Das größte Werk seines Lebens schuf Donatello während seines Aufenthaltes in Padua in dem Reiterstandbilde des Gattamelata, womit er wieder etwas durchaus neues brachte; denn an eine Nachahmung römischer Reiterbilder wird man nicht denken können, wenn man sieht, wie er jene an Naturwahrheit und Gefallsamkeit übertroffen hat (Fig. 442).
Das Liebliche und Zarte fand in Donatello keinen Schilderer; selbst nicht in seinen Kinderdarstellungen (z. B. in seinem berühmten Kinderfries) (Fig. 443), vielleicht mit Ausnahme des reizenden kleinen Bronze-Amors in Florenz.
Bezeichnend überhaupt ist für Donatello, daß er das Hauptgewicht auf die Ausbildung der körperlichen Erscheinung legt, und darum gelingt ihm der Ausdruck solcher innerer Vorgänge am besten, welche sich im Aeußeren kräftig kund geben. (So drückt er das Schwärmerische der Büßer durch skelettartige Magerkeit aus.) Das Seelische, feinere Gefühle und Stimmungen, vermag seine Formensprache noch nicht klar wiederzugeben.
Die Robbia. Die Kunst nach dieser Seite zu ergänzen fiel den Robbia zu. Der Ruhm dieser Künstlerfamilie wurde hauptsächlich durch eine besondere Gattung von Werken, nämlich die farbig glasierten Flachbilder aus gebranntem Thon verbreitet. Luca della Robbia hatte die Anwendung der farbigen Glasur (anstatt der Bemalung) erfunden, deren Feinheit die Durchbildung auch der zartesten Formen gestattete, während ihre Unverwüstlichkeit ein weiterer, nicht geringer Vorzug war.
Den Hauptinhalt der Darstellungen bildete die Madonna, das Kind im Arm haltend oder es anbetend. Diese Werke erscheinen zumeist anspruchslos und dienten vornehmlich schmuckhaften Zwecken; aber gerade diese maßvolle Einfachheit, das Gefühl für den rein-bildnerischen Stil erhöht ihren Wert; auf malerische «Wirkung» wird ebenso verzichtet, wie auf Gestalten-Fülle und reiche Bewegung. Aus innigem Naturgefühl auch eine innige religiöse Stimmung zu entwickeln, darin lag ihre Aufgabe und ihr Reiz.
Der Begründer dieser Schule war Luca della Robbia, welcher zwar Donatellos alles bezwingende Kraft nicht besaß, dafür aber mit seinem Sinn seine Fähigkeiten nach der vorhin gekennzeichneten Seite auszubilden verstand. Ich gebe hier als Proben ein Gegenstück zu Donatellos Kinderfries, ein Flachbild von der Sängertribüne (für den Dom zu Florenz bestimmt, jetzt im Museum dell' Opera), und eine Madonna mit Kind (Fig. 444 u. 445).
Der feinsinnigste Vertreter der Robbia-Schule ist Andrea, der Neffe Luccas, welcher über die ausgereifte, von edelstem Schönheitsgefühl durchdrungene Formgebung des Cinquecento bereits verfügt. Obwohl dieser mit größerer Vervollkommnung in der Stoffbehandlung sich auch an größere Aufgaben wagt, sind doch seine kleineren Werke die besten. Dazu gehören z. B. die Wickelkinder von der Halle des Findelhauses in Florenz (Fig. 446), ein Werk, welches wohl an Anmut nicht zu übertreffen ist. Von seinen größeren Arbeiten gebe ich hier noch die Heimsuchung als Gegenstück zu Donatellos Verkündigung, welche die Verschiedenheit und doch auch vorhandene Aehnlichkeit beider Meister zeigen soll (Fig. 447).
^[Abb.: Fig. 457. Rustici: Predigt des hl. Johannes.
Florenz. Taufkapelle.]
