während jener schon mit der neuen Richtung durch den Vater und Burgkmair vertraut geworden war. Auch in ihrer persönlichen Art unterscheiden sich die beiden; Dürer ist der ernste, gemütstiefe und geistesstarke, unermüdlich vorwärtsstrebende Meister, der alle Aufgaben mit ganzer Seele erfaßt. Holbein war leichtlebiger, ein lebensfroher Mann, der das Heitere und Prächtige liebte und die sinnfällige Schönheit über die innerliche Wahrhaftigkeit stellte.
Dürer blieb immer der Deutsche, der die Dinge gründlich und schwer nimmt; Holbein ist Weltmann und ein «Renaissancemensch», wie seine italienischen Zeitgenossen. Steht er daher an geistiger und sittlicher Kraft hinter Dürer zurück, so übertrifft er ihn doch noch in einem Punkte: in der Farbengebung. Seine Farben sind von höchster Leuchtkraft, dabei stets schön zusammengestimmt und fein abgetönt; das Spiel des Lichtes giebt er mit einer Meisterschaft wieder, die an Correggio erinnert; Holbein ist eben Farbenkünstler und als solcher fand er unter seinen Zeitgenossen keinen, der sich ihm gleichstellen konnte. Daß er dabei auch das Zeichnerische mit vollster Sicherheit beherrschte, dafür zeugen seine zahlreichen Holzschnitte und Handzeichnungen, die zwar weniger kraftvoll als jene Dürers, dafür aber gefallsam und von reizendem Fluß der Linien sind. ¶
Auch Holbein hat keine Schule begründet. Wohl übte er auf die Schweizer Maler einen ziemlichen Einfluß, die hauptsächlich seine Wandgemälde zum Vorbilde nahmen; doch brachte es von diesen Nachahmern keiner zu einer erheblichen Bedeutung, zumal sie meist in eine etwas rohe und derbe Darstellungsweise gerieten. In England aber, wo er die beste Zeit seines Lebens verbrachte, war damals noch kein Boden für eine selbständige heimische Malkunst.
Lucas Cranach. Nur ein deutscher Künstler kann sich noch den beiden Hochmeistern Dürer und Holbein an die Seite stellen; wenn er auch ihre künstlerische Höhe nicht erreicht, so überragt er doch die Zeitgenossen zweiten Ranges und zeigt vor allem eine ausgesprochene persönliche Eigenart, der alles Schulmäßige fremd blieb. Lucas Müller der Aeltere, genannt Cranach (nach seinem Geburtsorte Kronach in Oberfranken, 1472-1553), war eigentlich der am meisten volkstümliche Meister jener Zeit, was wohl hauptsächlich seinen Grund darin haben mag, daß er einerseits ungemein fruchtbar war und seine Werke daher sehr häufig sind, und andrerseits diese auch in Inhalt und Form dem Verständnis und Geschmack der Menge am meisten entgegenkamen. Er scheint weniger gewandert zu sein, als die Vorgenannten, jedenfalls ist er nach Italien nicht gekommen, hat demnach auch seine ursprüngliche Anlage von allen fremden Einflüssen bewahrt.
Von seiner früheren Zeit ist nichts bekannt, und wir wissen daher nicht, welchen Umständen er seine Berufung zum Hofmaler des sächsischen Kurfürsten Friedrich 1504 verdankte; denn erst aus diesem Jahre stammt das erste nachweisbare Bild: «Ruhe auf der Flucht». Dieses war allerdings geeignet, ihn als einen hervorragenden Künstler erscheinen zu lassen, der sich von der Gebundenheit der älteren Richtung befreit hatte und zu einer neuen Auffassung gelangt war.
Das Landschaftliche wie die Gestalten bekunden nicht nur eine genaue und verständnisvolle Beobachtung der Natur, sondern vor allem auch ein damals noch seltenes Gefühl für das Schöne und Reizvolle. Er giebt Joseph mit markigen Zügen, edler Männlichkeit, Maria voll schlichter inniger Anmut mit seelenvollem Blick; insbesondere aber sind die Engel mit ihren natürlich frischen Bewegungen von einem Liebreiz, wie wir ihn nur noch bei den Italienern finden. Auch die Farbe ist hell und leuchtend, wenn auch etwas zu bunt und von starkem Lackglanz; im ganzen aber liegt eine stimmungsvolle Heiterkeit, die ungemein anspricht.
Cranach scheint auf sein Naturstudium den größten Wert gelegt zu haben, denn die folgenden Werke zeigen, daß er in erster Linie auf Wirklichkeitstreue ausgeht und fast zu bildnerischer Gestaltung gelangt. Dabei verlor er aber den feinen Sinn für die veredelte Schönheit, und gerade die sehr zahlreichen Darstellungen des unverhüllten Weibes lassen diesen Mangel deutlich erkennen. Seiner Begabung nach hätte er wahrscheinlich weit Bedeutenderes leisten können, wenn er nicht durch die Ueberhäufung mit Aufträgen zum «Schnellmalen» veranlaßt worden wäre. Dadurch wurde er flüchtig und geriet ins Hand-
^[Abb.: Fig. 582. Strigel: Kaiser Maximilian I.
München. Pinakothek.] ¶