Die Bildnerei Venedigs hatte sich im 15. Jahrhundert allmählich aus den Fesseln der Gotik zu lösen begonnen, und in vielen Werken, die sich zwar äußerlich an die üblichen gotischen Bauformen anschlossen, jedoch schon im Geiste der Frührenaissance erdacht waren, den Boden für die neue Kunst vorbereitet.
Der bedeutendste Künstler dieser Zeit
ist Bartolomeo Bon (Buono), der 1483 den Schmuck der Porta della
Casa des Dogenpalastes schuf und in diesem, wie in anderen Werken - meist Grabmälern - die Ueberleitung zur Renaissance
vollzog. Der erste, welcher auf die gotischen Formen durchaus keine Rücksicht mehr nahm, war Antonio Rizzo. Sein bestes
Werk ist das Standbild
Adams am Dogenpalast, während die Eva ziemlich unbeholfen und unfrei gebildet
ist; bemerkenswert sind diese Figuren als zwei der wenigen nackten Gestalten der Frührenaissance. Auch
das erste Renaissance-Grabmal, das des Dogen Tron, wird ihm zugeschrieben.
Mit Rizzo gleichzeitig
thätig war der Begründer der Künstlerfamilie
Lombardi: Pietro Lombardo, dessen
Bedeutung jedoch auf dem Felde der Baukunst liegt. Die venezianische Prachtliebe stellte der Bildnerei hauptsächlich die
Aufgabe, den Schmuck für die zahlreichen Dogen- und Patriziergräber, für Altäre und Kanzeln, überhaupt für Bauten zu
liefern.
Die Hauptwerke der Lombardi sind deshalb auch Grabmäler, bei welchen die Verbindung von Bauformen mit rein bildnerischen in meisterhafter Weise durchgeführt wurde, wie dies besonders schön das Grabmal des Dogen Mocenigo in S. Giovanni e Paolo zeigt (Fig. 463).
Die Söhne Lombardos, Tullio und Antonio, suchten durch eindringliches Studium der Antike die venezianische Bildnerei in neue Bahnen zu leiten und fanden darin in Alessandro Leopardi - dem Vollender des Colleoni-Denkmals - Unterstützung. Auch ihre gemeinsame Thätigkeit bestand zumeist in der Ausführung von Grabmälern, deren schönstes das Grabmal des Dogen Andrea Vendramin in S. Giovanni e Paolo ist (Fig. 464). Von Leopardi stammen auch die schönen Flaggenständer auf dem Markusplatz.
Im Wesentlichen war also die venezianische Bildnerei Zierkunst, und so ist es erklärlich, daß auch Jacopo Sansovino weniger mit selbständigen Bildwerken hervortrat und sich mehr darauf beschränkte, seine Bauten mit reichem bildnerischen Schmuck zu zieren. Das reizendste Werk dieser Art sind vielleicht die Flachbilder und Einzelfiguren der Loggetta, die besten größeren Werke die Standbilder des Mars und Neptun an der Riesentreppe im Hof des Dogenpalastes.
Die einflußreiche Stellung, welche Sansovino - vor allem als Baumeister - einnahm, führte zu einer ansehnlichen Gefolgschaft, doch sind nur zwei: Girolamo Campagna und Alessandro Vittoria von größerer Bedeutung.
^[Abb.: Fig. 464. Leopardi: Grabmal des Dogen Vendramin.
Venedig. S. Giovanni e Paolo.] ¶
^[Abb.: Moses, von Michelangelo.
Vom Grabmal Julius II. in S. Pietro in Vincoli, Rom.] ¶