nachgebend, mehr der klassizistischen Richtung sich zuwandte, ohne sich jedoch in der königlichen Gunst erhalten zu können. Friedrich der Große war auch in dem Punkte dem Beispiele Frankreichs gefolgt, daß er die dort zur Herrschaft gelangte Richtung, welche in Palladio ihr Vorbild sah, begünstigte. Die Antike wurde wieder «mustergiltig», und schon Boumanns hatte antike Bauten nachahmen müssen. So sind beispielsweise die Hedwigskirche und die französische Kirche Nachbildungen des Pantheons (Fig. 628).
Diese neufranzösische «klassische» Bauweise, die eigentlich unter englischem Einflusse sich herausgebildet hatte, fand in Georg von Knobelsdorff (1699-1753) einen Vertreter, der dem Geschmack des Königs völlig zu entsprechen verstand. Er hatte in Paris seine Studien gemacht und brachte nun die dortigen Anschauungen und Formen nach der Heimat zurück.
Seine Bauten in Rheinsberg, das neue Schloß in Charlottenburg, namentlich aber Sanssouci sind ganz in französischem Geiste gehalten. Beachtenswert dabei ist, daß zwar im Baulichen die strenge und einfache Formensprache der Antike beziehungsweise Palladios herrscht, im Zierwerk jedoch die bereits gekennzeichnete Art des «Rokoko» mit ihren krausen Schnörkeln und willkürlich launenhaften Umbildungen von Naturformen fast ausschweifend waltet. Die innere Ausgestaltung von Sanssouci giebt hierfür das eindringlichste Zeugniß. Hier ist das «Rokoko» mit einer anmutigen Feinheit und in einem Reichtum ausgebildet, wie man es in Deutschland kaum noch wiederfindet.
Die für die baukünstlerische Auffassung Knobelsdorffs und somit für die ganze Richtung am meisten bezeichnende Schöpfung ist das Opernhaus in Berlin, dem der Gedanke eines Apollotempels, dessen Cella die Bühne ist, zu Grunde liegt (Fig. 629). Das war nun freilich «geistreich» im Sinne jener Zeit, in der man sich allerlei philosophischen Schwärmereien hingab und auch die Natur nur durch die Brille der antik-klassischen Gelehrsamkeit ansah. Dem inneren Wesen der Baukunst widerspricht es aber, wenn auf bedeutungsvolle Beziehungen das Hauptgewicht gelegt wird, anstatt auf den Zweckgedanken, und in der Regel ist damit auch der Mangel an Formgefühl verbunden. Für erkünstelte Gedanken lassen sich eben keine wahrhaft künstlerischen Formen finden.
Mit Knobelsdorff hatte die «klassische» Richtung in Berlin den vollen Sieg errungen; ihr huldigte auch Carl von Gontard (1738-1802), der, gleichfalls aus der französischen Schule hervorgegangen, bis zu Ende des Jahrhunderts der tonangebende Meister blieb. Als eine auffällige Ausnahme erscheint nur die Bibliothek in Berlin, für welche Fischers Wiener Hofburg das Vorbild abgab.
Die Franzosen in Süddeutschland. In Norddeutschland hatten die Franzosen die deutsche Eigen-Kunst überwältigt und verderbt; länger widerstand ihnen Süddeutschland, doch auch hier kamen sie schließlich obenauf, dank - oder richtiger zu Undank - der Fürstengunst, welche sich den Fremden zuwandte. Die «Pariser» Baukünstler durften an den Höfen nicht fehlen, welche in allem und jedem dem glänzenden Vorbilde des französischen Königtums nacheiferten.
In München, wo man doch so bedeutende Kräfte, wie Effner und Gunezrhainer besaß, tauchte schon 1723 der Franzose François Cuvilliés (1698-1768) auf, der auch kurz vor seinem Tode die oberste Leitung des Bauwesens erhielt, welche Stelle dann an seinen gleichnamigen Sohn (+ 1770) überging. Von den Bauten Cuvilliés' (des Aelteren) sind hauptsächlich zu nennen das Residenztheater und die Amalienburg im Nymphenburger Parke, bei denen die innere Ausgestaltung das wichtigste ist. In derselben erweist sich Cuvilliés allerdings als ein Meister in der Behandlung des Schmuckwerkes, das mit vornehmer Feinheit, aber auch mit einer bemerkenswerten sicheren Kraft gebildet ist. Unverkennbar zeigt sich dabei, daß der Franzose sich dem Einflusse der deutschen Genossen nicht zu entziehen vermochte und sich deren malerischer Auffassung anzuschließen bestrebt war. Die deutsche Kunst erwies sich noch stark genug, um den Fremden zu einer Wandlung seiner Eigenart zu bestimmen, so daß ihn seine Landsleute nicht mehr als vollgiltigen Pariser, sondern als «Provinzler» betrachteten.
In Schwaben hatte schon ein Einheimischer, Leopold Retti, der in Paris studiert, die französische Richtung eingebürgert, wie das Residenzschloß in Stuttgart zeigt, für welches er die Pläne entworfen hatte, und dessen Bau er bis 1752 leitete, worauf dann der Franzose de la Guepiére an seine Stelle trat. Das Schloß ist vollständig in den Formen der Pariser Bauten gehalten und zeigt nicht im geringsten mehr etwas von deutscher Art. Von Guepiére stammen auch die beiden Schlößchen Monrepos (Fig. 630) und Solitude bei Ludwigsburg, deren Grundanlage und Ausschmückung allerdings mustergiltig ist, was vornehme Behaglichkeit und feinen Reiz anbelangt.