Zeitgenossen und Nachfolger Donatellos. Neben diesen Großen sind in Florenz natürlich auch zahlreiche, weniger bedeutende Meister thätig, von welchen wohl hier und da einer durch ein bedeutenderes Werk hervorragt, doch ist keiner darunter, welcher für die Entwicklung der Kunst nach den Thaten Donatellos Bedeutung hat. Zu nennen wäre Agostino di Duccio (1418-81), welcher die alte Weise mit den neuen von Donatello ausgehenden Anregungen zu beleben suchte und auch stark von der gleichzeitigen Malerei sich beeinflussen ließ (Fig. 448).
Von Donatello und Luca della Robbia ging eine so gewaltige Strömung aus, daß selbst die fertigen Meister sich ihrem Einfluß nicht entziehen konnten, wie viel weniger die werdenden! Es bildete sich denn auch um beide eine Gefolgschaft, welche jedoch nur bei Donatello zu eigentlichen Schülern führt; der Kreis Luccas beschränkte sich mehr auf die Familie. Dabei findet gewissermaßen ein Ausgleich zwischen den Gegensätzen beider Meister statt, indem sowohl das Kraftvolle des einen, wie die Milde des anderen auf beide Schulen Einfluß hat. So kommt es, daß selbst Donatellos Schüler etwas mehr Anmut und Weichheit in ihren Werken zeigen, als ihr großer Meister besaß.
Erzbildner. Pollajuolo. Zugleich trat eine Scheidung nach den Arbeitsstoffen in Bronze- und Marmorbildner ein, wobei die Ersteren mehr von der Strenge Donatellos beibehielten. An der Spitze der Bronzebildner stehen Antonio Pollajuolo (1429-1498) und Andrea del Verrocchio (1435-1488) beide ursprünglich Goldschmiede. Pollajuolo hat wenig Werke hinterlassen, die bedeutendsten sind die Erzgruppe des Hercules und Antäus (im Museum zu Florenz) (Fig. 449), die Grabmäler der Päpste Sixtus IV. (1493) und Innocenz VIII. (wenig später) in St. Peter zu Rom (Fig. 450).
Verrocchio. Bedeutender und fruchtbarer war Verrocchio, dem es vorbehalten war, die Kunst Donatellos auf die höchste Stufe zu bringen, indem er zur Naturtreue und meisterhaften Stoffbehandlung die Schönheit und Beseelung der Darstellung hinzufügte. Aus seiner ersten selbständigen Zeit ist eine kleine Brunnenfigur (Knabe mit Delphin) zu nennen; sein erstes bedeutendes Werk ist der David (Fig. 439).
^[Abb.: Fig. 458. Sansovino (Contucci): Taufe Christi.
Florenz, Taufkapelle.]
Um dem Leser das Vergleichen zu erleichtern, stelle ich diesen David dem des Donatello gegenüber. Während bei letzterem die Linien des Körpers weich sind und in einander fließen, die gerundeten Formen wohl einem zarten Körper, aber nicht gerade dem eines Knaben entsprechen - ich erinnere hierbei an die mädchenhaften Formen bei Praxiteles - betont Verrocchio das Eckige des in der Entwicklung begriffenen Knabenkörpers. Bei Donatellos David finden wir im Gesicht einen sinnenden Zug und lässige Körperhaltung - bei Verrocchio ein leichtes, spöttisches Lächeln und in der Haltung kecken Trotz; alles Zeugnisse für tiefere geistige Erfassung des Dargestellten.
Auch in anderen freistehenden Werken zeigt sich dieses gründlichere Erfassen, dieses stärkere Betonen der sinnlichen Zustände - wie z. B. in der Gruppe «Christus zeigt Thomas die Wundmale» - wobei er wieder einen Schritt weiter geht, indem er zum ersten Male in der Renaissance in bedeutsamer Weise zwei freistehende Gestalten zu einer auch innerlich zusammenhängenden Gruppe vereint. Ein feiner Zug ist es, wenn er die Hauptrolle des Heilands dadurch andeutet, daß er ihn auf eine Stufe, also etwas erhöht, und nach vorn gewendet stellt (Fig. 451).
