mit dem Holzschnitt - er war ebenfalls für Kaiser Maximilian thätig - ließ zeitweilig die italienischen Einflüsse zurücktreten, die in den letzten Lebensjahren jedoch wieder sich geltend machten. Als sein bestes Werk ist das Bild «Esther vor Ahasver» (1528) zu betrachten, welches durch Schönheit in Zeichnung und Farbe, wie durch meisterliche Sicherheit in der Formbehandlung sich auszeichnet (Fig. 572).
Hans Holbein der Jüngere. Dem durch die Vorgenannten bereits im neuen Geiste bearbeiteten Boden der schwäbischen Schule entwuchs nun ein Meister, der nach Albrecht Dürer der bedeutendste und größte der deutschen Malkunst jener Zeit wurde. Es ist dies Hans Holbein der Jüngere, Sohn und Schüler des Aelteren (1497-1543). Nach der Lehrzeit in der Werkstatt des Vaters scheint er frühzeitig auf die Wanderschaft gegangen zu sein (dabei vielleicht auch Italien besucht zu haben), und trat 1515 in Basel als Gehilfe in eine Malerwerkstatt ein, nachdem er bereits durch einige Bilder (Madonna 1514, Kreuztragung 1515) seine malerische Befähigung erwiesen hatte.
Schon mit dem Bildnisse des Bürgermeisters Meyer (1516) zeigte er dann, daß er den Baseler Malern überlegen sei und als selbständiger Meister auftreten könne. Im Jahre 1517 ging er nach Luzern und führte hier die Wandmalereien des Hartensteinschen Hauses aus, welche ihm einen gewissen Ruf verschafften; so daß er, als er 1519 sich in Basel als Meister niederließ und das Bürgerrecht erwarb, mehrfache Aufträge für Wandmalereien an Bürgerhäusern und im Ratssaale erhielt.
Diese Gemälde sind allerdings verschwunden, die noch erhaltenen Skizzen zeigen jedoch eine, manchmal noch etwas derbe, aber wirkungsvolle Kraft der Zeichnung. In den nächsten Jahren trat er auch mit einigen kirchlichen Gemälden (Christus im Grabe, Geburt Christi und Anbetung der heiligen drei Könige, Madonna u. a.), sowie mit einigen Ebenbildnissen hervor, in welchen sich bereits seine künftige Meisterschaft ankündigt. Dazu gehört das ausdrucksvolle, die geistige Bedeutung der Persönlichkeit trefflich kennzeichnende Bildnis des gelehrten Humanisten Erasmus von Rotterdam, während in jenem der Dorothea Offenburg er auch seine Begabung für Schilderung sinnlicher Anmut und für reizvolle Behandlung des Fleisches zeigt.
Seine künstlerische Eigenart entwickelte sich nun rasch zur Vollendung; und schon im Jahre 1525 entstand das Werk, mit welchem er alle deutschen Meister seiner Zeit,
^[Abb.: Fig. 577. Cranach: Judith.
Wien. Kaiserl. Gemäldegalerie.]
^[Abb.: Fig. 578. Cranach: Christus und die Ehebrecherin.
München. Pinakothek.
nur Dürer ausgenommen, überflügelte: Die «Madonna des Bürgermeisters Meyer» (in Darmstadt, eine Nachbildung in Dresden). Es ist mehr ein Bildniswerk, als ein kirchliches, da der Stifter natürlich das Hauptgewicht auf die Darstellung seiner Familie legte; immerhin haben wir aber in demselben das schönste Madonnenbild, welches die deutsche Kunst geschaffen hat. Wir begegnen hier derselben Auffassung, wie bei den italienischen Renaissancemeistern, denn auch Holbein giebt die Mutter des Heilands als ein zum urbildlich Schönen verklärtes Weib, und zwar wie es der deutschen Vorstellung von edelster weiblicher Würde entspricht.
Milde und sinnig, unendlicher Liebe voll und frei von allen irdischen Regungen blickt Maria auf die Familie, die sie in ihren Schutz genommen hat; das Christuskind auf ihren Armen ist von höchstem Liebreiz in seiner natürlich unbefangenen Bewegung. Die Bildnisse der Familie sind mit einer Lebenswahrheit ausgeführt, welche kaum übertroffen werden kann. Der Bürgermeister selbst in frommer Haltung, mit dem Ausdruck gläubigen Vertrauens und doch auch selbstbewußter Thatkraft in den markigen Zügen, sieht zur Madonna auf, während die eine der Frauen auch in diesem feierlichen Augenblicke ihrer mütterlichen Pflicht nicht vergißt und auf die frohgestimmten Kinder achtet, von welchen das Kleinste ein Gegenstück zu dem Christuskinde bildet; auch die Tochter an der Seite der Mutter wird durch den Anblick dieser Gruppe von den frommen Gedanken abgezogen, obwohl sie die dem Ernste der Handlung entsprechende würdige Haltung bewahrt.