In der Kurpfalz und am Rhein kam Nicolaus de Pigage zu Einfluß und bürgerte auch hier den französischen Geschmack ein. Am zähesten hielt Oesterreich an seiner heimischen Richtung fest. Die große Kaiserin Maria Theresia empfand in dieser Hinsicht wahrhaft «deutsch» und ließ sich von der «französischen Mode» nicht beeinflussen, obwohl ihr Gemahl Franz von Lothringen dieser nicht unzugänglich war. Das kräftige Barock Fischer von Erlachs machte allerdings auch hier einem Rokoko Platz, das aber doch eigenartig sich ausbildete.
Erst in den letzten Jahren, als Josef II. schon Mitregent war, treten französische Einflüsse stärker hervor, und der Hauptmeister jener Zeit, der Wiener Johann Ferdinand Hohenberg von Hetzendorf (1732-1790), wandte sich der klassischen Richtung zu. Die sogenannte Gloriette im Schönbrunner Parke (Fig. 631), ein reines Schaustück, das keinen anderen Zweck hat, als malerisch zu wirken, ist ein reizvolles Werk dieser Art, welches übrigens für das Können des Meisters ein treffliches Zeugnis abgiebt.
^[Abb.: Fig. 633. Galerie d'Apollon im Louvre.
Paris.]
Frankreich.
Eigenart der französischen Baukunst. Die Religionskriege, welche im 16. Jahrhundert Frankreich zerrüttet hatten, waren 1598 durch das Edikt von Nantes beendet worden, und die Zeit des neuen Aufschwunges brach an. Die Staatsgewalt, oder richtiger gesagt, das selbstherrliche Königtum, war aus diesen Kämpfen gestärkt hervorgegangen, nicht nur gegenüber dem Volke, sondern, was sehr wichtig ist, auch gegenüber der Kirche. Während in Deutschland, soweit katholische Fürsten in Betracht kamen, diese ihre Macht der Kirche dienstbar machten, hatte Rom dem französischen Könige Zugeständnisse gewähren müssen, welche es einem Ludwig XIV. gestatteten, auch auf kirchlichem Gebiete selbstherrlich aufzutreten.
Wenn auf deutschem Boden die Baukunst durch die religiösen Bekenntnisse beeinflußt erscheint, so daß man von einem katholischen und einem protestantischen Stil sprechen kann, konnte sich in Frankreich ein volklicher und einheitlicher entwickeln. Die kirchliche Unabhängigkeit von Rom brachte auch die künstlerische von Italien mit sich; das französische Selbstbewußtsein war mit voller Berechtigung stark entwickelt und konnte auf eine Sonderstellung auch in der Kunst hinarbeiten. Schon Philibert Delorme durfte daran denken, eine eigene «französische Säulenordnung» zu schaffen, und dieser Gedanke taucht in der Folgezeit immer wieder auf. Man studiert zwar auch die Antike, aber faßt sie stets im französischen Geiste auf und legt sie nach diesem sich für die Anwendung zurecht.
Es fehlt zwar nicht an Einwirkungen von der Fremde her. Nach dem Tode Heinrichs IV. hatte Maria von Medici die Regentschaft für den minderjährigen Ludwig XIII. geführt; sie war in italienischen Anschauungen aufgewachsen und blieb diesen stets getreu. In der Kunst huldigte sie der Richtung der Schule Michelangelos; das heimatliche Florenz blieb ihr vorbildlich. Als sie das Palais Luxembourg erbauen ließ, wies sie den Baumeister Salomon Debrosse an, den Palazzo Pitti, und zwar die von Ammanati ausgeführte Hofseite, nachzubilden.
Debrosse suchte zwar diesem Befehle nachzukommen; dennoch entstand unter seinen Händen etwas ganz anderes, das mehr französischen Geist atmet, als es Verwandtschaft mit der italienischen Art besitzt. Für die geschlossene Einheitlichkeit des italienischen Palastbaues hat der Franzose kein Verständnis; er gewährt den Teilen eine selbständige Bedeutung, anstatt sie völlig dem Ganzen unterzuordnen, so daß jene Vielgestaltigkeit entsteht, wie sie für die deutsche Weise bezeichnend ist.
^[Abb.: Fig. 634. Säulenhalle des Louvre.
Paris.]
Dort, wo der Künstler frei seinen eigenen Anschauungen folgen kann, tritt die französische Eigenart vollständig zu Tage, wie in der Kirche St. Gervais, die ebenfalls Debrosse erbaute. Die kühle Verständigkeit waltet hier, welche auf die Gesetzmäßigkeit in den Einzelheiten, auf Klarheit und Richtigkeit der Formen achtet; nicht nach dem künstlerischen Gefühl, sondern nach Regeln bildet.
