Schreiner und Tischler gingen die Baumeister hervor, welche natürlich im Kleinlichen befangen blieben und die gewohnten gewerblichen Formen einfach auf die Bauwerke übertrugen. Erst im 18. Jahrhundert erhob sich das deutsche Bauwesen wieder aus dem Banne des Handwerksmäßigen zur wirklichen Kunst.
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Katholischer Kirchenbau. Die deutsche Baukunst der Renaissancezeit hatte einen weltlichen, und zwar im Süden hauptsächlich bürgerlichen, im Norden mehr höfischen Charakter. Aus den gleichen Gründen, wie in Italien, treten in diesem Zeitraum auch auf deutschem Boden nun wieder die kirchlichen Bauten mehr in den Vordergrund. Abgesehen davon, daß alte Kirchen des Umbaues oder Ersatzes bedurften, führte auch die gesteigerte religiöse Stimmung zu Neubauten, welche dem neuen kirchlichen Geist entsprechen sollten. In dem durchwegs katholischen Italien konnte die kirchliche Kunst auch einheitlich sein, anders aber in Deutschland, wo zwei Bekenntnisse einander schroff gegenüberstanden.
Nicht nur der verschiedene Geist derselben, sondern auch die verschiedene Art der gottesdienstlichen Uebung mußte notwendigerweise auch auf die Bauweise zurückwirken. Bei den Katholiken ist die Messe und damit im Gotteshause der Altar die Hauptsache;
bei den Protestanten ist dies die Predigt, beziehungsweise die Kanzel;
dort soll der Gläubige sehen, hier nur hören. In den katholischen Kirchen konnten Kapellen mit Nebenaltären eingegliedert werden, da auch gleichzeitig mehrere Messen stattfinden können;
in den protestantischen ist nur ein, die ganze Menge fassender Raum zweckgemäß, weil nur eine Predigt möglich ist.
Der katholische Gottesdienst geht darauf hinaus, durch Einwirkung auf alle Sinne eine fromme Andachtsstimmung zu erzeugen;
der protestantische fordert innere Sammlung und Ruhe, um das Wort Gottes aufnehmen zu können;
dort ist daher alles sinnfällig wirksame, Schönheit und Pracht, zweckgemäß;
hier soll alles vermieden werden, was die Aufmerksamkeit ablenken könnte.
Gerade in der Zeit, in welcher der Kampf zwischen den beiden Bekenntnissen in schärfster Weise geführt wurde, war die katholische Kirche am meisten darauf bedacht, den Vorteil auszunutzen, der darin lag, daß sie auf allen Wegen auf die
^[Abb.: Fig. 610. Sitzungssaal in der Residenz zu Kempten.] ¶
Seelen wirken konnte; sie machte sich ebenso die bildenden Künste, wie die Musik dienstbar. Wenn die Betrachtung eines schönen Gemäldes zunächst auch nur «ästhetische» Empfindungen erregt, so können sie doch von der bloßen Erhebung der Seele - ganz abgesehen vom Gegenstande der Darstellung - zur «frommen Erbauung» hinüberleiten, und damit ist erreicht, worauf es der Kirche ankam: die «Stimmung». Es war dies ein weitaus leichteres und auch stärkeres Mittel, um die Herrschaft über die Seelen zu erlangen, als wenn man den Geist zum verständigen Erfassen des Wortes zwingen wollte. In der protestantischen Kirche kehrte man aber gerade im 16. und 17. Jahrhundert den gegensätzlichen Standpunkt um so schärfer hervor, damit ja jede Aehnlichkeit mit der katholischen vermieden werde, und manche Eiferer gingen in dieser Hinsicht bis zum Aeußersten, indem sie alles, was irgendwie schmuckhaft war, verwarfen.
Es ist daher begreiflich, daß die kirchliche Baukunst in dem katholischen Süden und Westen und in dem protestantischen Norden und Osten Deutschlands ein ganz verschiedenes Gepräge erhielt. Von wesentlicher Bedeutung für die süddeutsch-katholische Gruppe wurde aber der Umstand, daß nunmehr in allen Dingen der katholischen Kirche Rom weit straffer und einheitlicher die Herrschaft ausübte, als früher, und zwar durch Vermittlung des Jesuitenordens. Bei der Besprechung der italienischen Baukunst wurde dessen Bedeutung und Anteilnahme schon hervorgehoben, doch war beides hier von erheblich anderer Art als in Deutschland.
Der Einfluß zeigte sich vornehmlich nur in der Gleichmäßigkeit des Grundgedankens, für welchen der Orden eintrat; die innere Verwandtschaft der Bauten beruht darauf, daß sie alle die gleiche «Zweckbestimmung» - Erzeugung von Stimmung durch Sinnenreize - hatten; die Mittel dazu konnten innerhalb gewisser Grenzen immerhin verschieden sein. Die italienische Barockkunst vermochte daher auch ihre heimische, bodenständige Eigenart zu behalten, sie entwickelte sich aus dem Volksgeiste und entsprach der Auffassung desselben. Dieser Volksgeist und diese Auffassung waren eben nur in eine bestimmte Richtung gelenkt worden, ohne daß jedoch ein Bruch mit der Vergangenheit und den künstlerischen Ueberlieferungen notwendig geworden wäre. Die Barockkunst hatte sich allmählich und natürlich aus der Renaissance herausgebildet.
Anders verhielt es sich in Deutschland. Die neue Bauweise, welche der Jesuitenorden für zweckmäßig hielt, war nicht nur von katholischem, sondern auch von romanischem Geiste erfüllt und daher eine volksfremde. Die deutsche Renaissance war von weltlich heiterer Art gewesen, und aus ihr ließ sich die neue Richtung nicht entwickeln. Es mußte daher ein völliger Bruch mit der bisherigen Kunstweise erfolgen, und wir sehen daher auch anfänglich die Jesuiten nicht nur als Gegner der deutschen Renaissance, sondern auch der deutschen Kunst überhaupt auftreten, weil diese dem Zwecke nicht dienlich war. Die natürliche Fortentwicklung der letzteren wurde unterbrochen und fremde Grundzüge mußten aufgenommen werden. Erst allmählich gelang es, diese zu verarbeiten und den deutschen Kunstgeist wieder zu Einfluß zu bringen, aber die gewaltsame Unterbrechung der künstlerischen
^[Abb.: Fig. 611. Karlskirche in Wien.] ¶