Die vollste Naturwahrheit herrscht im ganzen, wie in den einzelnen Zügen, es ist nichts Gesuchtes und Gezwungenes in der Darstellung des Vorganges, Ernst und Schalkhaftigkeit paaren sich in ihm, und dennoch liegt in derselben eine über das Gewöhnliche erhobene Stimmung, welche das Gefühl inniger Andacht erweckt. Die ebenmäßig schöne Anordnung ist in diesem Bilde ebenso bemerkenswert, wie der sanfte Glanz der Farben. - Den ganzen Unterschied zwischen dem italienischen und deutschen Wesen und Kunstgeiste läßt ein Vergleich der Holbeinschen Madonna mit Tizians Madonna des Hauses Pesaro erkennen.
Bald nach Vollendung dieses Bildes (1526) begab sich Holbein nach England, da bei den Wirrnissen, welche die Reformationsbewegung hervorrief, an eine halbwegs lohnende Thätigkeit nicht zu denken war. Sein treuer Erasmus v. Rotterdam hatte ihn dem englischen Schatzmeister Thomas Morus warm empfohlen und Holbein durfte hoffen, in England zahlreiche Aufträge zu erhalten. In der That täuschte er sich darin nicht, und er konnte während des zweijährigen Aufenthaltes in London eine ziemliche Anzahl von Bildnissen ausführen, die ihm hohes Ansehen verschafften.
Dennoch kehrte Holbein 1528 wieder nach Basel zurück, wo sich die Verhältnisse inzwischen aber nur verschlimmert hatten und eine geradezu bilderfeindliche Richtung aufgekommen war. Der Stadtrat betraute ihn wohl mit der Ausführung eines Wandgemäldes im Ratssaale, aber sonst fehlte es an Aufträgen. Holbein wandte sich daher abermals nach England, wo er jedoch seine früheren Gönner gestürzt und vom Hofe verbannt fand. Fehlten ihm nun auch zunächst die Be-
^[Abb.: Fig. 579. Grünewald: Der hl. Mauritius und der hl. Erasmus.
München. Pinakothek.]
ziehungen zu den höfischen und vornehmen Kreisen, so boten ihm die Landsleute, die deutschen Kaufleute des Hansahofes, Ersatz. Er hatte nicht nur eine Reihe von Ebenbildnissen derselben zu schaffen, sondern erhielt auch den Auftrag, zwei Gemälde für die Halle des deutschen Kaufhauses anzufertigen.
Bei der vorwiegenden Beschäftigung mit Bildnissen hatte Holbein seine Kunst in diesem Fache zur vollendeten Meisterschaft ausgebildet und stand unübertroffen da. Die vornehmen Kreise Englands gaben denn auch bald ihre Zurückhaltung auf und überhäuften ihn mit Aufträgen; auch König Heinrich VIII. wandte ihm seine Gunst zu und nahm ihn 1538 förmlich in seine Dienste. Aus dieser Zeit stammt eine große Reihe von Bildnissen, die zu den besten Schöpfungen des Meisters zählen. Im Auftrage des Königs malte er dessen verschiedene Gemahlinnen und deren Hofdamen, wie er überhaupt der bevorzugte Maler des Hochadels blieb, bis er 1547 der Pest zum Opfer fiel.
Holbeins Eigenart. Holbein hatte unter glücklicheren Verhältnissen seine Laufbahn begonnen als Dürer, der sich den Weg zu der neuen höheren Kunst selbst bahnen mußte,
^[Abb.: Fig. 580. Altdorfer: Landschaft mit dem hl. Georg.
München. Pinakothek.]
während jener schon mit der neuen Richtung durch den Vater und Burgkmair vertraut geworden war. Auch in ihrer persönlichen Art unterscheiden sich die beiden; Dürer ist der ernste, gemütstiefe und geistesstarke, unermüdlich vorwärtsstrebende Meister, der alle Aufgaben mit ganzer Seele erfaßt. Holbein war leichtlebiger, ein lebensfroher Mann, der das Heitere und Prächtige liebte und die sinnfällige Schönheit über die innerliche Wahrhaftigkeit stellte.
