daß die Säulen die Stockwerke durchschneiden. Als Beispiel für diesen Palaststil gebe ich hier eine Ansicht des Palazzo communale (Fig. 431) in Vicenza. Von kleineren Bauten ist die Villa Rotonda bei Vicenza der berühmteste.
In Venedig, wohin Palladio gegen 1565 kam, baute er keine Paläste oder Staatsgebäude, hier finden wir nur zwei Kirchenbauten, welche von ihm herrühren: jene von S. Giorgio Maggiore (Fig. 433) und del Redentore (Fig. 434). Die letztere ist wohl die schönste Kirche Palladios und erscheint als Versuch, auch das christliche Gotteshaus im antiken Geist zu bilden. Die Vorderseite stellt sich als Giebelbau dar, welcher von zwei Säulen und zwei Pilastern getragen wird; an diesen schließen sich an den vorderen Wänden der Seitenschiffe Halbgiebel mit Pfeilern an. In der inneren Anlage ging Palladio hier auf die Kirche del Gesu in Rom zurück, also auf die Form des einschiffigen Langhauses mit Tonnengewölbe. Nach Palladios Tode wurden noch zwei kleinere Kirchen teilweise nach seinen Entwürfen gebaut, sonst fand in Venedig seine Bauweise keine Nachahmer. In Vicenza und Verona blieb sein Einfluß längere Zeit bestehen und äußerte sich in Nachbildung seiner Formen, die meist ohne viel Rücksicht auf den Zusammenhang verwendet wurden.
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Die Bildnerei. Durch die Vorherrschaft in der Baukunst war Florenz zur Zeit der Frührenaissance die Führerin auf dem ganzen Gebiete der Kunst geworden und wenn
^[Abb.: Fig. 452. Verrocchio: Standbild des Colleoni.
Venedig.]
auch nun die anderen Zweige, Bildnerei und Malerei, vollständig unabhängig von der ersteren geworden sind, so bleiben sie doch stets im Zusammenhange mit ihr und entwickelten sich nur dort zur vollen Blüte, wo auch rege Bauthätigkeit herrscht. Dazu kam, daß gerade die bedeutendsten Baumeister auch zugleich Bildhauer und Erzgießer oder Maler waren und also auch diese Künste an die Orte ihrer Thätigkeit mitbrachten.
Die früher allgemein giltige Abhängigkeit hat jedoch gänzlich aufgehört und die Werke der Bildnerei und Malerei «mit Selbstzweck» treten in den Vordergrund. Das ist so zu verstehen, daß sie zwar auch jetzt noch vorwiegend zur Ausschmückung von Bauten bestimmt sind, aber nicht mehr als sozusagen eingegliederte Teile derselben sich ganz dem baulichen Gedanken anschmiegen müssen, sondern ohne Rücksicht auf diesen gebildet werden und «an und für sich» wirken sollen. Im Gegenteil muß eher der Baukünstler darauf Bedacht nehmen, daß er dem Bildner einen diesem zusagenden Hintergrund schafft.
Florenz. So bildete denn Florenz auch für die Entwicklung der Bildnerei den Mittelpunkt und zwar tritt diese gleichzeitig mit der neuen Baukunst ein, ja sogar etwas früher, da zu der Zeit als Brunellesco die Domkuppel begann, schon einige Werke entstanden waren, welche bereits aus dem neuen Geiste heraus erzeugt wurden. Die Form war aber nicht so rasch gefolgt, diese entwickelte sich langsamer, so daß ein ungeübtes Auge in vielen Gebilden noch nicht Werke der Renaissance erblicken wird.
Brunellesco und Ghiberti. Derselbe Name, mit dem die Entwicklung der Baukunst verknüpft ist, begegnet uns auch hier: Brunellesco. Es ist bezeichnend für die Ueberfülle von Kraft und für die Schaffensfreudigkeit dieser Zeit, daß ihre Künstler sich nicht begnügten, auf einem Gebiete thätig zu sein, sondern auch die Schwesterkünste pflegten und zwar in der Regel ebenfalls meisterhaft. Dabei wurde freilich stets einer der Zweige bevorzugt und als Hauptberuf ausgebildet. Nur Einem blieb es vorbehalten in allen drei Künsten ein «großer Meister» zu werden: Michelangelo.