Lemercier. Diese verstandesmäßige Richtung finden wir auch bei Jaques Lemercier (1585-1654), der in Italien die dortigen Kunstverhältnisse und die Antike studiert hatte, jedoch nicht um den geltenden Stil nachzuahmen, sondern um die Grundlagen - die Gesetze - zu finden, auf denen er sich entwickelt hatte. Lemercier benutzt zwar verschiedene Grundzüge der italienischen Vorbilder, übernimmt auch Einzelheiten, die ihm gut erscheinen, aber führt sie doch in französischer Eigenart aus. So ist die Hälfte des Seitenflügels im Louvre, den er baute, wohl in der Art römischer Paläste gehalten, aber in den Pavillonbauten, in der zierlichen Durchbildung des Schmuckwerkes kommt der französische Geist zum Ausdruck.
Die am meisten bemerkenswerte That Lemerciers ist die Einführung der Kuppel in die französische Baukunst, indem er die große Kirche der Sorbonne mit einer solchen ausstattete. Diese stellt zugleich eine eigenartige Verbindung von Centralbau und Langhausanlage dar. Der Mittelteil ist in der Form des gleicharmigen griechischen Kreuzes angelegt und bildet gewissermaßen eine Vierung, über welche sich die Kuppel erhebt. Diesem Mittelbau sind auf zwei Seiten Flügel mit Tonnengewölben vorgelegt, deren einer den halbkreisförmigen Chor enthält; diese Flügel haben rechts und links anstatt der Seitenschiffe niedriger gehaltene Kapellenanbauten, so daß der ganze Grundriß ein vollkommenes längliches Viereck aufweist.
Auf den Grundgedanken des Kuppelbaues war Lemercier nicht eingegangen; für ihn ist die Kuppel nur ein wirksames Schmuckstück, und mit verständiger Ueberlegung sucht er sie so einzugliedern, daß sie der französischen Bauweise entspricht. Die «Ordnungsliebe» des Franzosen spricht sich auch darin aus, daß er alle Seiten gleichmäßig künstlerisch ausstattet und sich nicht, wie die Italiener, damit begnügt, die Hauptschauseite wirkungsvoll zu gestalten und dieser alles andere unterzuordnen.
Zur Ausschmückung der Festgalerie des Luxembourg-Palastes hatte Maria von Medici den Großmeister der damaligen Malkunst, Peter Paul Rubens, berufen, und dieser vermittelte begreiflicherweise auch der Baukunst niederländische Anschauungen, die zwar nicht unbeachtet blieben, aber ebenso wenig zur durchgreifenden Geltung kamen, als jene der Baumeister des Jesuitenordens, welche dessen Stil einzubürgern suchten.
Weltlichkeit der französischen Baukunst. So sehr auch der leitende Staatsmann, Kardinal Richelieu, den Katholizismus begünstigte, so hielt er doch daran fest, daß die volkliche Eigenart bewahrt bleibe, wie in allen Dingen, so auch in der Kunst. Die allgemeine Wandlung, die sich auf deren Gebiete vollzog, sollte zwar mitgemacht werden, aber auf dem Boden der heimischen Kunstweise. Wie man die Sprache zu vervollkommnen und zur «klassischen» Ausbildung zu bringen suchte, zu welchem Zwecke die Akademie gegründet wurde (1635),
so sollte auch die französische Kunst «klassisch» werden, indem man auf der Grundlage der Antike sie in eigener volklicher Auffassung fortbildete. Zu einem solchen selbstbewußten Vorgehen konnte man sich um so mehr berechtigt fühlen, als ja die bisherige europäische Vormacht, Spanien, aus ihrer Stellung verdrängt worden war und Frankreich in allen staatlichen Fragen den Ton angab. Entsprechend dieser Führerrolle in weltlichen Dingen erscheint daher auch die französische Kunst in erster Linie weltlich; für das Bauwesen sind nicht Kirchen maßgebend, sondern die Entwicklung des Stiles vollzieht sich an den Palästen des Königs, den Schlössern und «Hotels» des Hochadels und der vornehmen Bürgerschaft.
Hotels und Schlösser. Diese «Hotels», die Stadthäuser der Großen, die nunmehr im Schatten des Hofes zu weilen genötigt waren, sind ungemein bezeichnend für die Eigenart der französischen Bauweise. Der Unterschied zwischen dem «Hotel» und dem italienischen «Palazzo» ist ebenso gründlich, wie tief begründet; seine Ursache liegt in der Forderung der «Zweckmäßigkeit», welche zu vergessen gerade der französische Kunstgeist
am allerwenigsten geeignet war. Die klimatischen Verhältnisse und die Art des gesellschaftlichen Lebens waren in Paris ganz andere als in Italien. Hier war - und ist - man gewohnt, im Freien zu leben; der Begriff des «behaglichen Wohnens» ist auch heute noch dem Italiener fremd. Er flüchtet nur in die geschlossenen Räume, um Schutz vor der Mittagssonnenglut oder Unbill des Wetters zu suchen, benutzt sie zum Schlafen und zu jenen Verrichtungen, die sich nicht unter offenem Himmel abthun lassen.