Dürer blieb immer der Deutsche, der die Dinge gründlich und schwer nimmt; Holbein ist Weltmann und ein «Renaissancemensch», wie seine italienischen Zeitgenossen. Steht er daher an geistiger und sittlicher Kraft hinter Dürer zurück, so übertrifft er ihn doch noch in einem Punkte: in der Farbengebung. Seine Farben sind von höchster Leuchtkraft, dabei stets schön zusammengestimmt und fein abgetönt; das Spiel des Lichtes giebt er mit einer Meisterschaft wieder, die an Correggio erinnert; Holbein ist eben Farbenkünstler und als solcher fand er unter seinen Zeitgenossen keinen, der sich ihm gleichstellen konnte. Daß er dabei auch das Zeichnerische mit vollster Sicherheit beherrschte, dafür zeugen seine zahlreichen Holzschnitte und Handzeichnungen, die zwar weniger kraftvoll als jene Dürers, dafür aber gefallsam und von reizendem Fluß der Linien sind.
Auch Holbein hat keine Schule begründet. Wohl übte er auf die Schweizer Maler einen ziemlichen Einfluß, die hauptsächlich seine Wandgemälde zum Vorbilde nahmen; doch brachte es von diesen Nachahmern keiner zu einer erheblichen Bedeutung, zumal sie meist in eine etwas rohe und derbe Darstellungsweise gerieten. In England aber, wo er die beste Zeit seines Lebens verbrachte, war damals noch kein Boden für eine selbständige heimische Malkunst.
Lucas Cranach. Nur ein deutscher Künstler kann sich noch den beiden Hochmeistern Dürer und Holbein an die Seite stellen; wenn er auch ihre künstlerische Höhe nicht erreicht, so überragt er doch die Zeitgenossen zweiten Ranges und zeigt vor allem eine ausgesprochene persönliche Eigenart, der alles Schulmäßige fremd blieb. Lucas Müller der Aeltere, genannt Cranach (nach seinem Geburtsorte Kronach in Oberfranken, 1472-1553), war eigentlich der am meisten volkstümliche Meister jener Zeit, was wohl hauptsächlich seinen Grund darin haben mag, daß er einerseits ungemein fruchtbar war und seine Werke daher sehr häufig sind, und andrerseits diese auch in Inhalt und Form dem Verständnis und Geschmack der Menge am meisten entgegenkamen. Er scheint weniger gewandert zu sein, als die Vorgenannten, jedenfalls ist er nach Italien nicht gekommen, hat demnach auch seine ursprüngliche Anlage von allen fremden Einflüssen bewahrt.
Von seiner früheren Zeit ist nichts bekannt, und wir wissen daher nicht, welchen Umständen er seine Berufung zum Hofmaler des sächsischen Kurfürsten Friedrich 1504 verdankte; denn erst aus diesem Jahre stammt das erste nachweisbare Bild: «Ruhe auf der Flucht». Dieses war allerdings geeignet, ihn als einen hervorragenden Künstler erscheinen zu lassen, der sich von der Gebundenheit der älteren Richtung befreit hatte und zu einer neuen Auffassung gelangt war.
Das Landschaftliche wie die Gestalten bekunden nicht nur eine genaue und verständnisvolle Beobachtung der Natur, sondern vor allem auch ein damals noch seltenes Gefühl für das Schöne und Reizvolle. Er giebt Joseph mit markigen Zügen, edler Männlichkeit, Maria voll schlichter inniger Anmut mit seelenvollem Blick; insbesondere aber sind die Engel mit ihren natürlich frischen Bewegungen von einem Liebreiz, wie wir ihn nur noch bei den Italienern finden. Auch die Farbe ist hell und leuchtend, wenn auch etwas zu bunt und von starkem Lackglanz; im ganzen aber liegt eine stimmungsvolle Heiterkeit, die ungemein anspricht.
Cranach scheint auf sein Naturstudium den größten Wert gelegt zu haben, denn die folgenden Werke zeigen, daß er in erster Linie auf Wirklichkeitstreue ausgeht und fast zu bildnerischer Gestaltung gelangt. Dabei verlor er aber den feinen Sinn für die veredelte Schönheit, und gerade die sehr zahlreichen Darstellungen des unverhüllten Weibes lassen diesen Mangel deutlich erkennen. Seiner Begabung nach hätte er wahrscheinlich weit Bedeutenderes leisten können, wenn er nicht durch die Ueberhäufung mit Aufträgen zum «Schnellmalen» veranlaßt worden wäre. Dadurch wurde er flüchtig und geriet ins Hand-
^[Abb.: Fig. 582. Strigel: Kaiser Maximilian I.
