Kampf zwischen Protestantismus und Katholizismus war durch das Eingreifen der Staatsgewalt beendet worden; die Vorherrschaft des letzteren wurde zwar hergestellt, aber die Verbindung der französischen Kirche mit Rom war gelockert und diese selbst mehr vom Königtum abhängig geworden. Dem Protestantismus war freie Religionsübung zugestanden worden. So stand nichts mehr im Wege, das ganze französische Volk zu einer Einheit zusammenzufassen und dessen ganze Kraft unter einheitlicher Führung des Königtums geltend zu machen. Das politische Uebergewicht Frankreichs machte es auch tonangebend auf allen gesellschaftlichen und kulturellen Gebieten, somit auch auf jenem der Kunst. Daß diese hier ebenfalls eine höfische war, ist selbstverständlich, und da der französische Hof für alle anderen das Vorbild war, welchem man nacheiferte, so begreift man den ungemein großen Einfluß des «französischen Geschmacks» auf ganz Europa.
Diesem verfiel im 18. Jahrhundert auch Spanien, als ein Zweig des französischen Königshauses hier zur Herrschaft kam. Spanien hatte im 16. Jahrhundert, dank seiner reichen Kolonien, sich zur Stellung einer Weltmacht erhoben und eine Folge davon war auch die Entwickelung einer heimischen, völkischen Kunst. Königtum, Hochadel und Kirche, beide überreich, besaßen die Mittel und Neigung, die Kunst zu pflegen; in das Volk selbst drang sie freilich kaum ein.
^[Abb.: Fig. 590. Bernini: Hochaltar von St. Peter in Rom.] ¶
Die Vorherrschaft zur See und somit im Welthandel ging schon zu Ende des 16. Jahrhunderts für Spanien verloren, und zwar war es England, das sich anschickte, dieses spanische Erbe zu übernehmen. Wohl gab es im 17. Jahrhundert auch in England starke innere Wirren, welche aber den Aufschwung des Landes nicht zu verhindern mochten und nur das Ergebnis hatten, daß die Gewalt des Königtums sehr erheblich eingeschränkt wurde zu Gunsten der bevorrechteten Volksklassen, die im Parlamente ihre Vertretung hatten. Im Gegensatz zu allen anderen europäischen Staaten, in denen die Herrscher unumschränkte Gebieter waren, hatte in England das Volk - freilich nur ein verhältnismäßig kleiner Teil desselben - den entscheidenden Einfluß. Im 18. Jahrhundert ist England bereits die erste Handelsmacht der Welt und das «reichste» Land. Die Kraft und das Selbstbewußtsein des Volkes sind ausgebildet, und wie auf den anderen Gebieten der Kultur erscheint nun auch auf jenem der Kunst die Grundlage für eine selbständige nationale Entwickelung gegeben. Wenn ich nun kurz das Gesagte zusammenfasse, so ergiebt sich als hauptsächlich bezeichnend für den Stand der Kunst in diesem Zeitraume, daß sie als eine höfische, von den Fürsten abhängige erscheint, einer scharf ausgeprägten volklichen Eigenart entbehrt, da die weiteren Volkskreise durch die Verhältnisse ihr mehr oder minder entfremdet sind, und daß im 18. Jahrhundert der «französische Geschmack» den Grundton abgiebt.
^[Abb.: Fig. 591. Bernini: Scala regia im Vatikan.] ¶