Brunellescos Thätigkeit als Bildhauer erlischt auch bald nach den ersten Proben, da er im Wettkampf um die Ausführung einer Thür des Baptisteriums, welche ein Gegenstück zu der des Andrea Pisano bilden sollte, unterlag. Sein Besieger war Lorenzo Ghiberti, welcher nun, wie bald darauf Brunellesco in der Baukunst, in der Bildnerei die Führung übernahm. Die Probestücke beider Meister sind noch vorhanden, und lassen uns selbst urteilen, ob der Spruch gerecht war. Ich gebe sie beide auf S. 437 wieder.
Ohne Zweifel ist die Darstellung bei Brunellesco bewegter, leidenschaftlicher; der Engel aus den Wolken greift thätlich ein, indem er den Arm Abrahams zurückreißt, auch sind die Gestalten der Natur entsprechender, aber Ghiberti übertrifft ihn, abgesehen von
^[Abb.: Fig. 453. Desiderio da Settignano: Grabmal des Carlo Marsuppini.
Florenz. St. Croce.]
feinerer Durcharbeitung der Einzelheiten, in einem Punkte, und das gab wohl den Ausschlag: in der schöneren Anordnung und Raumfüllung. Ghiberti erhielt den Preis zugesprochen und übernahm die Ausführung.
Die Erzthüren des Baptisteriums in Florenz. Die Nordthür - entstanden 1403-24 - zeigt in zwanzig Feldern Schilderungen aus dem Leben Christi und die Bilder der Evangelisten und Kirchenväter. Die Darstellungsart ist die des hocherhabenen Flachbildes. Ghiberti beschränkte sich hierbei auf wenige Gestalten und erfüllte damit die Bedingung des klassischen Flachbildes, welche verlangte: «knappe aber treffende Darstellung mit den allernotwendigsten Mitteln», und so steht die Nordthür für denjenigen, welcher die Stellung eines Flachbildes nach dieser Vorschrift abmißt, höher als die figurenreichen Schilderungen der später zu erwähnenden Ostthür. In diesen Darstellungen ist der neue Geist schon deutlich kennbar und giebt sich das eigentliche Wesen der Renaissance kund, welches ja nicht, wie so oft fälschlich geglaubt wird, eine «Wiedergeburt der Antike» in dem Sinne einer bloßen Wiederholung ihrer Werke ist, sondern eine Rückkehr zu den Grundlagen, auf welchen die Antike sich entwickelt hatte: Auffassen und geistiges Durchdringen der Natur und ihrer Formen.
Mußte sich der Künstler bei der Nordthür an den vorgeschriebenen Raum, eine Art Vierpaß, halten, so hatte er volle Freiheit bei der ihm bald darauf übertragenen Ausschmückung der dritten Thür desselben Bauwerks. Durch keine künstliche Umrahmung gehindert konnte Ghiberti in den zehn Darstellungen aus dem alten Testament seine Eigenart voll entfalten. Ich gebe hier als Beispiel das erste obere Feld, die Erschaffung Adam und Evas und die Vertreibung aus dem Paradiese. Es sind hier mehrere in der Zeit verschiedene Ereignisse zusammen dargestellt, ein Verfahren, welches hauptsächlich bei Schilderungen aus der Bibel oder aus der Heiligenlegende häufig geübt wird. Vorn links die Erschaffung Adams, dahinter der Sündenfall, in der Mitte die Erschaffung Evas und rechts die Vertreibung (Fig. 435).
Das Wesentliche dieser Darstellungen ist die malerische Behandlung des Flachbildes mit einer Fülle von Gestalten. Die Gesetze des Räumlichsehens kommen bewußt zur Anwendung, wie dem Natürlichen auch im landschaftlichen u. s. w. Beiwerk näher zu kommen getrachtet wird. Die Freude an der Wiedergabe von Naturformen zeigt auch die Umrahmung der Thür mit ihrem Blumen- und Blätterschmuck. Es sind nur bescheidene Pflanzen, doch nahm Ghiberti alles, was auf Feld und Wiese wächst, läßt Vögel an den Früchten naschen, so daß das Ganze ein schönes Zeugnis für seine hohe Naturfreudigkeit ist. Gegenüber der frischen Natürlichkeit dieser Flachbilder zeigen die erhaltenen größeren figürlichen Werke eine stärkere Befangenheit in der herkömmlichen Darstellungsart. Der Fortschritt in der Gewandbehandlung ist jedoch auch hier trotz der Abhängigkeit von antiken Vorbildern unverkennbar.
Donatello. Ganz überwunden und zwar ohne jeden Rest ist «das Alte» bei Ghibertis Zeitgenossen, Donati di Betto Bardi, gen. Donatello (1386-1466), in welchem
^[Abb.: Fig. 454. Benedetto da Majano: Ziborium.