München. Pinakothek.]
werksmäßige, da er denselben Vorwurf stets mehrfach wiederholte. Vom Jahre 1520 ab brachte er überhaupt nichts Neues mehr, und was danach entstand, ist Werkstattarbeit, in welcher nur mehr die Handfertigkeit, aber kein künstlerischer Geist waltete. Als das beste Bild nach dem obenerwähnten ist die «Maria» in der Pfarrkirche zu Innsbruck zu nennen (1517),
in welchem er noch alle genannten Vorzüge entwickelt (Fig. 576). Für seine Auffassung und Eigenart sehr bezeichnend ist ferner das Gemälde: «Die Ehebrecherin vor Christus» (Fig. 578). Das Antlitz des Heilandes ist edel und anmutsvoll, dagegen zeigen die Köpfe der Männer links die für Cranach bezeichnende viereckige Bildung, das Weib die Engbrüstigkeit und das Mißverhältnis zwischen Ober- und Unterkörper, welches allerdings sehr wirklichkeitstreu ist, aber auch vermuten läßt, daß er ein schlecht gebautes Modell allzu getreu nachbildete. - Seine kirchlichen Werke sind im Allgemeinen wertvoller; auch spricht sich in diesen eine wirkliche innere Teilnahme aus, wie ja auch Cranach an der religiösen Bewegung seiner Zeit stark beteiligt war und zu den eifrigsten Freunden Luthers zählte. Zahlreicher sind freilich die Bilder, welche weltliche Stoffe behandeln, bei denen es mehr auf Sinnenreiz ankam.
Offenbar hatte der Künstler selbst keine rechte Freude an diesen Aufträgen, da ihm die rechte Gabe fehlte, das Sinnliche künstlerisch zu verklären und über das Gemeine hinauszuheben. Eine umfangreiche Thätigkeit entfaltete er auch in der Bildnismalerei, die aber auch unter der Massenerzeugung stark litt. Einzelne Bildnisse beweisen zwar sein tüchtiges Können, im Allgemeinen aber stehen sie weit unter jenen Dürers und Holbeins. Er gab ihnen weder die Vertiefung und den Ausdruck innerlicher Wahrheit wie Dürer, auch vernachlässigte er die Zeichnung, noch besaß er die Farbenkunst Holbeins, um seine Köpfe in malerischer Freiheit zu behandeln. Man muß eigentlich sagen, daß Cranachs Bedeutung mehr in dem erkennbaren Besitz einer wirklich großen Begabung, als in der Bethätigung derselben liegt; er gehört auch zu jenen, welchen der große Ruf verderblich wurde.
Schule Cranachs. Eine ziemlich zahlreiche Schule - darunter auch sein Sohn Lucas der Jüngere - setzte seine «beliebt» gewordene Kunstweise fort und lieferte verschiedene «Hofmaler». In dieser Gruppe ist bemerkenswert der sogenannte «Pseudo-Grünewald» (der falsche Grünewald, wahrscheinlich mit dem Maler Simon von Aschaffenburg identisch), weil dessen unleugbar tüchtige Arbeiten früher teils dem Mathias Grünewald, teils Cranach selbst zugeschrieben wurden, mit dessen Werken sie in der That viele Uebereinstimmung zeigen, doch unterscheiden sie sich durch eine mehr weichlichere, anmutigere Behandlung der Form.
Mathias Grünewald. Der «echte» Grünewald (geb. zu Aschaffenburg vor 1480, + 1525) ist unter den Meistern zweiten Ranges vielleicht der bedeutendste, jedenfalls eine merkwürdige Persönlichkeit von besonderer Eigenart, die ihre eigenen Wege ging. In der Form hart, den Ausdruck der Kraft bis zur rohen und häßlichen Derbheit übertreibend, ist er meisterhaft in der Behandlung des Lichtes, und schon Sandrart hat ihn deshalb den «deutschen Correggio» genannt. Von diesem unterscheidet er sich freilich durch die vor-
^[Abb.: Fig. 583. Quentin Massys: Pietà.
München. Pinakothek.]
erwähnte rücksichtslose Wirklichkeitstreue, welche jede Veredlung der Form verschmäht; aber was Lichtmalerei anbetrifft, ist Grünewald in der That der hervorragendste Farbenkünstler seiner Zeit, welcher durch Farbentönung und Lichtverteilung die nachhaltigste malerische Wirkung zu erzielen strebte. Insbesondere gelingt ihm dies in den Landschaften, in denen er Beleuchtungen giebt, die fast an die neuzeitliche Auffassung heranreichen; doch auch in den Figurenbildern ist das Spiel des Lichtes auf den Körpern von hohem Reiz, der tief ergreift und die Mängel der Form übersehen läßt.
Wäre nicht dieser Gegensatz zwischen Form und Farbenhandlung ^[richtig: Farbenbehandlung], so würde Grünewald sicher einer der größten Meister deutscher Malkunst geworden sein. Sein vorzüglichstes Werk ist das Mittelstück eines Altarbildes, den hl. Mauritius und hl. Erasmus darstellend, das auch schönere Farben aufweist, vor allem aber durch die feine Zusammenstimmung gegensätzlicher Farben und wundervolle Zartheit des Lichtscheines entzückt (Fig. 579).
