nie den Eindruck, daß er sich mit der Formgebung sonderlich abmühte, wie sie denn überhaupt auch nicht stark hervortritt; sie erscheint vielmehr als ein selbstverständliches Ergebnis der Wirkung des wechselnden Lichtes. Die Gegensätze zwischen strahlender Helle und tiefem Dunkel löst er in schönen Einklang auf, und durch die meisterhafte Behandlung der Halbschatten erzielt er die reizvolle Formbildung seiner Gestalten und Gruppen. Bei ihm ist eben das Licht das eigentliche schöpferische und bildnerische Grundwesen, aus dem alles entsteht und in dem auch wieder alles aufgeht.
Die schon erwähnten Kuppelgemälde (1520-30) hatten seinen Ruhm begründet, und sie zeigen auch ebenso seine vollendete Kunstfertigkeit, wie seine unversiegliche Erfindungsgabe. Die volle Höhe seiner Kunst erreicht er jedoch in seinen Tafelbildern, unter welchen die beiden, als «Tag» und «Nacht» bezeichneten - «Anbetung der Hirten» und «Madonna mit dem hl. Hieronymus» - den ersten Rang einnehmen. Wie ich bereits hervorhob, ist diesen Andachtsbildern ein Zug von sinnlichem Reiz eigen, welcher im Grunde zu den Vorwürfen der Darstellung nicht ganz stimmt.
Seiner Natur entsprachen auch mehr weltliche Stoffe, vor allem jene des antiken Sagenkreises, und in solchen Bildern entwickelt er seine unübertroffene Meisterschaft in der Verklärung des rein Sinnlichen, welches bei der äußersten Kühnheit dennoch nicht schamlos wirkt, wenn man nur selbst mit unbefangenem reinen Sinn diese Darstellungen betrachtet, in welchen der Künstler eben nur das Natürliche verherrlichen will. Die Absicht des «gemeinen Sinnenkitzels» tritt beispielsweise bei Giulio Romano (in den Gemälden des Palastes del Te) viel aufdringlicher zu Tage, von späteren Nachahmern ganz zu schweigen.
Venedig. Giovanni Bellini hatte der venezianischen Malkunst bereits jene Richtung vorgezeichnet, in welcher sie ihre besondere Eigenart am schönsten entfalten sollte. Er war jedoch immerhin mehr noch vom allgemeinen Geiste seiner Zeit beeinflußt, als von dem besonderen der Heimat; vertiefte Auffassung und inniges Empfinden wie auch religiöse Stimmung sind bei ihm noch wesentliche Grundzüge, denen er das rein Malerische in Form und Farbe, wenn schon nicht unterordnet, so doch auch nicht überordnet.
Der schöne Einklang von Inhalt und Form einerseits, wie in den Ausdrucksmitteln andererseits, kennzeichnet seine Kunstweise und verschaffte derselben die unbedingte Vorherrschaft in Venedig. Aus Bellinis Schule ging denn auch fast das ganze Künstlergeschlecht hervor, welches im 16. Jahrhundert in der Lagunenstadt wirkte. Von den zahlreichen Schülern brachten es allerdings die meisten nicht weiter, als daß sie in der Art des Meisters mit mehr oder weniger Geschick arbeiteten, und dabei in den schwächeren Eigenheiten mehr befangen blieben, als daß sie die eigentlichen Vorzüge ausbildeten. Rocco Marconi und Lorenzo Lotto zählen noch zu den bedeutenderen dieser Gruppe, welche zu keiner selbständigen Eigenart gelangte.
^[Abb.: Fig. 539. Correggio: St. Bernhard.
(Teilstück von dem Kuppelgemälde.) Parma. Dom.] ¶
Letzterer hat wenigstens das Verdienst, daß er bei seinem unsteten Wanderleben die venetianisch-bellinische Art über die heimatlichen Grenzen hinaustrug, obwohl er selbst dabei sich derselben mehr entäußerte und anderen Einflüssen unterlag.
Den Weg zur vollen Höhe der Kunst beschritten dagegen drei Meister, die von dem Lehrer nur die Fertigkeit annahmen, sonst aber ganz ihrem eigenen Kunstgeiste folgten. Es sind dies Giorgio Barbarelli, genannt Giorgione (1477-1511), Giacomo Palma il Vecchio (1480-1528) und Tiziano Vecelli (1477-1576). Diese waren es, welche die venetianische Malerei zur reinen Farbenkunst entwickelten, bei welcher nicht mehr die Form als Trägerin des malerischen Gedankens erscheint, sondern diese Aufgabe ausschließlich der Farbe zufällt; letztere mit ihren Tönungen die zeichnerischen Linien, die Umrisse, auflöst und so die ganze Körperlichkeit allein durch ihren Glanz zur sinnfälligen Erscheinung bringt.
^[Abb.: Fig. 540. Correggio: Maria und Heilige.
(Teilstücke von dem Kuppelgemälde.) Parma. Dom.] ¶