Die Gemächer des Palazzo blieben in erster Linie Schauräume, um den Prunk auszustellen; sie mußten also durch Größe und reichen Schmuck Eindruck machen. Sie mit Wohngeräten auszustatten, war nicht üblich, weil gar nicht notwendig; für die eigentlichen Wohnzwecke begnügte man sich mit einfachen Kammern. Auch das «gesellige» Leben spielte sich mehr in den Gärten ab, als in den Palästen; diese blieben nur für Empfangs- und Festgepränge bestimmt. Die innere Anlage des italienischen Palazzo ist diesem Erfordernis angepaßt: Weiträumigkeit war die Hauptsache.
Anders lagen die Verhältnisse in Paris. Hier konnte sich nicht das ganze Leben im Freien abspielen, und auch die Geselligkeit war von anderer Art; nicht in großen Festveranstaltungen mit einer Unzahl von Gästen, sondern in den Zusammenkünften der kleineren Freundeskreise lag ihr Schwerpunkt. Dann wollte man auch wirklich «wohnen», und die Räume mußten daher behaglich sein und auch bequem angeordnet für die Bewirtschaftung, indem sie ineinandergriffen und die Nebengelasse für Dienerschaft u. s. w. in der Nähe lagen. Die Gemächer dienten auch wirklich zur Benutzung für den Besitzer, nicht blos zum Beschauen; sie bedurften dazu der Einrichtung, und darauf mußte bei der Ausschmückung Bedacht genommen werden. Beides sollte zusammenstimmen, und darin konnte sich auch der persönliche Geschmack des Hausherrn freier äußern.
Es wird erzählt, daß eine geistvolle Frau, welche die französische Art der Geselligkeit in engerem Freundeskreise pflegte, die Marquise von Rambouillet, die zweckmäßige An-
^[Abb.: Fig. 635. Porte St. Denise.
Paris.]
lage des Hotels «erfunden» habe, und daß selbst Maria v. Medici sich von ihr habe beraten lassen, wie man einen Palast wohnlich gestalte. Ob dies richtig ist, mag dahingestellt bleiben; sicher ist, daß im Laufe des 17. Jahrhunderts die Ausbildung der Hotelanlage erfolgte, deren wesentlichste Kennzeichen die Verlegung der Treppe von der Mitte an die Seite, das Ineinandergehen der Räume und die Verkleinerung derselben sind. Als Schöpfer dieses Hotelstiles sind hauptsächlich zwei Pariser Meister, François Mansart (1598 bis 1666) und Louis Levau (1612-70), zu betrachten, von denen der erstere auch als «Erfinder» jener eigentümlichen Dachform gilt, welche nach ihm Mansarden-Dach benannt wurde, und die darin besteht, daß die Dachfläche geknickt ist, der untere Teil unter steilem Winkel aufsteigt und der obere dann mit geringer Neigung zum First umbiegt.
Für die Baugeschichte Frankreichs sind die Hotels wichtig und bezeichnend; an ihnen entfalten sich das Können und die Erfindungsgabe vieler Meister am besten. Viele dieser Bauten sind freilich inzwischen verschwunden oder gänzlich umgestaltet worden, doch die damals aufgekommenen Grundzüge haben sich bis in unsere Zeit erhalten. Näher auf die einzelnen Bauten einzugehen, gestattet der Raum nicht; doch dürfte das Gesagte immerhin erkennen lassen, daß die französische Baukunst für ihre besonderen Aufgaben auch die entsprechende Lösung zu finden wußte und daher ihre eigenen Wege ging.
Von den obengenannten Meistern war Levau auch bei dem Ausbau des Louvre thätig, indem er den nördlichen, südlichen und östlichen Flügel vollendete; möglicherweise rührt auch der erste Entwurf zum Schlosse in Versailles von ihm her. Als der bedeutendere erscheint jedoch Mansart, der die heimische Auffassung und Bauweise am strengsten vertrat, sie jedoch im Sinne antiker Einfachheit und Formenreinheit auszubilden bestrebt war. Er vermeidet alles Prunkhafte; in der Klarheit der Anlage, in der genauen Abwägung aller Verhältnisse, in der Uebereinstimmung der einzelnen Glieder und in der feinen Durchbildung der stets maßvoll gehaltenen Schmuckformen sieht er die Hauptsache.
Verständige Folgerichtigkeit zeichnet seine Bauten aus, die in ihrer vornehmen Schlichtheit bedeutenden Eindruck machen und von feinsinnigem Geschmack zeugen, der die Baufügung nicht durch das Zierwerk überwuchern läßt. Sein berühmtestes Werk war das Landschloß Maisons sur Seine (jetzt Lafitte), welches ihm die begeisterten Lobsprüche seiner Zeitgenossen eintrug, und in der That auch am vollendetsten das Antik-Klassische in französischem Geiste umgebildet darstellt (Fig. 632).