Albrecht Altdorfer. Einer ähnlichen Richtung huldigt auch Albrecht Altdorfer (1480?-1538), der seit 1501 in Regensburg thätig war und das Haupt der dortigen örtlichen Schule wurde, welche bisher hauptsächlich die Miniaturmalerei gepflegt hatte. Altdorfer erscheint ebenso wohl von Dürer wie von Grünewald beeinflußt; von ersterem nahm er die feinere, sorgfältige Zeichnung an, von letzterem die malerische Lichtbehandlung. In seinen Werken tritt immer das Landschaftliche stark hervor, weil es ihm Gelegenheit bietet, in Stimmungen und Beleuchtungsreizen zu schwelgen. Er bereichert zu diesem Zwecke die Landschaft mit Bauwerken und Ruinen, um das verschiedene Spiel des Lichtes zu zeigen; die Gestalten und die ganze Anordnung des Vorganges sind auf dieses Ziel gestimmt.
Der «Kampf des hl. Georg mit dem Drachen» ist mehr ein Landschaftsbild als Darstellung einer Handlung; hier ist der heimliche Reiz des Waldes ebenso wirkungsvoll zur Anschauung gebracht, wie in der «Keuschen Susanna» das Bauliche für die Stimmung und Lichtwirkung mit hervorragendem Geschick verwertet erscheint (Fig. 580 u. 581). Bemerkenswert ist auch die «Alexanderschlacht» sowohl wegen der Fülle von Gestalten, die mit sorgfältiger Feinheit ausgearbeitet sind, als auch durch die großartige Gebirgsansicht.
Altdorfers Schule. Altdorfer hat auch auf die bayerische Malerei befruchtend gewirkt, und wir finden unter seinen Nachfolgern einige tüchtige Meister, welche die deutsche Kunstweise noch pflegten, als schon der italienische Einfluß überwiegend zu werden begann. Dazu gehören der Passauer Melchior Feselen (+ 1538), der in Ingolstadt wirkte, und der Münchener Hans Muelich (1516-1573), der zuletzt jedoch hauptsächlich mit Bildnismalerei sich beschäftigte.
Hans Baldung. Einem ähnlichen Entwicklungsgang wie bei Altdorfer begegnen wir bei Hans Baldung, der wegen seines eigentümlichen Grüns auf den Gemälden den Beinamen Grien erhielt. Auch auf ihn haben Dürer und Grünewald eingewirkt und er vermittelte in seinen Werken die beiden Einflüsse. Die Neigung zur überscharfen Wirklichkeitstreue ist bei ihm vorhanden, doch mäßigt er sie und giebt vollere, edlere Formen
^[Abb.: Fig. 584: Quentin Massys: Bildnis des Kanzlers Carondelet.
München. Pinakothek.]
als Grünewald, dem er sonst in der Farbenbehandlung folgt. Hervorragendes leistete er auch in Bildnissen und in Holzschnitten, in welchen er eine hohe schöpferische Einbildungskraft bekundet.
Die anderen deutschen Schulen. Mit den Genannten ist die Reihe jener Meister, welche auf die Entwicklung der deutschen Malkunst mehr oder minder bestimmend einwirkten, so ziemlich erschöpft und es erübrigt nur noch, kurz der Zustände in den anderen örtlichen Kreisen oder Schulen zu gedenken.
Im Allgemeinen zeigt sich auch in diesen ein Fortschreiten von der Gebundenheit des 15. Jahrhunderts zu einer freieren, auch mehr malerischen Kunstweise; also eine Erhebung des durchschnittlichen Mittelmaßes, ohne daß jedoch einer der Meister zu einer maßgebenden Bedeutung gelangte.
In Ulm, das seine Bedeutung als Kunststätte verloren hatte, ist Martin Schaffner zu nennen, der mit Erfolg sich der neuen Richtung widmete. Unter den Augsburger Malern verdient noch Ulrich Apt der Aeltere Erwähnung, der neben Holbein dem Aelteren und Burgkmair sich ehrenvoll behauptete und eine gewisse Selbständigkeit, wenigstens gegenüber diesen Landsleuten, bewahrte. Mehr war dies noch der Fall bei Bernhard Strigel in Memmingen, welcher seine Kunstweise auch im neuen Geiste weiter bildete, obwohl er seinem Alter nach (geb. 1464) mehr dem 15. Jahrhundert noch angehörte. Er leistete Treffliches, namentlich in Bildnissen, die ausdrucksvoll sind und selbst neben jenen Dürers bestehen können (Fig. 582). Am Rhein machte sich der niederländische Einfluß stark geltend, so daß man hier zu keiner rechten Selbständigkeit gelangte. Dies war selbst in Köln der Fall, wo ein Unbekannter, der sogen. «Meister des Todes Maria», und Barthel Bruyn als die bedeutendsten Künstler dieser Zeit erscheinen. Namentlich der Erstere zeichnet sich durch eine große Zartheit und Lieblichkeit in der Formgebung aus, welche noch mehr an den Ueberlieferungen der altkölnischen Schule festhält als dem niederländischen Zug nach Naturtreue folgt.