Den schönsten Ausdruck findet Verrochios Kunst, was Wiedergabe der ganzen Eigenart und des innerlichen Gehalts einer Persönlichkeit in äußeren Zügen und Haltung anbelangt, in seinem letzten Werke, dem Reiterstandbild des Colleoni (Fig. 452). Auch hierbei ermöglicht wohl die Gegenüberstellung mit dem Gattamelata des Donatello am besten die Erkenntnis der Verschiedenheit beider Meister, welche sich bei dem Werk Verrocchios zugleich als ein Fortschritt darstellt. Die Beziehungen zwischen Roß und Reiter sind enger; das Pferd scheint Kraft zu einem Sprunge zu sammeln, zu welchem sein sich straff im Sattel und Bügel aufrichtender Herr es zwingen will. Mit diesem Werk, einem der herrlichsten Reiterbilder der Erde, beschloß Verrocchio seine Thätigkeit. Noch vor der Aufstellung des Standbildes starb er 1488 in Venedig.
Marmor-Bildner. Die Gruppe der Marmorbildner zählt zu ihren Mitgliedern Desiderio da Settignano (1428-1464) mit seinen Schülern Mino da Fiesole (1431 bis
^[Abb.: Fig. 459. Sansovino (Contucci): Grabmal des Kardinals Askanio Sforza.
Rom. S. Maria del Popolo.]
1484) und Matteo Civitale, welche mehr dem Donatello zuneigen, während Bernardo (1409 bis 1464) und Antonio Rosselino (1427-1478) und Benedetto da Majano (1442 bis 1497) etwas stärker von Luca della Robbia abhängig sind. Es sind durchwegs tüchtige Künstler, und besonders ist Desiderio auch für die Weiterbildung der Florentiner Bildnerei von großer Bedeutung, doch eine so ausgesprochene persönliche Eigenart, wie Verrocchio, besitzt keiner von ihnen, so daß ein näheres Eingehen nicht notwendig ist. Ich begnüge mich daher mit der Nennung einiger Hauptwerke.
Diese sind meist reich geschmückte Grabdenkmale und Zierwerke für Bauten, wie das Grabmal Marsuppini in S. Croce zu Florenz von Desiderio (Fig. 453). Von diesem stammt auch eine fein empfundene Mädchenbüste im Berliner Museum. - Von Bernardo Rossellino ist das Grabmal des Lionardo Bruni, ebenfalls in S. Croce; von Antonio, dem Bruder Bernardos, das Grab Johannes von Portugal in S. Miniato und das Standbild des heiligen Sebastians in Empoli zu nennen. Von Benedetto da Majano wären die Kanzel von S. Croce mit kleinen Standbildern und Flachbildern, dann das in Aufbau und Feinheit der Ausführung vollendet schöne Ciborium in Siena (Fig. 454), das Marmorgrab Strozzis in S. Maria Novella zu Florenz und die bemalte Thonbüste Philippo Strozzis (Berliner Museum) hervorzuheben. In Terracotta-Arbeiten zeigt sich Benedetto den Robbias ebenbürtig; ja in sorgfältiger Bildung der Einzelheiten vielleicht sogar überlegen.
Verbreitung der florentinischen Kunst. Es war die Bestimmung der toskanischen Hauptstadt Florenz, in der ganzen Zeit der Frührenaissance die Führerin zu sein. Ihrem Einfluß entzog sich keine Landschaft Italiens gänzlich und selbst deutsche Künstler erhielten - durch Vermittlung oberitalienischer Genossen - von ihr Anregung.
