Italien.
Der Einfluß Roms. Für die ganze Umbildung der Kunstweise von Hochrenaissance zum Barock war Italien zunächst maßgebend, auf dessen Boden Ursachen und Anfänge derselben sich entwickelt hatten. Es ist begreiflich, daß dieses Land als Stätte einer seit Jahrhunderten fast ununterbrochenen Kunstpflege auch stets eine große Anzahl schaffender Künstler hervorbringen mußte, wie es andererseits, wegen der Fülle bedeutsamer Werke, die beste Gelegenheit zu Studien bot. Wo aber eine zahlreiche Künstlerschaft lebt und thätig wirkt, dort müssen auch die Bestrebungen nach Entwicklung und Neuerungen sich kräftig entfalten.
Sodann fiel der Umstand schwer ins Gewicht, daß seit der inneren Erneuerung der katholischen Kirche das Papsttum in Rom wieder eine das geistige Leben der katholischen Länder beherrschende Machtstellung erlangt hatte, welche vielleicht noch stärker war als selbst jene im 12. und 13. Jahrhundert. Jetzt fand Rom in den weltlichen Fürsten keine Gegner mehr, sondern willige und eifrige Stützen, und besaß in dem Jesuitenorden einen unbedingt getreuen Vorkämpfer, der allüberall für die päpstliche Macht thätig war, und dieser sich zu fügen ebenso wohl die Geistlichkeit wie das Volk anzuhalten verstand. Der Einfluß Roms wurde nun weniger mit politischen als vielmehr mit geistigen Mitteln begründet und gesichert, eben dadurch aber griff er tiefer ein und fand weniger Widerstand. Die Kunst konnte davon um so weniger unberührt bleiben, als man in Rom die Bedeutung derselben für das geistige Leben wohl zu schätzen wußte und sie daher auch in den Dienst zu ziehen bestrebt war.
Kirchenbau. Die Kirchenbauten treten während dieses Zeitraumes in Italien wieder in den Vordergrund, und an diesen bildet im wesentlichen sich die Eigenart des Baustiles aus, die dann auch auf die weltlichen Prachtbauten übertragen wird. Die italienischen Barockkirchen werden ferner, eben durch die Vermittlung des Jesuitenordens, vorbildlich für jene der anderen Länder. Die regere Thätigkeit im Kirchenbau war einerseits schon durch das wirkliche Bedürfnis bedingt, da die Bevölkerung zugenommen hatte und viele der älteren Kirchen allmählich baufällig geworden waren, andererseits sollte sie ein Mittel sein, um auf das Volk zu wirken.
Aus letzterem Grunde strebte man nach Pracht und Größe, damit eben ein starker Eindruck erzielt, der Bevölkerung recht eindringlich die Bedeutung der Kirche zum Bewußtsein gebracht werde. Es war ja auch darauf Rücksicht zu nehmen, daß sich allgemein die Anschauungen und der «Geschmack» geändert hatten, sozusagen auch die Augen des Volkes «verwöhnt» waren und daher schlichte Einfachheit keine Wirkung mehr üben konnte. Auch die tieferen Grundlagen des religiösen Gefühles waren jetzt vielfach anders geartet; das Denken war schärfer, das Empfindungsleben verfeinert geworden, und es bedurfte daher auch anderer Mittel wie früher, um das religiöse Gefühl lebendig zu machen und zu erhalten.
Als das wirksamste erschien hierzu, «Stimmung» zu erregen, das heißt die Seelen in einen Zustand zu versetzen, in welchem die kritische Verstandesthätigkeit in den Hintergrund tritt und nur Empfindung und Einbildungskraft walten. Darauf war nun auch die Kirchenbaukunst der Barockzeit berechnet, und die kirchlichen Kreise, in erster Linie die Jesuiten, verstanden es in der That auch meisterhaft, mit Zuhilfenahme aller anderen Künste, Bildnerei, Malerei und nicht zuletzt auch der Musik, «Stimmung» zu erzeugen.
Diesem Zwecke wurde alles dienstbar gemacht, und da nur ein Gedanke in einer Gesamtentwicklung zum Ausdruck gebracht werden sollte, so ergab sich dadurch auch eine «Einheitlichkeit des Ganzen», da dieses eben auf einen Grundton gestimmt war. Um so leichter war dies zu erreichen, als jetzt im Allgemeinen die Kirche als eigentlicher «Bauherr» auftrat an Stelle der weltlichen Kreise. Früher waren Fürsten und - namentlich in der Zeit der Gotik - die städtische Bürgerschaft es gewesen, welche die Kirchenbauten nach ihrem Sinne ausführten und sie der Geistlichkeit zur Verfügung ¶
stellten, jetzt bestimmt letztere die Art der Bauten, und dabei ist eben nur der kirchliche Gedanke maßgebend, der überall der «gleiche» ist. Wenn die gotischen Kirchen den religiösen Empfindungen des Volkes Ausdruck geben, zugleich aber auch als Denkmal der bürgerlichen Macht den Ruhm der Städte verewigen sollten, so hatten die katholischen Barockbauten nur die eine römische Kirche zu verherrlichen und in derem Sinne die religiöse Empfindung des Volkes zu leiten.
Eigenart der Barock-Baukunst. Die Renaissancekunst hatte überhaupt als letztes Ziel die «Schönheit an und für sich», und diesen rein künstlerischen Grundgedanken suchte sie bewußt zu verwirklichen. In der Baukunst war es nun die «Schönheit des Raumes», der in diesem Sinne anzustreben war, und darum blieb die Raumgestaltung die Hauptsache, das Schmuckwerk war nur eine Zuthat, die nicht unbedingt nötig erschien. Jetzt aber wird das Verhältnis umgekehrt: auf das die Sinne fesselnde Schmuckhafte wird der Schwerpunkt gelegt und der Raum danach so gestaltet, daß er zur stärksten Wirkung gelangen kann. Die Bauformen richten sich daher nicht nach den Erfordernissen der Baufügung, sondern werden mit Rücksicht auf Schmuckwirkung gebildet, und es kommen daher nicht selten willkürliche Gestaltungen vor.
Daß man das Hauptgewicht auf die Ausführung der Schauseite der Kirchen legte, ist nach dem Vorgesagten wohl begreiflich; dabei entfalteten die Baukünstler all ihre Erfindungsgabe und ihr ganzes Können. Noch mehr als in der Renaissancezeit wurde jetzt die Schauseite als etwas ganz Selbständiges betrachtet, das mit dem Inneren des Baues in keinem unbedingten Zusammenhange zu stehen brauche. Man kann daher auch nie von dem Aeußeren einen sicheren Rückschluß auf die innere Anlage ziehen. Auf der Schauseite fanden nun alle Formen Verwendung, wie sie die Renaissance von der Antike übernommen und ausgebildet hatte; und dabei verfuhr man ziemlich willkürlich, ohne Rücksicht
^[Abb.: Fig. 592. Bernini: Brunnen der vier Flüsse.
Rom. Piazza Navona.] ¶