Auf dem Boden Westfalens sehen wir ebenfalls eine Verschmelzung der älteren Kunstweise mit der niederländischen sich vollziehen; hier verdient Heinrich Aldegrever in Soest als tüchtiger Bildnismaler Erwähnung, der in seinen Werken den Ausdruck der Lebenswahrheit mit großer zeichnerischer Sicherheit wiederzugeben verstand.
***
Niederländische Malerei. Die tonangebende Stellung, welche die niederländische Malkunst im 15. Jahrhundert durch die Eycks, Rogier van Weiden und Dirk Bouts sich errungen hatte, würde erwarten lassen, daß auch im 16. Jahrhundert ihr eine für die allgemeine Entwicklung bedeutsame Rolle zukommen sollte. In der That war dies aber nicht der Fall. Wohl übte die niederländische Kunstweise mit ihrem Grundzug von derbkräftiger Lebenstreue, wie vorhin erwähnt wurde, auf die rheinisch-westfälischen Kreise bis tief ins
^[Abb.: Fig. 585. Mabuse: Danae.
München. Pinakothek.]
16. Jahrhundert hinein einen bestimmenden Einfluß, dies verdankte sie aber mehr den Ueberlieferungen aus der Eyckschen Zeit als den Leistungen der damaligen Gegenwart. Es war allerdings kein Verfall der Kunstpflege eingetreten, die Fertigkeit und Geschicklichkeit nahm vielmehr zu, aber in Flandern-Brabant wurde die volklich-selbständige Eigenart aufgegeben zu Gunsten der italienischen Kunstweise, welche auf die Niederländer eine starke Anziehungskraft ausübte, und in Holland, wo die Kunst volkstümlicher blieb, kam man auch nur zu einer Verbindung der altholländischen Ueberlieferungen mit italienischen Anschauungen. So erklärt sich, daß die Niederlande im 16. Jahrhundert zwar eine stattliche Zahl von Künstlernamen aufweisen, denen man Achtung nicht versagen kann, dagegen nur ein Meister zu nennen ist, dem eine besondere künstlerische Bedeutung zukommt, und höchstens noch zwei Andere diesem zur Seite gestellt werden können.
Quentin Massys. Der Hauptmeister der niederländischen Renaissancezeit, welcher auch über die heimatlichen Grenzen hinaus bedeutsam wurde, ist Quentin Massys (1460 bis 1530) in Antwerpen. Im Jahre 1488 hatte Brügge infolge einer Empörung gegen Kaiser Maximilian seine bisherigen Handelsprivilegien verloren und diese waren Antwerpen verliehen worden, welches nunmehr der Hauptstapelplatz der Niederlande und deren Vorort wurde. Daß dies auch zur Belebung der Kunstpflege beitragen mußte, ist natürlich.
Quentin Massys war von Hause aus Kunstschmied und hatte als solcher nur kunstgewerbliches Zeichnen gelernt. Infolge einer schweren Krankheit, welche seine körperlichen Kräfte gelähmt hatte, wandte er sich der Malerei zu, in welcher er ohne einen Lehrmeister blos durch Selbststudium allmählich sich ausbildete. Er mochte wohl schon 30 Jahre alt sein, als er 1491 in die Malergilde als Meister aufgenommen wurde. Der Umstand, daß er völlig frei von allen schulmäßigen Einflüssen, nur durch Selbstbildung und gründliche Naturbeobachtung seine eigene Kunstweise fand, erklärt wohl hinlänglich seine unabhängige Eigenart und seine die Zeitgenossen überragende Stellung. Als gereifter Mann war er in den Künstlerkreis eingetreten und dies brachte auch mit sich, daß er weniger mit jugendlichem Schwung als vielmehr mit Ernst und Strenge seine Aufgaben erfaßte.
^[Abb.: Fig. 586. Pieter Brueghel: Bauernhochzeit.
Wien. Kaiserl. Gemäldesammlung.]