Lebrun. Dieser bisher herrschenden, einerseits volklichen und andererseits auch das rein-Bauliche (die Baufügung) strenger betonenden Richtung erwuchs jedoch um die Mitte des Jahrhunderts eine mächtige Gegnerschaft, als deren Hauptführer der Maler Charles Lebrun erscheint, der in Italien von der dort bereits voll entwickelten Barockkunst sich hatte berücken lassen und, in die Heimat zurückgekehrt, mit Feuereifer für diese, die Sinne berauschende, die Grenzen zwischen den einzelnen Künsten kühn verachtende Richtung eintrat. Bauliches mit Malerischem und Bildnerischem zu vereinen, um die stärkste Wirkung zu erzielen, in den Formen das Spiel der Einbildungskraft frei walten zu lassen, dabei dem Zierwerk tiefsinnige Gedanken unterzulegen und dadurch selbständige Bedeutung zu verleihen, das erschien einem Lebrun und seinen Anhängern nun als das höchste Ziel der Kunst. - Die Gunst Ludwigs XIV. und dessen Ministers Colbert verschaffte Lebrun einen un-
^[Abb.: Fig. 636. Schloß Versailles.]
geheuren Einfluß; er wurde der maßgebende Mann in allen künstlerischen Dingen. Die leitenden Kreise widmeten der Kunst damals ihre vollste Aufmerksamkeit nicht nur um ihrer selbst willen, weil sie der Prachtliebe dienen konnte, sondern auch aus politischen und volkswirtschaftlichen Gründen. Man erkannte, daß ein Staat, dessen Kunstgeschmack «herrschend» ist, dadurch nicht nur an Einfluß auf die Geister im Auslande gewinne, sondern auch ein «Geschäft» machen könne durch Ausfuhr seiner Kunsterzeugnisse.
Hier lassen sich bei den geringsten Kosten für «Rohstoff» die höchsten Werte erzielen, wie dies bei keiner anderen Art von Erzeugnissen möglich ist. Es erschien daher lohnend genug, reiche Mittel für Förderung der Kunst aufzuwenden, damit sie wieder Gold ins Land bringe. Im Jahre 1648 wurde die Akademie der bildenden Künste in Paris gegründet, der sich 1666 eine französische Akademie in Rom anschloß; 1667 folgte ein kunstgewerbliches Institut in der «Manufacture royale», und 1671 wurde eine Akademie für die Baukunst gegründet. Alle diese Schöpfungen hatten den Zweck, französische Künstler und den «französischen Geschmack» auszubilden. Dieser sollte nicht durch Willkür Einzelner verdorben, sondern in geregelter Zucht sorgsam gepflegt werden.
An der Spitze der Manufacture royale stand Lebrun, und mit ihm kam nicht nur das Malerische, sondern auch das Kunstgewerbliche zu vorherrschendem Einfluß, dem gegenüber die Bauakademie mit ihren die klassische Richtung Mansarts vertretenden Anschauungen nicht aufkommen konnte. Es entwickelte sich jetzt ein Gegensatz zwischen den beiden Kreisen;
^[Abb.: Fig. 637. Spiegelgalerie in Versailles.]
die ältere Schule der Baukünstler hielt an der rein französischen Eigenart fest, der malerisch-kunstgewerbliche Kreis huldigte den aus der Fremde eindringenden Anschauungen und nahm auch willig ausländische Künstler auf.
Der Kampf entbrannte schon bei dem Ausbau des Louvre und dann bei jenem des Schlosses von Versailles, und, es mag gleich vorweg gesagt werden, er endete zwar mit dem Sieg der Jungen, aber doch ohne Niederlage des französischen Geistes. Das Ergebnis war wohl eine rückhaltlose Schwenkung zur Barockkunst, aber auch eine Ausbildung derselben in französisch-volklicher Eigenart.
Lebrun hatte, wenn auch nicht förmlich, so doch thatsächlich, die oberste Leitung auch der königlichen Bauten in Händen, und die Baumeister waren in den Hintergrund gedrängt. Auch im Schloß von Versailles machte er seinen Einfluß geltend, und diesem ist jene großartige Anlage von einer beinahe ermüdend wirkenden Flucht überreich ausgestatteter Prunkräume zuzuschreiben, in denen das Bauliche gänzlich hinter dem Schmuckwerk zurücktritt, das den barocken Ueberschwang und die Vermengung aller Kunstarten zeigt.
Dennoch verleugnet sich auch in dieser verwirrend reichen Pracht die französische Verständigkeit nicht ganz; ein gewisses Maßhalten ist erkennbar, durch welches in die Vielgestaltigkeit etwas Klarheit gebracht wird. Noch mehr tritt dies hervor in der berühmten Apollogallerie des Louvre, welche ebenfalls unter Lebruns Leitung ausgestaltet wurde. In der Linienführung herrscht hier eine gewisse Gesetzmäßigkeit, auch die Gerade kommt zu ihrem Recht; die Einordnung der fein durchgebildeten Einzelheiten, Figuren, Malereien und baulichen Zierstücke, erfolgt nach einem wohldurchdachten Plane, der jedem Gliede den rechten Platz zuweist (Fig. 633).