In Padua war es Donatello selbst, welcher während seines zehnjährigen Aufenthaltes daselbst der Bildnerei den Weg in die neue Zeit wies. Unter seinen dortigen Schülern sind Giovanni da Pisano und Andrea Riccio zu nennen. - Bologna wurde zunächst mittelbar durch den Sienesen Jacopo della Quercia (1371-1438) beeinflußt, welcher
^[Abb.: Fig. 460. Sansovino (Contucci): Die hl. Jungfrau und die hl. Anna.
Rom. S. Agostim.]
als Zeitgenosse Ghibertis zu jenen gehörte, welche den Uebergang zu der neuen Richtung anbahnten. (Er war auch Mitbewerber um die Erzthüren.)
Lucca besaß in Matteo Civitale (1435-1501) einen Meister, dessen Arbeiten sich durch ungemeine Lieblichkeit und Innigkeit des Ausdrucks auszeichnen. In Modena findet sich wieder ein Künstler, welcher den allgemeinen Durchschnitt des künstlerischen Wollens und Könnens etwas überragt: Guido Mazzoni. Sein Hauptwerk, eine Thongruppe der Beweinung Christi, zeigt seine Fähigkeit für naturwahren Ausdruck, doch fehlt der innere Zusammenhang, es spiegelt kein wirkliches Leben sich wieder und die Gruppe wirkt deshalb wie das geschickt gestellte Schlußbild eines Schauspiels (Fig. 455).
In der Lombardei gab die Certosa von Pavia seit 1473 einem Kreise von fremden Künstlern Gelegenheit zur Entfaltung ihrer Kräfte, von welchen dann auch die heimischen Künstler der Umgebung Schulung und Anregung empfingen. Die Hauptthätigkeit bestand in Schmuckwerk, namentlich in Flachbildnerei, dessen ja dieser Bau in Menge bedurfte. Ein unmittelbarer Einfluß von Florenz aus fand nicht statt, sondern mehr eine Mischung der durch viele Vermittler hierher gelangten Formen mit deutschen Zügen, wie es in einer Grenzlandschaft leicht möglich war.
Den meisten Eindruck macht das Hauptportal, das auch schon in baulicher Hinsicht bemerkenswert ist. Die Kreuzgänge der beiden Klosterhöfe sind mit reichem Bildwerk aus gebranntem Thon ausgestattet. Da an der Ausschmückung der Certosa vom 15. bis in die zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts gearbeitet wurde, läßt sich hier die Entwicklung der lombardischen Bildnerei am besten verfolgen (Fig. 456).
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Die Bildnerei im 16. Jahrhundert. In dem eifrigen Bemühen, die Natur genau zu erfassen und sie «wahr» wiederzugeben, hatte die Bildnerei auch die Fähigkeit erworben, über die Natur hinauszugehen und «frei» zu schaffen. Sie gelangt dabei auch zur vollen Unabhängigkeit, sowohl von der Baukunst wie von den malerischen Einflüssen, und findet ihren ureigenen «Stil», oder deutlicher gesagt: die eigenen Gesetze der Kunstweise, wie sie der Stoff, aus dem die Werke bestehen, und die besonderen Verhältnisse - greifbare Körperlichkeit im freien Raume - sie bedingen.
Aus der früheren Zeit übernahm man deren größten Vorzug: die Gedankentiefe, und fügte nur die Vollendung der Form hinzu. Die infolge der planmäßigen Ausgrabungen jetzt zahlreich zu Tage getretenen Werke der Antike förderten diese Ausbildung in der Formgebung; der ganze Zug der Zeit wies auf das Große und Erhabene hin. So entwickelte sich eine «ideale» Richtung, welche in den ersten Jahrzehnten des Cinquecento herrliche Schöpfungen erzeugte, bei denen der gedankliche Gehalt nicht mehr blos in den der Natur abgelauschten, sondern in nach einem gedanklichen Urbild veredelten Formen großartigen Ausdruck erhielt. Dieses Hinausgehen über die gewöhnliche Natur giebt sich auch kund in der äußerlichen Größe der Werke, man liebt es, in überlebensgroßen Formen zu schaffen.
