das Geschick dazu verurteilte, des letzteren gewaltigste Schöpfung, «Das jüngste Gericht», verunstalten zu müssen. Da man nämlich an den nackten Gestalten Anstoß nahm, erhielt Daniele den Auftrag, die meisten derselben zu «bekleiden», was ihm den Spottnamen «Hosenmaler» eintrug. Als das hervorragendste Werk des Künstlers gilt die «Kreuzabnahme» in Rom, welches jedoch von den anderen so sehr absticht, daß die Annahme einer weitgehenden Mithilfe Michelangelos sehr gerechtfertigt erscheint. Für Danieles Eigenart erscheint daher der «bethlehemitische Kindermord» mehr bezeichnend; in den gewaltsamen heftigen Bewegungen läßt sich unschwer erkennen, wie der Schüler die Formenkunst des Meisters aufgefaßt hat, er sucht sie nachzuahmen und verfällt bereits in Uebertreibung.
Giulio Romano. Von den Mitarbeitern Raphaels eigneten mehrere sich derart dessen Richtung an, daß sie jegliche Selbständigkeit ganz und gar einbüßten, wie Francesco Penni und Pierino del Vaga. Der Hauptschüler des Meisters war Giulio Pippi, genannt Romano (1493-1546), der die Kunstweise Raphaels wenigstens in den Aeußerlichkeiten am glänzendsten vertrat. An den letzten Werken Raphaels hatte er in bedeutendem Maße mitgearbeitet und sich dabei eine außerordentliche Gewandtheit und Fertigkeit erworben. In ihrem inneren Wesen waren jedoch Beide grundverschieden, das feinsinnige Schönheits-
^[Abb.: Fig. 555. Sebastiano del Piombo: Fornarina.
Florenz. Ufficien.]
gefühl Raphaels fehlte dem Giulio Romano, der vielmehr zur Derbheit und zu einer manchmal geradezu gemeinen Auffassung neigte. Diese tritt besonders in einigen Wandgemälden des Palazzo del Te zu Mantua hervor, in welchen das sinnlich Lüsterne in abstoßender Weise sich geltend macht. Auch wird er bisweilen flüchtig und selbst in der Farbengebung legt er zu wenig Gewicht auf schöne Abtönung. Vorzüglich ist er in der Schmuckmalerei, hier brauchte es keiner hohen Auffassung und gedanklichen Vertiefung; die Erfindungsgabe, der Schwung der Einbildungskraft und die erworbene Handfertigkeit konnten sich frei entfalten. Auf die spätere Entwicklung der Schmuckmalerei, welche im nächsten Zeitraume eine bedeutende Rolle spielte, nahm unstreitig auch Giulio Romano neben Correggio und Paolo Veronese einen starken Einfluß.
Seine Werke sind ziemlich zahlreich (manche derselben haben auch lange für solche Raphaels gegolten); zu den besten zählen die Gemälde im Herzogsschlosse der Gonzaga zu Mantua, welche den trojanischen Krieg behandeln. In diesen zeigt er seine guten Eigenschaften und erweist sich wirklich als Erbe der Kunst Raphaels; die Farbengebung ist sorgfältig und ebenmäßig, und in den Formen verrät sich ein genaues Studium der Antike.
Gaudenzio Ferrari. Von den Oberitalienern, welche im Allgemeinen der Richtung ihres Gaugenossen Lionardo zu folgen pflegten, schlossen auch mehrere späterhin sich jener Raphaels an. Die Hauptzüge beider Kunstweisen vereinigte zu einem ansprechenden Mischstil Gaudenzio Ferrari (1471-1526), dessen religiöse Bilder voll tiefer Empfindung, maßvoll ruhiger Formsprache und anmutend in der Farbe sind. Der sehr fruchtbare Meister übertraf darin die übrige mailändisch-piemontesische Schule und behauptete mit Recht nach Lionardos Tode den «ersten» Platz.
Die zahlreichen römischen Maler, welche sonst noch zu der Nachfolgeschaft Raphaels gehörten, sind ohne Bedeutung. Meist geistlose Nachahmung, ohne eine Spur von Streben nach eigener Auffassung, brachte die römische Schule bald in einen künstlerischen Verfall, wenn sie auch in alle Welt sich verbreitete und «tonangebend» wurde. Die Handfertigkeit war bei ihr freilich außerordentlich ausgebildet, die Kunstsprache Raphaels beherrschte man, aber dessen Geist war entschwunden.
***
Mailändische Schule. Luini. Wenn man von dem obenerwähnten Ferrari absieht, der zur Gefolgschaft Raphaels gerechnet werden muß, so finden wir unter den Oberitalienern zwar nicht viel bedeutende künstlerische Erscheinungen, aber eine gewisse gediegene
^[Abb.: Fig. 556. Giulio Romano: Raub der Helena.
Mantua. Herzogsschloß.]