Louvre. Lebrun hatte hier der heimischen Eigenart Zugeständnisse gemacht, die immer noch mächtig genug sich erwies, um sich selbst gegenüber Bernini zu behaupten, der bereits die «Baukunst der ganzen Welt» beherrschte. Bevor Ludwig XIV. sein ausschließliches Interesse dem Versailler Schlosse zugewendet hatte, hatte der Ausbau des Louvre im Vordergrund gestanden. Levaus Pläne befriedigten nicht mehr, seit Lebrun den Geschmack an der neuen Kunstweise erweckt hatte, und auf dessen Betreiben wurden die sämtlichen Entwürfe der heimischen Meister (Mansart, Lemercier, Cottart, Marot) nach Rom gesendet und Bernini vorgelegt, der sie natürlich verwarf. Er wurde nun selbst nach Paris berufen und hier mit geradezu «königlichen Ehren» aufgenommen (1655). Sein Vorschlag, ging dahin, den ganzen Louvre niederzureißen und einen neuen Bau «groß und majestätisch» aufzuführen, der des «größten Königs» würdig wäre. Der Entwurf, den er vorlegte, war selbstverständlich ganz italienisch gehalten. Es sollte ein «Palazzo» entstehen, nur auf äußere Wirkung, aber auf die stärkste, berechnet; auf die innere Raumverteilung unter dem Gesichtspunkte der Bequemlichkeit und Benutzbarkeit war keine Rücksicht genommen.
Alles, die Gestaltung des Aeußeren wie des Inneren, stand in vollstem Gegensatze zu den bisherigen Anschauungen und Ueberlieferungen und mußte den schärfsten Widerspruch der französischen Schule hervorrufen. Der Entwurf Berninis war allerdings großartig, namentlich die Schauseite mit ihrer einheitlichen Geschlossenheit wäre von überwältigender Wirkung geworden. Der viereckige Bau hätte danach an den Ecken und in der Mitte jeder Seite (anstatt der Pavillons) Risalite (vorspringende Vorlagen) erhalten, das Untergeschoß sollte gequadert, die beiden Obergeschosse durch eine durchgehende korinthische Säulenordnung (teils Säulen, teils Wandpfeiler) gegliedert werden, welche das mächtige Gesimse und darüber eine mit Standbildern gekrönte Attika getragen hätte. Was man dem Plane vorwarf, war hauptsächlich, daß Bernini das «Klassische», die Gesetze der Antike, nicht genügend berücksichtige; künstlerische Auffassung ließ sich ihm nicht absprechen.
Perrault. Der «wissenschaftliche» Standpunkt der Franzosen gab jedoch mehr nur den Vorwand ab für Bekämpfung des fremden Eindringlings; in letzter Linie war es das stolze volkliche Selbstgefühl, welches sich gegen die Neuerungen empörte. Die Gegner Berninis behaupteten denn auch das Feld, und dieser wurde, ebenfalls mit allen Ehren, heimgeschickt. Zur Annahme gelangte nun der Entwurf eines «Nicht-Zünftigen», des
Arztes Claude Perrault, der freilich Bruder des Intendanten der königlichen Bauten war. - Perrault hatte jedoch von Bernini gelernt und dessen Anordnung und Gedanken vielfach aufgenommen, aber in französischem Geiste umgebildet. Bernini hatte zwar persönlich eine Abweisung erfahren, aber sachlich doch auch einen Sieg errungen. An künstlerischer Bedeutung steht Perraults Werk dem Entwurfe des Italieners nicht nach; es ist nicht wissenschaftlich ausgeklügelt, sondern aus künstlerischem Empfinden und Erfinden hervorgegangen, wenn es auch den «Regeln» Rechnung trägt.
Perrault behielt die Risalite bei, wie er auch die mächtig hohe korinthische Säulenordnung aufnahm. Das Erdgeschoß bildete er aber ganz einfach, massig und ungegliedert, nur als Unterbau, um die ganze Aufmerksamkeit auf das Hauptgeschoß zu lenken. Statt der zwei gleichwertigen Obergeschosse Berninis legte er nur ein einziges Hauptgeschoß an, dem das darüberliegende Halbgeschoß gänzlich untergeordnet erscheint; das Gurtgesimse zwischen beiden ist mehr eine verbindende als trennende Linie. Da die 17,4 m hohe Säulenordnung stark hervortritt, das Hauptgesimse in ebenmäßigem Verhältnisse dazu gehalten ist, den Mittelbau ein Giebel krönt, erzielte Perrault ebenfalls den Eindruck geschlossener Einheitlichkeit des Aufbaues und ebenmäßiger Gliederung. Die Schauseite wirkt fast wie ein antiker Tempel; auf dem massigen Unterbau ruht die Säulenordnung, welche den Blick auf sich zieht, nur daß die Mauerfläche durch die Fenster belebt wird, deren maßvolle schmuckhafte Ausgestaltung nicht vordringlich hervortritt (Fig. 634). - An und für sich war diese Schauseite eine meisterhafte Schöpfung; sie hatte nur den Fehler, daß sie mit den übrigen Bauteilen nicht im Einklang
^[Abb.: Fig. 638. Invalidendom.
Paris.]
und Zusammenhang stand, sie nicht nur an Höhe überragte, sondern auch zu breit war. Man war daher genötigt, auf der Südseite eine Verbreiterung vorzunehmen und im Hofe die Stockwerke zu erhöhen.