Diese Blütezeit währte freilich nicht lange. Die Beschäftigung mit der Antike verleitete zur bloßen äußerlichen Nachahmung, die errungene Beherrschung der Formensprache zu Künsteleien, das Streben nach einem Schönheitsurbild zur Ueberfeinerung und Betonung des Sinnereizenden. Indem man glaubte, der Naturbeobachtung ganz entbehren zu können, verlor man wieder den festen Boden, auf dem sich der reine und edle Idealismus ent-
^[Abb.: Fig. 461. Cellini: Perseus.
Florenz. Loggia dei Lanzi.]
wickelt hatte. Der «Wirkung» zuliebe wird die innere Wahrheit geopfert, und zuletzt kommt wieder der «malerische Zug" allenthalben zur Geltung, welcher übrigens in den Flachbildern auch der besten Zeit sich forterhalten hatte.
Dies ist in großen Zügen der Gang der Entwicklung, den die Bildnerei nimmt, seit die Schule Donatellos ihren beherrschenden Einfluß verloren hatte.
Auf denselben wirkte bestimmend der Geist eines vielseitigen Meisters ein, der auf allen Gebieten bahnbrechend auftrat, obwohl die Zahl seiner eigenen Werke gering ist. Dies war Lionardo da Vinci. Seine großartige Schöpfung, das Modell des Reiterstandbildes des Franz Sforza ist freilich zerstört worden, und wir kennen es nur aus Zeichnungen; auch sonst ist kein Bildnereiwerk erhalten geblieben, dennoch ist sein Einfluß auf die Künstler zu Beginn des 16. Jahrhunderts unverkennbar.
Florentinische Meister. Zu diesen zählen auch die zwei hervorragendsten Künstler der Uebergangszeit in Florenz, das noch immer die Hauptpflegestätte der Bildnerei blieb: der Mitschüler Lionardos: Giovanni Francesco Rustici (1474-1554) und Andrea Contucci genannt Sansovino (1460-1529). Neben diesen sind noch Andrea Ferucci (1465-1526), Benedetto da Roverrano (1476-1556) und Baccio da Montelupo (1469-1533) als tüchtige, doch für die Kunstentwicklung weniger bedeutsame Meister zu nennen.
Rustici zeigt in seinen Formen noch die meiste Abhängigkeit von der Art des 15. Jahrhunderts, so daß seine Bronzegruppe, der predigende Johannes zwischen zwei Zuhörern (Pharisäer und Levit), noch ebenso gut zu den Ausläufern der alten florentiner Schule, wie durch die Versuche, den Gestalten mehr inneres Leben zu geben, zu der neuen Richtung gerechnet werden kann. Die Gewandbehandlung ist sehr malerisch, der Ausdruck der Köpfe nähert sich schon dem Großartigen (Fig. 457).
Sansovino. Viel tiefer hatte sich Contucci Sansovino in die neue Ausdrucks- und Empfindungsweise hineingelebt, so daß seine Bronzegruppe: die Taufe Christi durch Johannes schon vollkommen der Hochrenaissance angehört (Fig. 458). Der Unterschied zwischen dem Kunstempfinden der Früh- und Hochrenaissance ist an diesem Werk sehr leicht zu verstehen, wenn man es mit jenem Gemälde Verrocchios vergleicht, das denselben Vorgang darstellt. Die Aehnlichkeit ist wohl keine zufällige, sondern beruht auf bewußter Nachbildung mit der Absicht, den Vorwurf großartiger und freier zu behandeln.
Verrocchio sucht ein möglichst getreues Bild des Vorganges zu geben, Sansovino ein möglichst schönes. Dadurch bekommt das Werk Sansovinos etwas Weihevolles und Erhabenes, es giebt nicht nur einfach die Handlung wieder, sondern sucht auch die Stimmung, die seelische Erregung auszudrücken. Die Neigung zum Idealisieren, die Betonung des «Schönen» giebt sich hier in der Haltung der Gestalten, der Gewandbehandlung, vor allem aber in der Durchbildung des nackten Körpers kund.
