Ueberlieferung hatte ihn schwer geschädigt. - Eine Bemerkung muß ich hier einschalten. Man spricht vielfach von einem «Jesuitenstil» und meint damit jene Richtung, welche sich durch Ueberladung mit Prunk kennzeichnet. Diese kam aber erst, wie bei Italien erwähnt wurde, nach Guarini-Pozzo im 18. Jahrhundert auf.
Damit hatte der Orden als solcher aber nichts zu thun. Sein bestimmender Einfluß fällt vielmehr in die Zeit vorher, von 1600-1680, und was in dieser geschaffen wurde, ist von der späteren Entartung noch frei. Die erwähnte Bezeichnung hätte also etwa nur in dem Sinne eine Berechtigung, in welchem die Franzosen z. B. von einem Stile Louis XV. sprechen: es ist die kirchliche Bauweise jener Zeit, in welcher die Jesuiten die katholische Welt geistig beherrschten und leiteten.
Da die weltlich-bürgerliche Art der deutschen Renaissance der römisch-kirchlichen Auffassung nicht entsprach, für letztere aber heimische Künstler erst erzogen werden mußten, so ergab sich naturgemäß, daß man Italiener berufen mußte. Die ersten Werke der neuen Richtung finden wir daher in einem geistlichen Fürstentum und in einem Lande, in welchem die Wiedereinbürgerung des Katholizismus am kräftigsten betrieben wurde, in Salzburg und Steiermark; hier wie dort sind sie von italienischen Meistern ausgeführt.
Salzburg. In Salzburg hatte schon Erzbischof Wolf Dietrich die Residenz (seit 1592) ganz im italienischen Palaststil aufführen lassen. Ihre Erscheinung unterscheidet sich wesentlich von jener anderer deutscher Fürstenschlösser der gleichen Zeit; der regelmäßige Grundplan, die Gliederung der Massen, die bedeutenden Abmessungen der Stockwerke, die anschließenden Bogengänge (die Dombögen), das alles ist in italienischem Geiste erfunden.
Umsomehr war dies natürlich der Fall bei dem Dome (erbaut 1614-1634), da ja Scamozzi den Plan desselben entworfen und dessen Schüler Santino Solari die Ausführung übernommen hatte. Wie ich bereits erwähnt habe, war der venezianische Meister für eine
^[Abb.: Fig. 612. Palast der k. u. k. ungarischen Garde.
Wien.]
mehr der strengen Einfachheit der Antike entsprechende Formenbildung eingetreten. Diese schlichte und klare auf Raumwirkung und feierliche Würde abzielende Art zeigt auch der Salzburger Dom. Der Grundriß weist romanische Anklänge auf: ein lateinisches Kreuz mit vollkommen quadratischer Vierung, über welche sich die achtseitige Kuppel erhebt; der Chor und die Kreuzarme sind halbrund abgeschlossen, das an die Vierung anschließende Langhaus hat die doppelte Länge seiner Breite, seine Wandflächen sind durch paarweise angebrachte Wandpfeiler gegliedert (Fig. 604), die niederen Seitenschiffe sind je in vier Abschnitte geteilt, das Tonnengewölbe wird durch glatte Gurte gegliedert. Die Verzierung der Gewölbe durch Stuck und Bemalung ist reich, aber nicht aufdringlich, das Hauptlicht fällt unter der Kuppel ein, Anlage wie Einzelheiten zeugen von feinem und sicherem Formgefühl und mit Recht zählt der Dom zu den bedeutsamsten Werken Deutschlands.
Steiermark. Böhmen. Zu gleicher Zeit entstand zu Graz in dem Mausoleum Ferdinands II. ein Bau von bemerkenswerter Eigenart, die man als wirklich «barock» bezeichnen kann. Mangel an Raum - der Bau ist zwischen der Hauptkirche und Häusern eingekeilt - bedingte schon die Besonderheit der Anlage. Der Grundriß ist ein einfaches lateinisches Kreuz, über dessen Vierung sich eine Kuppel erhebt, neben welche aber noch ein Rundturm für die Wendeltreppe hinter dem Chore gestellt ist, auf der einen Seite schließt sich an den Querarm noch eine ovale Seitenkapelle mit Kuppeldach an. Die Stirnseite wird in vier Pfeiler von jonischer Ordnung gegliedert, zwischen welchen Nischen sich befinden, über der Attika bauen sich zwei ineinander geschachtelte Giebel auf. Die Formen sind wuchtig, aber es herrscht Bewegung in dem Ganzen, welches höchst eindrucksvoll wirkt. Den Bau leitete der Maler Giovanni Pietro de Pomis, ein Schüler Tintorettos; der malerische Zug in dem Werke ist daher erklärlich.
Unter dem Einflüsse der aufkommenden italienischen Richtung vollzog sich in Graz eine merkwürdige Umbildung der heimischen Renaissance-Bauweise, welche dort kräftig sich
^[Abb.: Fig. 613. Lustschloß Belvedere.
Wien.]