Siena. S. Domenico.]
die volle Wirklichkeitstreue also die Darstellung ohne Stilisierung - der sog. Naturalismus - in aller Schärfe zum Ausdruck kommt. Schön war für Donatello nur das Natürliche, das in der Wirklichkeit Vorhandene, und so müssen wir die Schönheit seiner Werke auch nicht im «Idealen» suchen, sondern in der Wahrhaftigkeit der Darstellung und in dem malerischen Reiz, welchen er ihnen durch die vollendete Behandlung des Bildstoffs verleiht.
Seinen Zoll an den Kunstgeist des Trecento zahlt Donatello in dem sitzenden Johannes, welcher das einzige Werk ist, das noch etwas an die Darstellungsweise der Vorgänger erinnert (Fig. 436). Die Größe Donatellos kommt jedoch schon in dem kraftvollen Kopf zum Ausdruck, aus dessen strengen, ernsten Zügen die volle Naturwahrheit spricht. In der Haltung, obwohl diese mit Rücksicht auf die vorhandenen Gegenstücke nicht frei gewählt werden konnte, sowie in der ganzen Auffassung deutet der Johannes schon auf ein noch fernes Werk hin: auf Michelangelos Moses. Hinter dem Kopf des Johannes muß jener des Standbildes des Petrus zurückstehen, doch ist hier die Gewandbehandlung schöner.
Das erste vollkommen eigenartige Werk ist der heilige Georg (Fig. 437), bei welchem nun nicht mehr der Kopf allein, sondern die ganze Haltung, die Geberden der Hände, die Fußstellung, Träger des Ausdrucks sind. Das Gewand verhüllt nicht mehr den Körper, um der Darstellung des letzteren überhoben zu sein, sondern läßt durch knappes Anliegen die Formen deutlich sichtbar werden. Die Fähigkeit, das Nackte darzustellen, bewies Donatello später in dem Bronzebilde des David, welches zugleich von seiner glänzenden Bildstoffbehandlung Zeugnis ablegt.
Die Zeit von 1416-26 wurde wieder von Arbeiten für den Dom in Anspruch genommen. Es entstanden Werke, welche die Wirklichkeit mit aller Schärfe wiedergaben und besonders in den Köpfen den Ausdruck vollster Lebenswahrheit tragen: es sind dies die Standbilder am Glockenturm, Johannes der Täufer, Ezechias, David (der Prophet Abdias ist von Nanni di Bartolo). Ohne Rücksicht auf die Heiligkeit der Dargestellten und die deshalb sonst übliche «Idealisierung» nahm er als Vorbilder Gestalten aus dem Volke und gab sie ohne Verschönung wieder (Fig. 438). Es sind also nach jetzigem Sprachgebrauch «naturalistische Porträts.»
Bald wurde Donatello denn auch als Bildniskünstler geschätzt; er erhielt zahlreiche Aufträge und schuf in diesen wohl das Schönste, was die Renaissance hinterlassen hat. Zu den besten Arbeiten zählen die Terrakotta-Büste der Ginevra Cavalcanti, bei welcher er durch lebhafte Bemalung den Ausdruck der Lebenswahrheit noch zu steigern suchte, sowie jene des Niccolo da Uzzano (Fig. 440).
^[Abb.: Fig. 455. Mazzoni: Beweinung Christi.
Modena. S. Giovanni.]
Im Jahre 1420 trat er mit dem Baukünstler Michelozzo in Verbindung, und derselben verdankt eine Reihe von Werken ihre Entstehung, welche in glücklicher Verschmelzung bildnerischer und Bauformen auch auf dem Gebiete schmuckhafter Kunst Neues und Vorbildliches darstellen. Vornehmlich sind es Grabmäler, welche zu dieser Zeit entstanden, - so das Grabmal Johannes XXIII. im Baptisterium zu Florenz - ferner Altäre, Kanzeln und Tabernakel.
Mit diesen Werken trat eine neue Aufgabe an Donatello heran, die Darstellung im Flachbild. Auch hier bildete er sich seinen eigenen Stil. Das Malerische, das schon Ghiberti so vollkommen erreicht hatte, steigerte er noch und vermochte z. B. in den Bronzetafeln am Altar des heiligen Antonius zu Padua (mit Darstellungen aus dem Leben des Heiligen), trotz des Ueberreichtums an Gestalten und trotz aller Bewegtheit volle Klarheit und Uebersichtlichkeit der Handlung zu wahren.
