwohl ihr Gemahl Franz von Lothringen dieser nicht unzugänglich war. Das kräftige Barock Fischer von Erlachs machte allerdings auch hier einem Rokoko Platz, das aber doch eigenartig sich ausbildete.
Erst in den letzten Jahren, als Josef II. schon Mitregent war, treten französische Einflüsse stärker hervor, und der Hauptmeister jener Zeit, der Wiener Johann Ferdinand Hohenberg von Hetzendorf (1732-1790), wandte sich der klassischen Richtung zu. Die sogenannte Gloriette im Schönbrunner Parke (Fig. 631), ein reines Schaustück, das keinen anderen Zweck hat, als malerisch zu wirken, ist ein reizvolles Werk dieser Art, welches übrigens für das Können des Meisters ein treffliches Zeugnis abgiebt.
^[Abb.: Fig. 633. Galerie d'Apollon im Louvre.
Paris.] ¶
Frankreich.
Eigenart der französischen Baukunst. Die Religionskriege, welche im 16. Jahrhundert Frankreich zerrüttet hatten, waren 1598 durch das Edikt von Nantes beendet worden, und die Zeit des neuen Aufschwunges brach an. Die Staatsgewalt, oder richtiger gesagt, das selbstherrliche Königtum, war aus diesen Kämpfen gestärkt hervorgegangen, nicht nur gegenüber dem Volke, sondern, was sehr wichtig ist, auch gegenüber der Kirche. Während in Deutschland, soweit katholische Fürsten in Betracht kamen, diese ihre Macht der Kirche dienstbar machten, hatte Rom dem französischen Könige Zugeständnisse gewähren müssen, welche es einem Ludwig XIV. gestatteten, auch auf kirchlichem Gebiete selbstherrlich aufzutreten.
Wenn auf deutschem Boden die Baukunst durch die religiösen Bekenntnisse beeinflußt erscheint, so daß man von einem katholischen und einem protestantischen Stil sprechen kann, konnte sich in Frankreich ein volklicher und einheitlicher entwickeln. Die kirchliche Unabhängigkeit von Rom brachte auch die künstlerische von Italien mit sich; das französische Selbstbewußtsein war mit voller Berechtigung stark entwickelt und konnte auf eine Sonderstellung auch in der Kunst hinarbeiten. Schon Philibert Delorme durfte daran denken, eine eigene «französische Säulenordnung» zu schaffen, und dieser Gedanke taucht in der Folgezeit immer wieder auf. Man studiert zwar auch die Antike, aber faßt sie stets im französischen Geiste auf und legt sie nach diesem sich für die Anwendung zurecht.
Es fehlt zwar nicht an Einwirkungen von der Fremde her. Nach dem Tode Heinrichs IV. hatte Maria von Medici die Regentschaft für den minderjährigen Ludwig XIII. geführt; sie war in italienischen Anschauungen aufgewachsen und blieb diesen stets getreu. In der Kunst huldigte sie der Richtung der Schule Michelangelos; das heimatliche Florenz blieb ihr vorbildlich. Als sie das Palais Luxembourg erbauen ließ, wies sie den Baumeister Salomon Debrosse an, den Palazzo Pitti, und zwar die von Ammanati ausgeführte Hofseite, nachzubilden.
Debrosse suchte zwar diesem Befehle nachzukommen; dennoch entstand unter seinen Händen etwas ganz anderes, das mehr französischen Geist atmet, als es Verwandtschaft mit der italienischen Art besitzt. Für die geschlossene Einheitlichkeit des italienischen Palastbaues hat der Franzose kein Verständnis; er gewährt den Teilen eine selbständige Bedeutung, anstatt sie völlig dem Ganzen unterzuordnen, so daß jene Vielgestaltigkeit entsteht, wie sie für die deutsche Weise bezeichnend ist.
^[Abb.: Fig. 634. Säulenhalle des Louvre.
Paris.] ¶