Auf Sansovino wirken hier die guten Vorbilder der Frührenaissance noch stärker ein, als jene der Antike; diese lernte er erst genauer kennen, als er 1505 nach Rom kam. Die Grabmäler der Basso della Rovere und Ascanio Sforza (Fig. 459) in S Maria del Popolo, die während seines römischen Aufenthaltes entstanden, lassen
^[Abb.: Fig. 462. Sansovino (Tatti): Bacchus.
Florenz. Nationalmuseum.]
den antiken Einfluß deutlich erkennen, doch hielt Sansovino immerhin Maß in der Anlehnung. Beachtenswert ist hier die Haltung der Standbilder der Tugenden: die eine Schulter ist gehoben und vorwärts gerichtet, während die andere Körperseite zurücktritt. Dieser Zug des «Gegensatzes», welcher schon in der Antike ein maßgebender war, wird jetzt wieder aufgenommen und bald auch zu einer Kunstregel.
Eines der großartigsten Werke der ganzen Zeit ist die Madonnengruppe in San Agostino, in welcher die Anmut vollendet zum Ausdruck kommt (Fig. 460). Den Rest seines Lebens widmete er der Casa santa in Loreto, deren reiche bildnerische Ausschmückung teils von ihm selbst, teils von seinen Schülern nach seinen Entwürfen ausgeführt wurde.
Nachfolger Sansovinos. Die anderen Florentiner Künstler arbeiteten hauptsächlich in Zierwerk; ihre Standbilder sind von geringerer Bedeutung. Auf die späteren wirken auch schon römische Einflüsse Michelangelos ein.
Von den jüngeren Meistern, welche sich mehr Sansovino anschließen, nenne ich Nicolo Pericolo Tribolo (1485-1550), der in Bologna die Seitenthore von San Petronio mit anziehenden, noch die zarte Schönheit Sansovinos atmenden Bildwerken schmückte, und Benvenuto Cellini (1500-1572), dessen unübertrefflich feine Arbeiten der Goldschmiedekunst - so das berühmte Salzfaß in Wien - seinen dauernden Ruf begründeten, während seine größeren Werke, wie der Perseus in Florenz (Fig. 461), noch von einiger Befangenheit zeugen.
Oberitalien und Venedig. In Oberitalien ist der Einfluß der florentinischen Kunstrichtung auch während der Hochrenaissance noch ziemlich bedeutend. Die meisten Künstler verbrachten ihre Lehrjahre in Florenz und nahmen die dortige Weise nach ihren späteren Wirkungsstätten mit. Von größerer Bedeutung war jedoch nur die Bildnerei Venedigs, in den übrigen Städten erhob sie sich nicht über ein gutes Mittelmaß.
In Venedig gelangte ein Schüler Andrea Sansovinos, Jacopo Tatti, der nach seinem Meister ebenfalls Sansovino sich nannte, zu größerer Bedeutung. Aus seiner florentinischen Zeit ist als schönstes Werk der Bacchus (im Museo Nazionale) (Fig. 462) zu nennen, der eine beliebte Darstellung der Antike, doch ohne Anlehnung an diese, wiederholt.
Bald darauf ging Sansovino nach Rom und gelangte 1527 nach Venedig, wohin er gerade recht kam, um die Bildnerei, die in Verfall zu geraten drohte, neu zu beleben.
^[Abb.: Fig. 463. Lombardo: Grabmal des Dogen Mocenigo.
Venedig. S. Giovanni e Paolo.]
Die Bildnerei Venedigs hatte sich im 15. Jahrhundert allmählich aus den Fesseln der Gotik zu lösen begonnen, und in vielen Werken, die sich zwar äußerlich an die üblichen gotischen Bauformen anschlossen, jedoch schon im Geiste der Frührenaissance erdacht waren, den Boden für die neue Kunst vorbereitet.
