auch nun die anderen Zweige, Bildnerei und Malerei, vollständig unabhängig von der ersteren geworden sind, so bleiben sie doch stets im Zusammenhange mit ihr und entwickelten sich nur dort zur vollen Blüte, wo auch rege Bauthätigkeit herrscht. Dazu kam, daß gerade die bedeutendsten Baumeister auch zugleich Bildhauer und Erzgießer oder Maler waren und also auch diese Künste an die Orte ihrer Thätigkeit mitbrachten.
Die früher allgemein giltige Abhängigkeit hat jedoch gänzlich aufgehört und die Werke der Bildnerei und Malerei «mit Selbstzweck» treten in den Vordergrund. Das ist so zu verstehen, daß sie zwar auch jetzt noch vorwiegend zur Ausschmückung von Bauten bestimmt sind, aber nicht mehr als sozusagen eingegliederte Teile derselben sich ganz dem baulichen Gedanken anschmiegen müssen, sondern ohne Rücksicht auf diesen gebildet werden und «an und für sich» wirken sollen. Im Gegenteil muß eher der Baukünstler darauf Bedacht nehmen, daß er dem Bildner einen diesem zusagenden Hintergrund schafft.
Florenz. So bildete denn Florenz auch für die Entwicklung der Bildnerei den Mittelpunkt und zwar tritt diese gleichzeitig mit der neuen Baukunst ein, ja sogar etwas früher, da zu der Zeit als Brunellesco die Domkuppel begann, schon einige Werke entstanden waren, welche bereits aus dem neuen Geiste heraus erzeugt wurden. Die Form war aber nicht so rasch gefolgt, diese entwickelte sich langsamer, so daß ein ungeübtes Auge in vielen Gebilden noch nicht Werke der Renaissance erblicken wird.
Brunellesco und Ghiberti. Derselbe Name, mit dem die Entwicklung der Baukunst verknüpft ist, begegnet uns auch hier: Brunellesco. Es ist bezeichnend für die Ueberfülle von Kraft und für die Schaffensfreudigkeit dieser Zeit, daß ihre Künstler sich nicht begnügten, auf einem Gebiete thätig zu sein, sondern auch die Schwesterkünste pflegten und zwar in der Regel ebenfalls meisterhaft. Dabei wurde freilich stets einer der Zweige bevorzugt und als Hauptberuf ausgebildet. Nur Einem blieb es vorbehalten in allen drei Künsten ein «großer Meister» zu werden: Michelangelo.
Brunellescos Thätigkeit als Bildhauer erlischt auch bald nach den ersten Proben, da er im Wettkampf um die Ausführung einer Thür des Baptisteriums, welche ein Gegenstück zu der des Andrea Pisano bilden sollte, unterlag. Sein Besieger war Lorenzo Ghiberti, welcher nun, wie bald darauf Brunellesco in der Baukunst, in der Bildnerei die Führung übernahm. Die Probestücke beider Meister sind noch vorhanden, und lassen uns selbst urteilen, ob der Spruch gerecht war. Ich gebe sie beide auf S. 437 wieder.
Ohne Zweifel ist die Darstellung bei Brunellesco bewegter, leidenschaftlicher; der Engel aus den Wolken greift thätlich ein, indem er den Arm Abrahams zurückreißt, auch sind die Gestalten der Natur entsprechender, aber Ghiberti übertrifft ihn, abgesehen von
^[Abb.: Fig. 453. Desiderio da Settignano: Grabmal des Carlo Marsuppini.
Florenz. St. Croce.] ¶
feinerer Durcharbeitung der Einzelheiten, in einem Punkte, und das gab wohl den Ausschlag: in der schöneren Anordnung und Raumfüllung. Ghiberti erhielt den Preis zugesprochen und übernahm die Ausführung.
Die Erzthüren des Baptisteriums in Florenz. Die Nordthür - entstanden 1403-24 - zeigt in zwanzig Feldern Schilderungen aus dem Leben Christi und die Bilder der Evangelisten und Kirchenväter. Die Darstellungsart ist die des hocherhabenen Flachbildes. Ghiberti beschränkte sich hierbei auf wenige Gestalten und erfüllte damit die Bedingung des klassischen Flachbildes, welche verlangte: «knappe aber treffende Darstellung mit den allernotwendigsten Mitteln», und so steht die Nordthür für denjenigen, welcher die Stellung eines Flachbildes nach dieser Vorschrift abmißt, höher als die figurenreichen Schilderungen der später zu erwähnenden Ostthür. In diesen Darstellungen ist der neue Geist schon deutlich kennbar und giebt sich das eigentliche Wesen der Renaissance kund, welches ja nicht, wie so oft fälschlich geglaubt wird, eine «Wiedergeburt der Antike» in dem Sinne einer bloßen Wiederholung ihrer Werke ist, sondern eine Rückkehr zu den Grundlagen, auf welchen die Antike sich entwickelt hatte: Auffassen und geistiges Durchdringen der Natur und ihrer Formen.
Mußte sich der Künstler bei der Nordthür an den vorgeschriebenen Raum, eine Art Vierpaß, halten, so hatte er volle Freiheit bei der ihm bald darauf übertragenen Ausschmückung der dritten Thür desselben Bauwerks. Durch keine künstliche Umrahmung gehindert konnte Ghiberti in den zehn Darstellungen aus dem alten Testament seine Eigenart voll entfalten. Ich gebe hier als Beispiel das erste obere Feld, die Erschaffung Adam und Evas und die Vertreibung aus dem Paradiese. Es sind hier mehrere in der Zeit verschiedene Ereignisse zusammen dargestellt, ein Verfahren, welches hauptsächlich bei Schilderungen aus der Bibel oder aus der Heiligenlegende häufig geübt wird. Vorn links die Erschaffung Adams, dahinter der Sündenfall, in der Mitte die Erschaffung Evas und rechts die Vertreibung (Fig. 435).
Das Wesentliche dieser Darstellungen ist die malerische Behandlung des Flachbildes mit einer Fülle von Gestalten. Die Gesetze des Räumlichsehens kommen bewußt zur Anwendung, wie dem Natürlichen auch im landschaftlichen u. s. w. Beiwerk näher zu kommen getrachtet wird. Die Freude an der Wiedergabe von Naturformen zeigt auch die Umrahmung der Thür mit ihrem Blumen- und Blätterschmuck. Es sind nur bescheidene Pflanzen, doch nahm Ghiberti alles, was auf Feld und Wiese wächst, läßt Vögel an den Früchten naschen, so daß das Ganze ein schönes Zeugnis für seine hohe Naturfreudigkeit ist. Gegenüber der frischen Natürlichkeit dieser Flachbilder zeigen die erhaltenen größeren figürlichen Werke eine stärkere Befangenheit in der herkömmlichen Darstellungsart. Der Fortschritt in der Gewandbehandlung ist jedoch auch hier trotz der Abhängigkeit von antiken Vorbildern unverkennbar.
Donatello. Ganz überwunden und zwar ohne jeden Rest ist «das Alte» bei Ghibertis Zeitgenossen, Donati di Betto Bardi, gen. Donatello (1386-1466), in welchem
^[Abb.: Fig. 454. Benedetto da Majano: Ziborium.
Siena. S. Domenico.] ¶