man hält sich nicht an derart bestimmte Grundsätze wie im romanischen oder gotischen Zeitalter. Man findet daher so ziemlich alle Planformen vertreten, wie sie eben die Verhältnisse oder auch die Laune forderten. Als eine Neuerung erscheinen nur bisweilen Grundrisse, welche durchwegs krumme oder geschwungene Linien aufweisen, wie beispielsweise S. Carlo in Rom, S. Lorenzo und Madonna della Consolata in Turin. Die meisten Kirchen sind Kuppelbauten nach dem Vorbilde der Peterskirche; eine andere nicht seltene Form besteht in einem breiten Schiffe, das mit einem Tonnengewölbe überspannt ist, und von dem seitlich Kapellen ausspringen, der Altarraum ist halbrund abgeschlossen.
Die Türme sind in der Regel viereckig und haben ausgebauchte Dächer (Zwiebeldach). Bei den Säulen werden ebenfalls alle bisher bekannten Ordnungen und Formen angewendet. Beliebt sind gewundene Säulen; als eine ganz abenteuerliche Abart tauchen sogar «sitzende» Säulen auf, deren Schaft unten gebogen ist und welche sitzende Karyatiden nachahmen sollen. Die Aufgabe, als tragende Stützen zu dienen, tritt eben hinter jener, als Schmuck zu wirken, zurück; man bildet die Säulen daher auch ohne Rücksicht auf das Verhältnis zu der zu tragenden Last, sondern formt sie auch dann kräftig, wenn sie nur ein kleines Zierstück zu tragen haben.
Die Giebel werden oft gebrochen oder zerstückt und erhalten geschweifte Linien, letztere kommen auch bei den Fenstern vor, wie überhaupt Schweifungen und Schneckenbildungen überall Verwendung finden. Im Innern wird mit Vorliebe die Verkleidung der Wände mit buntfarbigem Marmor vorgenommen, was natürlich den Glanz und die Pracht des Aussehens beträchtlich erhöht. Es mag darauf hingewiesen werden, baß man auch früher den kostbaren Baustoff des Marmors für Wandbekleidung benutzte, damals aber schmückte man die Außenwände (Dom zu Florenz), jetzt das Innere.
Auch hierin tritt die Wandlung der Auffassung zu Tag: die weltliche Freude an glänzender Pracht sollte damals durch das Ansehen des Aeußeren erregt werden, während das Innere auf die andächtige Stimmung mehr durch ernste Erhabenheit des Raumes und durch bedeutsame bildnerische und malerische Werke wirkte;
jetzt wurde die sinnfällige Pracht ein Mittel, um bei den Eingetretenen Stimmung zu erwecken.
Bei den weltlichen Bauten, den Palästen, finden wir die Anlage betreffend ebenfalls keine wesentlichen Neuerungen, sondern es werden die Grundsätze festgehalten, welche in der Renaissancezeit maßgebend waren: lichte und luftige Weiträumigkeit und bequeme Anordnung im Innern, große, schmuckhafte Höfe und prächtige Gestaltung des Aeußeren. In letzterem giebt sich nun vornehmlich die neue Kunstrichtung kund, indem sie die Zierformen in der bei den Kirchenbauten geschilderten Art und Weise verwendet.
^[Abb.: Fig. 594. Pietro da Cortona: Kirche St. Maria della Pace.
Rom.] ¶
Michelangelo und Palladio. Zwei Hauptmeister waren es, welche die Eigenart der «Hochrenaissance» bestimmt haben: Michelangelo und Palladio, und diese wurden denn auch maßgebend für die weitere Entwicklung der Baukunst. Für das Verständnis derselben erscheint es mir notwendig, nochmals auf einige Verschiedenheiten zwischen diesen Beiden aufmerksam zu machen. Michelangelo hatte die Antike gewissermaßen nur als eine Vorschule betrachtet, in welcher man lernen sollte, für die eigenen neuen Gedanken auch eine entsprechende neue Form zu finden.
«Aus sich heraus etwas Gutes schaffen, nicht anderen nachlaufen», mit diesen Worten hatte er seine Stellung zur Antike gekennzeichnet. Er ist daher durchaus «persönlich» und verlangt auch von jedem Künstler, daß er nach eigenem Willen und Können schaffe, sich selbst seine Gesetze finde. Dieser Forderung zu entsprechen, war nicht leicht, sie hatte zur Voraussetzung eine ebensolche künstlerische Kraft, wie sie Michelangelo zu eigen war. Wir sehen daher auch, daß schon die Zeitgenossen und nächsten Nachfolger des Meisters eigentlich im Gegensatz zu ihm stehen, indem sie davon ausgehen, daß man durch das Studium der Antike deren Gesetze, überhaupt das ganze Wesen derselben vollständig in sich aufnehmen müsse, um dann im Geiste derselben selbständig schaffen zu können.
Sie trachteten also gewissermaßen selbst «antike Künstler» zu werden, während Michelangelo ein «moderner» sein wollte. Nur zwei Meister waren bestrebt, ganz seiner Lehre zu folgen: Ammanati und Vasari, aber diesen fehlte die große künstlerische Kraft, um Bedeutsames zu leisten, und dadurch schienen sie nur die Anschauung der anderen Partei zu bekräftigen, daß nicht die persönliche Freiheit, sondern die Beachtung der Gesetze für die Kunst ersprießlich sei.
Dafür war schon Vignola eingetreten und der Hauptvertreter dieser Richtung wurde Palladio, der in allem und jedem die Antike «neu beleben» wollte. Er wandte nur Formen an, für welche es antike Vorbilder gab, und seine Kirchen sollten ins Christliche übertragene Tempel sein, während Michelangelo, wie seine Entwürfe für die Peterskirche zeigen, eine ursprünglich-neue Form für das christliche Gotteshaus zu erfinden sich bemühte. Doch auch Palladios Lehre in ihrer vollen Strenge drang nicht durch, sondern hatte im Gegenteil zur Folge, daß man wieder mehr dem Standpunkt Michel-
^[Abb.: Fig. 595. Guarini: Palazzo Carignano.
Turin.] ¶