Blondel. Perrault hatte durch die That bewiesen, daß die französische Kunst der Selbständigkeit fähig sei. Es war ihm geglückt, die klassische Gesetzmäßigkeit mit einem Hauch des neuen Geistes zu durchdringen, gegen den er sich als Lehrer so ablehnend verhielt. Er vertrat die Anschauung, daß das willkürliche Walten der Einbildungskraft, das für die italienischen Barockmeister maßgebend war, der Kunst verderblich sei. Nicht freie Ungebundenheit, sondern Gesetze und Regeln seien nötig; den Begriff von Schönheit dürfe nicht jeder Einzelne nach seinem Ermessen sich bilden, sondern er müsse «festgestellt» sein. Auf sein Andringen, das auffallenderweise auch Lebrun unterstützte, wurde die bereits erwähnte Akademie der Baukunst gegründet, als «Hüterin» der Gesetzmäßigkeit, an deren Spitze François Blondel trat, Mathematiker und Artilleriegeneral, welcher dann auch ein Lehrbuch der Baukunst schrieb. In diesem suchte er die Regeln der Schönheit auf mathematische Gesetze zurückzuführen und in Verhältniszahlen auszudrücken.
Damit trat er in Gegensatz zu Perrault, der zwar auch die Gesetzmäßigkeit verfocht, aber auch eine gewisse Freiheit dem Künstler zugestehen wollte, dem Zeitgeschmacke ent-
^[Abb.: Fig. 639. St. Sulpice.
Paris.]
sprechend neue Verhältnisse zu erfinden. Nicht in der mechanischen Verwertung der aus antiken Bauten herausgerechneten Regeln und Zahlenverhältnisse, sondern in der auf verstandesmäßiger Erkenntnis beruhenden Richtigkeit, beziehungsweise in dem Einklange der Verhältnisse beruhe das Gesetzmäßige der Schönheit.
Nunmehr war die Pariser Künstlerschaft in drei Lager geteilt: die Anhänger Lebruns, mit ihrer malerisch-barocken Auffassung;
jene Perraults, welche die klassische Formensprache der Antike selbständig weiterbilden wollten;
und endlich jene Blondels, welche auf Vitruv, Palladio und die «Zahlen» eingeschworen waren.
Wie es gewöhnlich zu geschehen pflegt, wurde die Mittelpartei erdrückt. Lebrun auf der einen, Blondel auf der andern Seite behielten vorerst die Oberhand.
Die von letzterem aufgeführte Porte St. Denis wurde als Meister- und Musterwerk gepriesen, welches ebenso großartig wie richtig, kraftvoll wie feinlinig sei (Fig. 635). Für sein Ansehen zeugt auch der Umstand, daß er berufen wurde, für das Zeughaus in Berlin den Entwurf zu liefern.
Hardouin-Mansart. Vor der Gefahr, daß diese Gegensätze, bis zum Aeußersten übertrieben, jeder in seiner Richtung zur Einseitigkeit führen würden, wurde die französische Kunst jedoch bewahrt durch das Auftreten eines Meisters, dem es glückte, einen Ausgleich zu finden, die Strenge des Klassischen mit der Freiheit des Barock, die kunstwissenschaftliche Auffassung mit dem Walten künstlerischer Einbildungskraft zu versöhnen. Es war dies
^[Abb.: Fig. 640. Pantheon.
Paris.]
Jules Hardouin-Mansart (1646-1708), dessen Wirken in eine Zeit fiel, in welcher die für alles maßgebenden Verhältnisse am Pariser Hofe sich wesentlich zu ändern begannen.
Der alternde König Ludwig XIV. war fromm und häuslich geworden, die glänzenden Feste hörten auf, das Gefallen an Pracht und Prunk war übersättigt. Die Frömmigkeit verlangte nach erbaulicher «Stimmung»; der häusliche Sinn nach traulicher Heiterkeit. Die erhabene Großartigkeit hatte ihren Reiz verloren, anregende Zierlichkeit konnte einen neuen bieten. Wie man sieht, drängten die Verhältnisse den Geschmack nach der Richtung der barocken Entwicklung hin.
Für den neuen Geist, der am Hofe und in der Gesellschaft sich zu regen anfing, fand dann Hardouin-Mansart den entsprechenden Ausdruck. Zunächst war seine Hauptaufgabe der Ausbau des Schlosses von Versailles, als dessen Baumeister er 1676 bestellt wurde (Fig. 636). Hier war er allerdings durch das Vorhandene gebunden, da einerseits auf Wunsch des Königs das alte Schloß hatte beibehalten werden müssen, andererseits Levau bereits Anbauten ausgeführt hatte. Immerhin nahm er durchgreifende Umgestaltungen an den Bauten und Levauschen Plänen vor. Er erhöhte das Ganze um ein Stockwerk und führte an Stelle der Terrasse, die bei dem alten Schlosse, auf der Gartenseite angelegt gewesen, die «Galerie des Glaces» auf, so daß hier die Schauseite nunmehr geschlossen erschien.
Ferner erbaute er 1680 den südlichen Querflügel mit dem ungeheuren, 119 m langen, 13 m breiten Saal, der sogen. Schlachtengalerie, einige Jahre später kam dann der Nordflügel hinzu. Wichtiger jedoch als die Außenbauten war die Ausgestaltung des Innern. Es wurde bereits erwähnt, welchen Einfluß hierauf Lebrun übte, und die «Galerie des Glaces» giebt vielleicht das beste Zeugnis ab für den Zusammenstoß zweier Richtungen. Die Baufügung ist in großen, schweren Formen gehalten, die Gliederung ist einfach: Wandpfeiler an der Rückwand, Bogenstellungen bei den Fenstern.
