ziemlich willkürlich und nicht immer mit vollem Verständnis, anwendete. So sonderbar daher auch manche Einzelheiten erscheinen, im ganzen wird doch eine bedeutende Wirkung erzielt, und gerade die Kühnheit und Unbefangenheit, mit welcher der Meister nach eigenen Einfällen die gotische Formensprache verwertet, erscheint erfreulich in einer Zeit, welche das Schulmäßige und Ueberlieferte so hoch hielt.
Fischer v. Erlach. Aus Prag stammt auch der Künstler, welcher gewöhnlich als der Hauptmeister
des deutschen Barockstiles und als der «größte» seiner Zeit betrachtet
wird: Johann Bernhard
Fischer von Erlach (1650-1723
). Die Hauptstärke seiner Wirksamkeit war Wien, dessen Bauwesen seine
Eigenart durch ihn erhielt. Doch nicht nur durch seine Bauten, sondern auch durch seine schriftstellerische
Thätigkeit übte er einen nachhaltigen Einfluß. In dem Buche «Entwurf einer
historischen Architektur» vertrat
Fischer Grundsätze, welche von der damals geltenden Lehrmeinung erheblich abwichen. Er
anerkennt die Berechtigung jeder Stilart: «man kann einem jeden
Volke sein Gutdünken so wenig abstreiten, als
den Geschmack»;
nur gewisse allgemeine Regeln seien zu beachten, z. B. «die Symmetrie oder daß das Schwächere vom Stärkeren getragen sein muß»;
wie
^[Abb.: Fig. 620. Kaisersaal im Schlosse von Würzburg.] ¶
auch «gewisse Umstände in allerhand Bauarten gefallen, als die Größe des Umfanges, die Nettigkeit und Gleichheit in Hauung und Zusammenfügung der Steine». Fischer sieht daher in der Antike keineswegs das ausschließlich maßgebende Vorbild, sondern läßt das Eigenartige und Schöne jedes Stiles gelten. Dieser Anschauung folgte er auch in seinen Werken und gestaltete sie daher nicht nach Maßgabe feststehender Regeln, sondern nur mit Rücksicht auf den Zeitgeschmack. Für ihn ist das «Schöne» wesentlich malerischer Natur, und auf malerische Wirkung geht er daher immer aus, wobei er die Formen nach freien Gutdünken verwertet. Man wird ihm deshalb freilich oft nachweisen können, daß er für diese oder jene Einzelheit irgend ein Vorbild benutzt habe, und wird namentlich allerlei Verwandtschaft mit italienischen und französischen Richtungen herausfinden, doch
^[Abb.: Fig. 621. Hofkapelle im Schlosse von Würzburg.] ¶