Sein frühestes bekanntes Werk ist ein Altarbild der Peterskirche in Löwen, welches sich schon durch großzügige Kraft des Ausdrucks und lebendig bewegte Darstellung der Handlung auszeichnet. Diese Eigenschaften traten noch mehr hervor in dem Altarbilde «Beweinung Christi» (Antwerpener Galerie); das von packender Wahrheit sowohl in der Darstellung des Leichnams wie in der Schilderung der Gefühlsausdrücke der Trauernden ist, und in dieser Hinsicht alles übertraf, was die niederländische Kunst in den letzten Jahrzehnten vorher geleistet hatte, die zu einer mehr kleinlichen und tüftelnden Behandlungsweise gelangt war.
In der Folgezeit schuf er noch verschiedene Kirchenbilder in diesem Stile, und beschäftigte sich auch mit Ebenbildnissen, in denen er durch eindringliche Lebenstreue treffliche Wirkung erzielt (Fig. 583 u. 584). Eine besondere Art von Bildniswerken kam damals auf; die betreffende Persönlichkeit wurde nämlich in ihrer Beschäftigung, - Geld zählend, oder am Schreibtische arbeitend - dargestellt, und so wurde das Bildnis zugleich eine Sittenschilderung. Diese lebens- und sittenschildernde Malerei, - die Deutschen nennen es «Genremalerei» - wurde späterhin ungemein beliebt und insbesondere in den Niederlanden eifrig gepflegt. Auch sein Sohn Jan Massys und ein Schüler Marinus von Roymerswalde waren hauptsächlich in dieser Art thätig, bei der es vor allem auf scharfe, lebenswahre Herausarbeitung der Züge persönlicher Eigenart ankam, und welche auch die Entfaltung des dem niederländischen Volksgeiste eigenen, etwas derben Humors gestattete, der manchmal freilich bis zur Karikatur geht.
Patinir. Bles. Neben Quentin Massys sind noch zwei Meister zu nennen: Joachim Patinir und Hendrik Bles, welche insbesondere das Landschaftliche in ihren Bildern mit sorgfältiger Naturbeobachtung behandelten, und gewissermaßen als Vorläufer der späteren Landschaftsmalerei betrachtet werden können. In dieser Hinsicht verdienstvoll, sind sie im Uebrigen ohne hervorragende Bedeutung und Eigenart.
Italienische Einflüsse. Die anderen Künstler in Flandern-Brabant stehen durchwegs unter italienischem Einfluß. Es war in den Niederlanden eben auch «Mode» geworden, nach Italien zu gehen, und die dortige Kunstblüte mußte um so stärker einwirken, je weniger persönlicher Kunstgeist die betreffenden Maler besaßen. Die heimische Kunstweise stand ja in der That erheblich hinter jener der Großmeister, wie Raphael, Michelangelo, Correggio u. s. w. zurück; und bei der lebhaften Empfänglichkeit der Niederländer fanden die Anregungen der italienischen Richtung einen günstigen Boden. Das Gefühl für Schönheit war ja bei Jenen in hohem Maße vorhanden und hinter diesem einen Zuge trat eben der andere: der Sinn für das Volkstümliche und Humoristische zurück.
Unter dieser Gruppe der in Italien gebildeten Künstler waren allerdings einige, die in die Heimat zurückgekehrt, gewisse Züge der heimischen Kunst beibehielten und sie mit den italienischen mehr oder minder geschickt vermischten, während andere vollständig der italienischen Richtung huldigten. Zu den ersteren zählt unter anderen Jan Gossaert genannt Mabuse, in dessen «Danae» man die vorerwähnte Mischung erkennen kann (Fig. 585). Von
^[Abb.: Fig. 587. van Leyden: Schachpartie.
Berlin. Kgl. Galerie.]
der zweiten Art sind der Hofmaler der niederländischen Regentin Margaretha von Oesterreich, Barend van Orley, und dessen Schüler Michiel van Coxeyen (1499-1592) hervorzuheben, welch letzterer derart in der römischen Kunstweise aufging, daß er den Beinamen «vlämischer Raphael» erhielt. Bei aller trefflichen Kunstfertigkeit, die diesem Meister zu eigen ist, läßt doch der Mangel an selbständiger Eigenart ihm ebenso wenig wie den vielen anderen eine höhere Bedeutung für die Kunstentwicklung zuerkennen.
Pieter Brueghel der Aeltere. Ganz ohne Widerspruch blieb jedoch diese italienische Richtung nicht, es fand sich immerhin eine Reihe von Malern, welche bestrebt waren, die heimische Art mehr im Sinne von Quentin Massys zu pflegen, allerdings hauptsächlich in der Weise, daß sie volkstümliche Stoffe, die bereits vorhin erwähnten Sittenschilderungen aus dem bäuerlichen und bürgerlichen Leben, behandelten und hierbei natürlich mehr auf Wirklichkeitstreue, wie auf abgeklärte Schönheit hinarbeiteten. Der hervorragendste Meister dieser Richtung ist Pieter Brueghel der Aeltere, der mit Vorliebe Dorflandschaften und dörfliche Vorgänge schilderte und zwar in einer durch derben Humor und unbefangene Natürlichkeit ergötzlich wirkenden Weise (Fig. 586).