Doch schon das reiche Gesimse leitet über zu dem barocken Schmuck der Decke, mit seiner Fülle von Stuckbildnerei und Gemälden (Fig. 637). In anderen Prunkgemächern schließt sich auch das Bauliche bereits mehr dem Malerischen an und das Zierwerk erhält jene Ausgestaltung, welche eine innige Vermengung des französischen Klassizismus und des italienischen Barock darstellt. Die gerade Linie, die geometrischen Formen erhalten sich, aber verschlungene Linien übernehmen die Verbindung; die ebenmäßige Anordnung des den Bau füllenden Zierwerkes, sein folgerichtiger Ausbau werden gewahrt, doch die Formen werden bewegter, immer leichter und zierlicher.
Der bereits erwähnte Nordflügel hätte nach dem ersten Entwurf in der Mitte die Schloßkapelle, an den beiden Schmalseiten Treppenhaus und Theater erhalten sollen. Bei der Ausführung wurde die Treppe in den mittleren, die beiden Höfe trennenden, Querbau verlegt, und die Kapelle kam an die Seite. Ihr Grundriß zeigt ein Hauptschiff mit halbkreisförmigem Chor, um welches ein Seitenschiff als Umgang sich herumzieht, der vom Hauptschiff durch Bogenstellungen auf reichgeschmückten Pfeilern geschieden wird.
Auf letzteren ruht die gleichfalls ringsherum laufende Empore, auf welche das Hauptgewicht gelegt erscheint. Fast 20 m hohe geriefelte korinthische Säulen tragen ein edel geformtes Gesimse, auf dem das durch Gurten und Stichkappen gegliederte Tonnengewölbe sich stützt, welches ein Deckengemälde enthält. Das Ganze ist ungemein glücklich erfunden. Die Anforderungen der Baufügung kommen zu Recht und Geltung, die Formen sind von höchster Anmut und Zierlichkeit und geben dem Innern mit den fein dazu gestimmten Farben einen entzückenden malerischen Reiz.
Der Gedanke, die für die «Herrschaft» bestimmte Galerie zur künstlerischen Hauptsache zu machen, hatte etwas bestechendes für alle Schloßherren, zumal auch noch der Bequemlichkeit Rechnung getragen war, da man in die Galerie unmittelbar von den Zimmern aus gelangen konnte, also jede Berührung mit der Menge, die in der Unterkirche sich drängte, vermieden blieb. Vom baukünstlerischen Standpunkte aus war aber der Gedanke deshalb wertvoll, weil er die Frage der Eingliederung einer Kirche in den Palast löste. Die Empore schloß sich den anderen Prunkräumen des Hauptgeschosses vollständig gleichwertig an und unterschied sich von einem Festsaal nur durch die Oeffnung des Bodens in der Mitte.
Das Hauptwerk Hardouin-Mansarts, in dem er freier seine Kunst bethätigen konnte, ist der Invalidendom (Fig. 636). Dieser wurde zwar an die bestehende St. Ludwigskirche angeschlossen, ist aber ganz selbständig; die Verbindung mit letzterer besteht nur darin, daß der Altar beiden gemeinsam ist. Der Dom ist ein Centralbau mit quadratischem Grundriß, vier mächtige (mit Durchgängen durchbrochene) im Kreis gestellte Pfeiler tragen die Kuppel, die eine doppelte Wölbung hat; die untere hat eine große kreisförmige Oeffnung, durch welche der Blick auf das zweite Gewölbe fällt, dessen Deckengemälde das Licht durch unterhalb unsichtbar angebrachte Fenster erhält, wodurch ein wirkungsvoller Eindruck von Lebendigkeit der gemalten Gestalten erzielt wird. In den Ecken des Quadrates liegen kreisrunde Kapellen, die kurzen, vom Mittelraume ausgehenden Schiffe der Kreuzarme sind mit Tonnengewölben gedeckt.
Das Aeußere wird durch die vollendet schöne, schwungvolle Linie der Kuppel beherrscht, die durch Gurten gegliedert ist und deren Laterne einen Spitzhelm trägt. Die Schauseite ist zweigeschossig gebildet und mit einem Giebel bekrönt. In der Vorderansicht erscheint der ganze Aufbau turmartig und dieses Aufstreben verleiht ihm etwas festlich-erhabenes, die Massen erscheinen bei aller Kraft leicht, die Formen sind fein durchgebildet, alle Verhältnisse in schönem Einklang.
Wohl läßt sich nachweisen, daß für alle diese Vorzüge Vorbilder in früheren Bauten sich finden, welche Hardouin-Mansart benutzt haben dürfte, daß er sie aber so glücklich zu vereinigen wußte, ist sein künstlerisches Verdienst. Sein Stil entsprach der französischen Auffassung von Schönheit und er blieb daher für das Aeußere der Bauten auf lange Zeit hin vorbildlich. So lange Ludwig XIV. lebte, blieb der von Hardouin-Mansart vermittelte «Ausgleich», den ich oben kennzeichnete, in Kraft. Mit dem Tode des «Sonnenkönigs» (1715) brach aber für Hof und Gesellschaft eine neue Zeit an, in der die überschäumende Lebenslust, die erregte Sinnlichkeit alle
^[Abb.: Fig. 641. Pantheon. Inneres.
Paris.]