Der bedeutendste Künstler dieser Zeit ist Bartolomeo Bon (Buono), der 1483 den Schmuck der Porta della Casa des Dogenpalastes schuf und in diesem, wie in anderen Werken - meist Grabmälern - die Ueberleitung zur Renaissance vollzog. Der erste, welcher auf die gotischen Formen durchaus keine Rücksicht mehr nahm, war Antonio Rizzo. Sein bestes Werk ist das Standbild Adams am Dogenpalast, während die Eva ziemlich unbeholfen und unfrei gebildet ist; bemerkenswert sind diese Figuren als zwei der wenigen nackten Gestalten der Frührenaissance. Auch das erste Renaissance-Grabmal, das des Dogen Tron, wird ihm zugeschrieben.
Mit Rizzo gleichzeitig thätig war der Begründer der Künstlerfamilie Lombardi: Pietro Lombardo, dessen Bedeutung jedoch auf dem Felde der Baukunst liegt. Die venezianische Prachtliebe stellte der Bildnerei hauptsächlich die Aufgabe, den Schmuck für die zahlreichen Dogen- und Patriziergräber, für Altäre und Kanzeln, überhaupt für Bauten zu liefern.
Die Hauptwerke der Lombardi sind deshalb auch Grabmäler, bei welchen die Verbindung von Bauformen mit rein bildnerischen in meisterhafter Weise durchgeführt wurde, wie dies besonders schön das Grabmal des Dogen Mocenigo in S. Giovanni e Paolo zeigt (Fig. 463).
Die Söhne Lombardos, Tullio und Antonio, suchten durch eindringliches Studium der Antike die venezianische Bildnerei in neue Bahnen zu leiten und fanden darin in Alessandro Leopardi - dem Vollender des Colleoni-Denkmals - Unterstützung. Auch ihre gemeinsame Thätigkeit bestand zumeist in der Ausführung von Grabmälern, deren schönstes das Grabmal des Dogen Andrea Vendramin in S. Giovanni e Paolo ist (Fig. 464). Von Leopardi stammen auch die schönen Flaggenständer auf dem Markusplatz.
Im Wesentlichen war also die venezianische Bildnerei Zierkunst, und so ist es erklärlich, daß auch Jacopo Sansovino weniger mit selbständigen Bildwerken hervortrat und sich mehr darauf beschränkte, seine Bauten mit reichem bildnerischen Schmuck zu zieren. Das reizendste Werk dieser Art sind vielleicht die Flachbilder und Einzelfiguren der Loggetta, die besten größeren Werke die Standbilder des Mars und Neptun an der Riesentreppe im Hof des Dogenpalastes.
Die einflußreiche Stellung, welche Sansovino - vor allem als Baumeister - einnahm, führte zu einer ansehnlichen Gefolgschaft, doch sind nur zwei: Girolamo Campagna und Alessandro Vittoria von größerer Bedeutung.
^[Abb.: Fig. 464. Leopardi: Grabmal des Dogen Vendramin.
Venedig. S. Giovanni e Paolo.]
^[Abb.: Moses, von Michelangelo.
Vom Grabmal Julius II. in S. Pietro in Vincoli, Rom.]
^[leere Seite]
Von Campagna stammen eine große Altargruppe in S. Giorgio Maggiore her, sowie zahlreiche Bronzebilder der Madonna und der Heiligen in verschiedenen Kirchen Venedigs. Die Uebertreibung in den Bewegungen und die unruhige Gewandbehandlung treten noch stärker bei Vittoria hervor, dessen bestes Werk das eigene Grabmal in S. Zaccaria ist. Neben diesen größeren Arbeiten haben die Genannten auch treffliche Bildnisse geliefert, von denen die besten in das Berliner Museum gelangten.