***
Holland. Schon im 15. Jahrhundert hatte man in Holland eine von den übrigen Niederlanden verschiedene Bahn eingeschlagen, indem man das Landschaftliche und Volkstümliche besonders bevorzugte und pflegte, und auch eine dem entsprechende einfachere Farbengebung ausbildete. Dieser Richtung blieb man im Allgemeinen noch jetzt getreu, und die Kunst des 16. Jahrhunderts erscheint mehr nur als eine Fortsetzung von jener des vorigen als eine Weiterbildung.
Lucas van Leyden. Einige Ausnahmen sind jedoch zu verzeichnen, und als der bedeutendste Meister, der sich über den allgemeinen Durchschnitt erhebt, ist Lucas Jacobszon
^[Abb.: Fig. 588. van Scorel: David tötet den Goliath.
Dresden. Gemäldegalerie.]
van Leyden (1494-1535) zu nennen, der allerdings hauptsächlich in Kupferstich arbeitete. In dieser Kunstgattung brachte er es zu einer Vollendung, die ihn fast einem Dürer gleichkommen läßt, so kraftvoll, sicher und sorgfältig sind seine Stiche ausgeführt. Was ihn jedoch besonders auszeichnet, ist die genaue und eindringliche Beobachtung und Auffassung der Natur und die ausdrucksvolle scharfe Wiedergabe der bezeichnenden Züge. Seine Gemälde sind nicht sehr zahlreich, eines der besten ist die «Schachpartie» (in Berlin), welche die vorerwähnten Eigenschaften trefflich zeigt (Fig. 587).
Bosch. Wenn ich noch Hieronymus Bosch (Jeroom van Aken, + 1516) hier erwähne, so geschieht es nur aus dem Grunde, weil dieser zuerst mit jenen Darstellungen von Höllen- und Gespensterscenen hervortrat, welche später bei den holländischen Malern so beliebt wurden, und in denen sich eine krause, ausschweifende Einbildungskraft kundgiebt.
Jan van Scorel. Uebrigens verfiel auch Holland bald dem italienischen Einflüsse, und diesem verhalf zur Herrschaft ein Meister, dessen hohe Begabung und Kunstfertigkeit ihn wohl befähigt hätte, eine unabhängige und selbständige Stellung zu erreichen.
Jan van Scorel (1496-1562) hatte zuerst in der Heimat bei verschiedenen Meistern Unterricht genossen, war dann in Nürnberg, wo er von Dürer starke Anregungen empfing, so daß ein Altarbild von 1520 in Obervellach mehr deutsche als holländische Art zeigt. Nach längeren Reisen in Italien und im Morgenlande ließ er sich für längere Zeit in Rom nieder, wo der damalige Papst Hadrian IV., der aus Utrecht stammte, ihm seine besondere Gunst schenkte. In Rom nun gab er unter den Eindrücken der Werke Raphaels u. a. seine eigene heimische Art gänzlich auf, und nach der Rückkehr in die Heimat wurde er der begeisterte Vertreter der römischen Kunstweise. Scorel brachte diese umsomehr zur Geltung, als er selbst mit seiner vorzüglichen Kunstfertigkeit die Bedeutsamkeit derselben ins hellste Licht zu stellen wußte (Fig. 588). Es ist daher begreiflich, daß die minder Begabten um so leichter diese Bahn einschlugen und der «italienischen Mode» huldigten, wobei freilich gar viele in leere und geistlose Nachahmung der Vorbilder verfielen.
Je unerfreulicher aber gegen Ende des Jahrhunderts die künstlerischen Zustände in den Niederlanden sich infolge dieser Abhängigkeit von Italien gestalteten, desto mehr mußte schließlich das Verlangen nach einer Umkehr und Selbständigkeit hervortreten und die Wendung trat denn auch noch vor Ende des Jahrhunderts ein.
***
Frankreich und Spanien. Die Malerei in Frankreich und Spanien zeigt sich auch in diesem Zeitraum noch wenig entwickelt, und es ist sachlich gerechtfertigt, wenn ich das, was hierüber Bemerkenswertes zu sagen ist, im Zusammenhang mit der Schilderung des künstlerischen Aufschwunges behandle, der im 17. Jahrhundert in diesen Gebieten eintrat.