Sein frühestes bekanntes Werk ist ein Altarbild der Peterskirche in Löwen, welches sich schon durch großzügige Kraft des Ausdrucks und lebendig bewegte Darstellung der Handlung auszeichnet. Diese Eigenschaften traten noch mehr hervor in dem Altarbilde «Beweinung Christi» (Antwerpener Galerie); das von packender Wahrheit sowohl in der Darstellung des Leichnams wie in der Schilderung der Gefühlsausdrücke der Trauernden ist, und in dieser Hinsicht alles übertraf, was die niederländische Kunst in den letzten Jahrzehnten vorher geleistet hatte, die zu einer mehr kleinlichen und tüftelnden Behandlungsweise gelangt war.
In der Folgezeit schuf er noch verschiedene Kirchenbilder in diesem Stile, und beschäftigte sich auch mit Ebenbildnissen, in denen er durch eindringliche Lebenstreue treffliche Wirkung erzielt (Fig. 583 u. 584). Eine besondere Art von Bildniswerken kam damals auf; die betreffende Persönlichkeit wurde nämlich in ihrer Beschäftigung, - Geld zählend, oder am Schreibtische arbeitend - dargestellt, und so wurde das Bildnis zugleich eine Sittenschilderung. Diese lebens- und sittenschildernde Malerei, - die Deutschen nennen es «Genremalerei» - wurde späterhin ungemein beliebt und insbesondere in den Niederlanden eifrig gepflegt. Auch sein Sohn Jan Massys und ein Schüler Marinus von Roymerswalde waren hauptsächlich in dieser Art thätig, bei der es vor allem auf scharfe, lebenswahre Herausarbeitung der Züge persönlicher Eigenart ankam, und welche auch die Entfaltung des dem niederländischen Volksgeiste eigenen, etwas derben Humors gestattete, der manchmal freilich bis zur Karikatur geht.
Patinir. Bles. Neben Quentin Massys sind noch zwei Meister zu nennen: Joachim Patinir und Hendrik Bles, welche insbesondere das Landschaftliche in ihren Bildern mit sorgfältiger Naturbeobachtung behandelten, und gewissermaßen als Vorläufer der späteren Landschaftsmalerei betrachtet werden können. In dieser Hinsicht verdienstvoll, sind sie im Uebrigen ohne hervorragende Bedeutung und Eigenart.
Italienische Einflüsse. Die anderen Künstler in Flandern-Brabant stehen durchwegs unter italienischem Einfluß. Es war in den Niederlanden eben auch «Mode» geworden, nach Italien zu gehen, und die dortige Kunstblüte mußte um so stärker einwirken, je weniger persönlicher Kunstgeist die betreffenden Maler besaßen. Die heimische Kunstweise stand ja in der That erheblich hinter jener der Großmeister, wie Raphael, Michelangelo, Correggio u. s. w. zurück; und bei der lebhaften Empfänglichkeit der Niederländer fanden die Anregungen der italienischen Richtung einen günstigen Boden. Das Gefühl für Schönheit war ja bei Jenen in hohem Maße vorhanden und hinter diesem einen Zuge trat eben der andere: der Sinn für das Volkstümliche und Humoristische zurück.
Unter dieser Gruppe der in Italien gebildeten Künstler waren allerdings einige, die in die Heimat zurückgekehrt, gewisse Züge der heimischen Kunst beibehielten und sie mit den italienischen mehr oder minder geschickt vermischten, während andere vollständig der italienischen Richtung huldigten. Zu den ersteren zählt unter anderen Jan Gossaert genannt Mabuse, in dessen «Danae» man die vorerwähnte Mischung erkennen kann (Fig. 585). Von
^[Abb.: Fig. 587. van Leyden: Schachpartie.
Berlin. Kgl. Galerie.] ¶
der zweiten Art sind der Hofmaler der niederländischen Regentin Margaretha von Oesterreich, Barend van Orley, und dessen Schüler Michiel van Coxeyen (1499-1592) hervorzuheben, welch letzterer derart in der römischen Kunstweise aufging, daß er den Beinamen «vlämischer Raphael» erhielt. Bei aller trefflichen Kunstfertigkeit, die diesem Meister zu eigen ist, läßt doch der Mangel an selbständiger Eigenart ihm ebenso wenig wie den vielen anderen eine höhere Bedeutung für die Kunstentwicklung zuerkennen.
Pieter Brueghel der Aeltere. Ganz ohne Widerspruch blieb jedoch diese italienische Richtung nicht, es fand sich immerhin eine Reihe von Malern, welche bestrebt waren, die heimische Art mehr im Sinne von Quentin Massys zu pflegen, allerdings hauptsächlich in der Weise, daß sie volkstümliche Stoffe, die bereits vorhin erwähnten Sittenschilderungen aus dem bäuerlichen und bürgerlichen Leben, behandelten und hierbei natürlich mehr auf Wirklichkeitstreue, wie auf abgeklärte Schönheit hinarbeiteten. Der hervorragendste Meister dieser Richtung ist Pieter Brueghel der Aeltere, der mit Vorliebe Dorflandschaften und dörfliche Vorgänge schilderte und zwar in einer durch derben Humor und unbefangene Natürlichkeit ergötzlich wirkenden Weise (Fig. 586).
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Holland. Schon im 15. Jahrhundert hatte man in Holland eine von den übrigen Niederlanden verschiedene Bahn eingeschlagen, indem man das Landschaftliche und Volkstümliche besonders bevorzugte und pflegte, und auch eine dem entsprechende einfachere Farbengebung ausbildete. Dieser Richtung blieb man im Allgemeinen noch jetzt getreu, und die Kunst des 16. Jahrhunderts erscheint mehr nur als eine Fortsetzung von jener des vorigen als eine Weiterbildung.
Lucas van Leyden. Einige Ausnahmen sind jedoch zu verzeichnen, und als der bedeutendste Meister, der sich über den allgemeinen Durchschnitt erhebt, ist Lucas Jacobszon
^[Abb.: Fig. 588. van Scorel: David tötet den Goliath.
Dresden. Gemäldegalerie.] ¶