Michelangelo. Die gesamten Errungenschaften der Zeit: Erfassen der Natur und Erkenntnis der Antike, den hohen Gedankenflug und die volle Herrschaft über die Form, den Kunstgeist und die Kunstfertigkeit finden wir nun vereinigt in den Werken Michelangelos, der in vollster Ursprünglichkeit und Unabhängigkeit, weder Regeln noch Ueberlieferungen beachtend, seinen eigenen Weg ging, der ihn zur einsamen Höhe führte.
Alle Gebiete der Kunst beherrschend, betrachtete er selbst doch die Bildnerei als sein ureigenes Feld, auf dem er seine besten Kräfte ausleben lassen wollte.
Für seine künstlerische Thätigkeit kommen zwei Städte in Betracht: Florenz und Rom, und die verschiedenen Aufenthaltszeiten daselbst sind auch für seinen Entwicklungsgang bezeichnend.
^[Abb.: Fig. 465. Michelangelo: Pietá.
Rom. S. Peter.]
In Florenz verlebte er einen großen Teil seiner Kindheit und empfing dort auch seine künstlerische Bildung, als er 1488 in die Werkstatt des Malers Domeniko Ghirlandajo eintrat. Gleichzeitig begann seine Ausbildung in der Bildnerei durch einen alten Schüler und Gehilfen Donatellos, den Bildhauer Bertoldo, der die Aufsicht über die Antikensammlung im Garten der Medici hatte. So fand er frühzeitig Gelegenheit, neben den Lehren der florentinischen Schule auch jene der Antike in sich aufzunehmen, und diese Doppeleinwirkung macht sich in seinen ersten erhaltenen Arbeiten erkennbar. Die erste florentiner Zeit wurde nur durch einen kurzen Aufenthalt in Bologna unterbrochen und währte bis 1496. In letzterem Jahre kam er nach Rom und schuf hier sein erstes Hauptwerk, die trauernde Maria den toten Christus haltend - die sogenannte «Pietá» (Fig. 465) - und daneben ein der Antike sich anschließendes Werk: den trunkenen Bacchus. Um 1500 erfolgte die erste Rückkehr nach Florenz, wo nun das zweite Hauptwerk, der David, entstand, das den Abschluß seiner Jugendwerke bildet (Seite 467). 1505 folgte Michelangelo dem Wunsche Julius II., der ihn nach Rom zurückberief und ihm den Auftrag zu dem gewaltigsten Werke seines Lebens, dem Grabmal des Papstes, gab. Damit begann die stürmischste Zeit in Michelangelos Leben, zugleich auch die fruchtbarste. Mit dem Papste geriet er ein Jahr nach Beginn der Arbeiten am Grabmale in Streit, der seine Ursache in dem Auftrag hatte, die Decke der Sixtinischen Kapelle mit Gemälden zu schmücken. Michelangelo weigerte sich, die Arbeit zu übernehmen und entfloh nach Bologna.
Nach erfolgter Aussöhnung errichtete er in Bologna ein bald darauf zerstörtes Bronze-Standbild des Papstes und kehrte 1508 nach Rom zurück, wo er nun die Malereien in der Sixtinischen Kapelle begann, die ihn bis zum Jahre 1512 fast ausschließlich beschäftigten. Die Arbeiten am Juliusgrabe stockten während dieser Zeit vollkommen und wurden auch in den folgenden Jahren nicht erheblich gefördert, bis sie durch den Auftrag, einen Entwurf für die Ausschmückung von S. Lorenzo in Florenz zu machen und die Leitung der Ausführung zu übernehmen, ganz unterbrochen wurden. Dieser erneute Florentiner Aufenthalt begann 1515 und währte bis etwa 1527. Florenz verdankt dieser Zeit das zweite Riesenwerk: die Grabmäler der Mediceer. Die Arbeiten daran begannen etwa 1521, wurden aber bald durch den Kampf der Florentiner gegen die Medici unter-
^[Abb.: Fig. 466. Michelangelo: Madonna (an der Treppe).
Florenz. Galerie Buonarotti.]
^[Abb.: Michelangelo: David.
Florenz.]