schaffen, unabhängig von allen Ueberlieferungen und Regeln. Dabei verfiel er bei seinen ersten Werken auf allerlei Absonderlichkeiten, wie sie beispielsweise die Kirche San Gregorio in Messina zeigt, deren Turm ein mit einem spiralförmigen Wulst umzogener, mit eiförmigen Oeffnungen durchbrochener Kegel ist, ein Gebilde, wie es die Phantasie eines Zuckerbäckers ersinnen könnte. Später wird er allerdings etwas klarer und maßvoller, obwohl immer noch allerlei Wunderliches mit unterläuft. Am erfreulichsten sind noch seine Palastbauten, so der Palazzo Carignano in Turin (Fig. 595). Bei den Kirchenbauten sind schon die Grundrisse bemerkenswert, in welchen er die geraden Linien gänzlich zu vermeiden bestrebt ist.
Ueberhaupt zeigt er eine Vorliebe für krumme und verschlungene Linien, selbst bei Gesimsen wendet er sie an, in der seltsamen Form eines gewellten Eierstabs. Guarini wollte mit seinen Kirchen den Eindruck des Geheimnisvollen, Uebersinnlichen und Unerfaßlichen hervorrufen, darum verwarf er alles Einfache und Faßliche, und bot einen verwirrenden Wust wunderlicher Formen. Die Absicht, Ueberraschendes und noch nie Dagewesenes zu schaffen, hat er allerdings erreicht, auch die Bewunderung seiner Zeitgenossen dadurch erlangt, unserem heutigen Empfinden nach erscheint er allerdings geschmacklos. Das muß ihm jedoch zuerkannt werden, daß er aus der Stimmung seiner Zeit heraus schuf und der schwärmerisch-frommen Richtung derselben in einer wirklich «neuen» Form Ausdruck gab. Ein Beispiel für seine Kirchenbauten ist die Grabkapelle S. Sudario in Turin, die sowohl durch ihre eigenartige Kuppel wie durch ihr Inneres bemerkenswert ist (Fig. 596).
^[Abb.: Fig. 602. Longhena: Palazzo Pesaro.
Venedig.] ¶
Pozzo. Den Gegensatz zu ihm bildet Andrea dal Pozzo - man vermutet, er sei ein Deutscher gewesen und habe ursprünglich Brunner geheißen - der mehr den weltlichheiteren Zug der Barockzeit hervorkehrte und durch überreiche Pracht zu wirken suchte. Auch er gefiel sich in manchen abenteuerlichen Gestaltungen, so ist er u. a. der Erfinder der «sitzenden» Säulen, doch strebt er nicht wie Guarini neues um jeden Preis an, sondern begnügt sich mehr damit, mit kühner Unbefangenheit die vorhandene Formensprache ganz nach den Einfällen seiner Phantasie zu behandeln.
Die rücksichtslose Unabhängigkeit von allen Regeln hat er mit Guarini gemein. Der eigentümliche Reiz seiner
blendenden Schöpfungen verschaffte ihm einen weitreichenden Einfluß nicht nur auf die italienische, sondern auch auf die
deutsche Baukunst
, und man kann sagen, daß er es war, der für das 18. Jahrhundert
insbesondere hinsichtlich der Kirchenbauten
den Ton angab. Von den späteren Baukünstlern tritt keiner mehr bedeutsam hervor, es war ja auch kaum
möglich, den Stil Pozzos zu überbieten, der ohnehin bis an die äußerste Grenze gegangen war. Für seine Art bezeichnend
ist der Ingnatius-Altar ^[richtig: Ignatius-Altar] in der Kirche del Gesu zu Rom (Fig. 597).
Juvara. Die Bestrebungen, durch starke und gewaltige Mittel blendende und berauschende Reize zu erzielen, mußten schließlich zur Ueberreizung führen und einen Rückschlag hervorrufen; man begann wieder sich nach Einfachheit und Formenstrenge zu sehnen. Die Zeit war gekommen, in der man die reine Antike und Palladio wieder schätzen lernte und den Hochbarockstil eine «Barbarei» nannte. Diese Bewegung hatte schon Filippo Juvara (1685-1735) eingeleitet, dessen Hauptwerk, die Superga bei Turin (Fig. 598), für die eintretende Wandlung zeugt. Hier ist nichts mehr von gewaltsamer Uebertreibung und Häufung der Schmuckformen zu verspüren, sondern vielmehr das Streben nach Klarheit und kühl verständige Verwertung der Formen verschiedener Stile.
***
Florentiner Schule. Im Vorstehenden wurde die Ausbildung zunächst der römischen Schule und im Anschlusse
an diese, welche die führende Rolle innehatte, die weitere Entwicklung des Barockstiles geschildert. Es erübrigt nur noch,
den Gang der Dinge in den anderen Kunst
stätten kurz zu schildern.
Florenz tritt nur zu Beginn des Zeitraumes noch einigermaßen bestimmend für den Werdegang der Barockkunst
auf. Hier war
es Bernardo Buontalenti (1536-1608), ein Schüler Vasaris und noch unter dem Einfluß der Weise Michelangelos
stehend, der die neue Richtung einleitete und mit großem Geschick durch Erfindung neuer Formen und geistreiche Zusammenstellung
derselben seinen Bauten Eigenart und Schönheit zu verleihen wußte. Er wurde das Haupt einer zahlreichen Schule, aus der
auch der ungemein vielseitige Luigi Cardi, genannt Cigoli (1559-1613), hervorging, der nicht nur Baukünstler,
^[Abb.: Fig. 603. Dom in Salzburg.] ¶