Mannigfaltigkeit der Zierformen-Gestaltung das Höchste zu leisten gestattete. Man hat für diesen Stil, welcher gotische Züge mit maurischen und antiken meist in geistreich kühner Weise vermengt, die Bezeichnung Goldschmiede- oder Plateresken-Stil (spanisch platero - Goldschmied) erfunden, weil die Bauten so üppig reich an Verzierungen sind, wie die getriebenen Prunkstücke der Goldarbeiter.
Als erster Meister der neuen Richtung ist Enrique de Egas zu betrachten, der schon um 1480 in Valladolid zwei Klosterbauten
aufführte, deren Säulengänge jene obenerwähnte Mischung zeigten: wir finden gedrehte Säulen, die Vorderseite der
Bogen
als Laubgewinde behandelt, die
Bogen-Zwickel mit maurischen Ziermustern bedeckt, kurz ein fast abenteuerliches, aber
wirkungsvolles Spiel der Einbildungskraft im Schmuckhaften. In der Zeit
von 1500-1530 entstanden an verschiedenen Orten -
Toledo, Salamanca, Leon, Sevilla u. v. a. -
Bauten in dieser Art, auf welche jedoch nicht näher eingegangen werden kann.
Klosterhof in Toledo. Haus des Pilatus. Besser als Worte können über die Eigenart und Entwicklung dieses spanischen Stiles einige Beispiele Aufschluß geben. - Der Hof des Franziskaner-Klosters San Juan de los Reyes in Toledo, der in dem Jahre 1476 begonnen wurde, zeigt noch im wesentlichen die gotischen Grundzüge in den Pfeilern und Strebepfeilern, in Fialen und Maßwerk (siehe Fig. 298). Doch ersieht man bereits die Umbildung; der Spitzbogen wird im Erdgeschoß durch Rundbogen ersetzt, im Obergeschoß tritt uns eine ganz eigentümliche Zusammensetzung von flachgeschweiften und rundbogigen Teilen entgegen.
^[Abb.: Fig. 503. Paulskirche in Valladolid.] ¶
Man vergleiche nun damit den Hof des sogenannten «Hauses des Pilatus» (Fig. 502), eines adeligen Palastes aus dem Jahre 1533, und man wird die Bahn erkennen, in welcher sich die weitere Entwicklung vollzog. Die Bogenstellungen sind im Geiste der Renaissance gehalten, das Geländer im Obergeschoß hat noch Anklänge an die Gotik, die Ziermuster auf den Kämpfern und in den Zwickeln bestehen aus Linienwerk nach maurischer Art.
Paulskirche in Valladolid. Universität von Alcalá de Henares. Nicht minder deutlich ersieht man die Vermischung verschiedener Grundzüge an der Schauseite der Paulskirche in Valladolid (Fig. 503). Der Thoreingang hat einen geschweiften Spitzbogen, die Thorhalle einen flachgedrückten Bogen. Der obere Teil der Schauseite ist in fünf Geschosse wagrecht gegliedert, in den zwei unteren herrscht noch das gotische Schmuckwerk vor, in dem oberen finden sich neben demselben Bildungen der Renaissance.
Diese treten bereits überwiegend auf in der ungemein reizvollen Schauseite der Universität von Alcalá de Henares; die Fenster sind geradlinig abgeschlossen und haben Giebelaufsätze, Wandpfeiler und Säulen sind ganz im Sinne der Renaissance gestaltet (Fig. 504).
Escurial. Um das Jahr 1530 machte sich das Streben nach größerer Einfachheit und strengerer Berücksichtigung der reinen antiken Formen geltend, um das Baugefüge wirkungsvoller hervortreten und nicht ganz vom Schmuckwerk erdrücken zu lassen.
Die maßgebenden Meister dieser Richtung waren Juan de Toledo und dessen Schüler Juan de Herrera, welche den im Jahre 1563 begonnenen Bau des Klosters S. Lorenzo in Escurial ausführten.
Dieses Riesengebäude, ein Rechteck von etwa 200 m Breite, 185 m Tiefe, hat an der Vorderseite zwei hohe (viereckige) Ecktürme, einen großen Thorbau mit Vorhalle, und zwischen diesem und den Türmen noch je einen Pavillon. Die Kirche steht innerhalb des Rechtecks und ist ganz in antikem Geiste gehalten, hat dorische Säulen, Tonnengewölbe und Kuppeln. (Die Abbildung Fig. 505 giebt die Ansicht des einen Hofes mit einem Teil der Kirche.)
Diese strengere Richtung behauptete längere Zeit
die Herrschaft, zu Ausgang des 16. Jahrhunderts räumte sie jedoch das
Feld vor der in Frankreich und Italien aufge-
^[Abb.: Fig. 504. Universität in Alcalá de Henares.] ¶