krochen, bei dem sich Michelangelo auf die Seite der Florentiner, also gegen seine Auftraggeber stellte und die Leitung der Befestigungen der Stadt übernahm. Im Jahre 1524 wieder aufgenommen, blieb das Werk schließlich 1527 ganz liegen, nachdem zwei Grabmäler fertig waren, die später ohne Michelangelos Zuthun in der von ihm erbauten Mediceischen Grabkapelle aufgestellt wurden. Nach seiner endlichen Rückkehr nach Rom begann die Weiterarbeit am Juliusgrabe, nach neuen, schon wesentlich eingeschränkten Entwürfen, das endlich im Jahre 1545 in ganz verringerter Gestalt beendet und in S. Pietro in Vincoli aufgestellt wurde. Inzwischen war noch das größte Wandbild Michelangelos, das jüngste Gericht, an der Altarwand der Sixtinischen Kapelle entstanden (1543). Dann begann die Thätigkeit als Baumeister an der Peterskirche und anderen römischen Bauten, die ihn bis an sein Lebensende hauptsächlich beschäftigten.
Aus seiner Jugendzeit sind nur Werke der Bildnerei erhalten und zwar zweierlei Art, die das Ringen nach selbständiger Ausdrucksweise erkennen lassen und zum Teil eine solche auch schon erweisen. Die eine Art sucht antike Gedanken wiederzugeben, wie ein hocherhabenes Flachbild, einen Kentaurenkampf darstellend, und der in Rom 1499 entstandene trunkene Bacchus. Auch gehört dazu, zwar nicht dem Stoff, aber der Auffassung nach, ein jugendlicher Johannes im Berliner Museum, bei welchem die Urheberschaft Michelangelos jedoch nicht ganz sicher ist.
Die andere Reihe wird durch biblische Stoffe vertreten, und hier folgt er mehr Florentiner Anschauungen, obwohl er darin noch viel selbständiger erscheint. - Als erstes Werk dieser Art ist die «Madonna an der Treppe» (Fig. 466) zu nennen, die eine Weiterbildung in der etwas späteren «Madonna mit dem Buche» erfuhr.
Das Hauptwerk ist jedoch die bereits vorerwähnte Pietá in S. Peter in Rom. Diese drei Werke sind für Michelangelos Madonnenauffassung bezeichnend. Aus der keuschen Jungfrau, der strahlenden Himmelskönigin, der Florentiner Patrizierin und dem schlichten Weibe Donatellos ist bei ihm die Mutter Gottes in wahrstem Sinne, das über das Menschliche hinaus erhobene, begnadete Weib geworden. Auf den beiden Flachbildern blickt sie mit dem Ausdruck einer Seherin geradeaus, der Ernst des streng geschnittenen Gesichts wird durch keinen freundlichen Zug gemildert.
Das Streben nach möglichst geschlossenem Aufbau, nach gedrängtem Ausdruck spricht sich in der Zusammenhaltung der Linien aus, welche bei dem zweiten Flachbilde noch durch das engumgrenzende Rund verstärkt wird. Die Darstellung des Kindes hat sich ebenfalls geändert; während es bei der «Madonna an der Treppe» noch auf den Armen ruht, wird es jetzt älter dargestellt, so daß es nicht mehr getragen werden kann, sondern neben der Mutter steht oder sich dicht an sie schmiegt, wie in der Madonna zu Brügge. Die Mutter hält den Sohn erst wieder, als er, tot vom Kreuze genommen, in ihrem Schoße ruht: das ist der Inhalt der Pietá. So hatte noch kein Künstler vor ihm diesen Vorgang aufgefaßt und darzustellen verstanden. Der tiefste Schmerz konnte nicht ergreifender verdeutlicht werden, als es hier
^[Abb.: Fig. 467. Michelangelo: Sklave.
Paris. Louvre.] ¶
geschieht, und doch ist alles so maßvoll, ohne jede äußerliche heftige Bewegung. - Zeitlich gehören die schon besprochene «Madonna mit dem Buche», wie jene zu Brügge hinter das folgende Werk, mit dem die Reihe der Jugendwerke abschließt: dem «David». Dieser vertritt jedoch eine ganz andere Seite Michelangelos: das Ringen mit der Form, um in dem Ganzen des Körpers das Seelische, die innere Bewegung des Geistes und Gemütes zum Ausdruck zu bringen.
Der Körper des David zeigt die Ungelenkheit, die der männlichen Jugend anhaftet. Die Hände und Füße sind groß, wie sie schon Verrocchio in seinem David bildete. Es ist der Augenblick vor dem Wurf gewählt, in dem David, den Angriff des Riesen erwartend, in ruhigem, selbstbewußtem Kraftgefühl die Schleuder in Bereitschaft hält. Im Gesicht prägt sich ruhige, abwägende Entschlossenheit aus. Vom Standpunkte der Handfertigkeit aus ist der David insofern ein Kunststück, als er aus einem, zum Teil schon von einem anderen Künstler und für eine andere Arbeit behauenen Marmorblock gemeißelt wurde.
Den letzten Schritt zur Vollendung machte Michelangelo in den Bildwerken für das Juliusgrab, die etwa 1512 in Rom in Angriff genommen wurden. Nach dem ursprünglichen Plane wollte Michelangelo ein Werk schaffen, welches an Gewaltigkeit ebenso alle Bildnerei übertreffen sollte, wie die Peterskirche alle Bauten. Das Grabmal war als freistehender Bau mit mehreren Geschossen gedacht. Am unteren Teil sollten gefesselte Gestalten - die «Sklaven» - die eroberten Provinzen verkörpern, den Oberbau neben dem knienden, von zwei Engeln gehaltenen Papste sinnbildliche und biblische Gestalten und die Madonna schmücken. Im ganzen waren über 40 Standbilder, abgesehen von den Flachbildern, in Aussicht genommen. - Von all dem Geplanten wurde nur ein Bruchteil fertig, von dem auch nur das Standbild des «Moses» an dem Denkmal in seiner heutigen Gestalt Verwendung fand.
Man kann sich einen ungefähren Begriff von der Großartigkeit der Anlage machen, wenn man bedenkt, daß diese Gestalt für das Obergeschoß bestimmt war. Der Moses ist wohl die großartigste Schöpfung Michelangelos; er ist in dem Augenblick heftigster innerer Erregung dargestellt, in welchem er die Anbetung des goldenen Kalbes erblickt und aufspringen will, um seinem ungeheuren Zorn Luft zu machen, welcher die ganze Gestalt von der Stirne bis zu den Fußspitzen durchdringt. Es ist die Leidenschaftlichkeit eines «Ueber-
^[Abb.: Fig. 468. Michelangelo: Grabmal des Lorenzo Medici.
Florenz. S Lorenzo.] ¶