Donatellos Kunst ging vielfach über die bisherigen Grenzen hinaus. Er war nur Bildhauer, beherrschte aber sein Gebiet vollständig, sowohl hinsichtlich Handfertigkeit - er schuf in Holz, Bronze, Marmor, Terrakotta - wie in der Darstellungsweise. Den Hauptstoff bildeten seinen Aufträgen entsprechend biblische Darstellungen und unter diesen befand sich auch ein Werk, welches wieder ein Herkommen über den Haufen warf, indem es die an strenge Ueberlieferung gebundene Madonnen-Darstellung völlig veränderte. Um sich darüber klar zu werden, vergleiche man die Verkündigung Fig. 441 mit früheren; das «menschliche» Erschrecken und die Befangenheit Marias ist nie so wahr dargestellt worden. Die heilige Jungfrau ist hier nicht Himmelskönigin, sondern ein einfaches, edles Weib, und diese Auffassung wird nun maßgebend für viele folgende Darstellungen dieser Art, auch in der Malerei.
^[Abb.: Fig. 456. A. da Fossano: Flachbildschmuck am Hauptthore der Certosa.]
Das größte Werk seines Lebens schuf Donatello während seines Aufenthaltes in Padua in dem Reiterstandbilde des Gattamelata, womit er wieder etwas durchaus neues brachte; denn an eine Nachahmung römischer Reiterbilder wird man nicht denken können, wenn man sieht, wie er jene an Naturwahrheit und Gefallsamkeit übertroffen hat (Fig. 442).
Das Liebliche und Zarte fand in Donatello keinen Schilderer; selbst nicht in seinen Kinderdarstellungen (z. B. in seinem berühmten Kinderfries) (Fig. 443), vielleicht mit Ausnahme des reizenden kleinen Bronze-Amors in Florenz.
Bezeichnend überhaupt ist für Donatello, daß er das Hauptgewicht auf die Ausbildung der körperlichen Erscheinung legt, und darum gelingt ihm der Ausdruck solcher innerer Vorgänge am besten, welche sich im Aeußeren kräftig kund geben. (So drückt er das Schwärmerische der Büßer durch skelettartige Magerkeit aus.) Das Seelische, feinere Gefühle und Stimmungen, vermag seine Formensprache noch nicht klar wiederzugeben.
Die Robbia. Die Kunst nach dieser Seite zu ergänzen fiel den Robbia zu. Der Ruhm dieser Künstlerfamilie wurde hauptsächlich durch eine besondere Gattung von Werken, nämlich die farbig glasierten Flachbilder aus gebranntem Thon verbreitet. Luca della Robbia hatte die Anwendung der farbigen Glasur (anstatt der Bemalung) erfunden, deren Feinheit die Durchbildung auch der zartesten Formen gestattete, während ihre Unverwüstlichkeit ein weiterer, nicht geringer Vorzug war.
Den Hauptinhalt der Darstellungen bildete die Madonna, das Kind im Arm haltend oder es anbetend. Diese Werke erscheinen zumeist anspruchslos und dienten vornehmlich schmuckhaften Zwecken; aber gerade diese maßvolle Einfachheit, das Gefühl für den rein-bildnerischen Stil erhöht ihren Wert; auf malerische «Wirkung» wird ebenso verzichtet, wie auf Gestalten-Fülle und reiche Bewegung. Aus innigem Naturgefühl auch eine innige religiöse Stimmung zu entwickeln, darin lag ihre Aufgabe und ihr Reiz.
Der Begründer dieser Schule war Luca della Robbia, welcher zwar Donatellos alles bezwingende Kraft nicht besaß, dafür aber mit seinem Sinn seine Fähigkeiten nach der vorhin gekennzeichneten Seite auszubilden verstand. Ich gebe hier als Proben ein Gegenstück zu Donatellos Kinderfries, ein Flachbild von der Sängertribüne (für den Dom zu Florenz bestimmt, jetzt im Museum dell' Opera), und eine Madonna mit Kind (Fig. 444 u. 445).
Der feinsinnigste Vertreter der Robbia-Schule ist Andrea, der Neffe Luccas, welcher über die ausgereifte, von edelstem Schönheitsgefühl durchdrungene Formgebung des Cinquecento bereits verfügt. Obwohl dieser mit größerer Vervollkommnung in der Stoffbehandlung sich auch an größere Aufgaben wagt, sind doch seine kleineren Werke die besten. Dazu gehören z. B. die Wickelkinder von der Halle des Findelhauses in Florenz (Fig. 446), ein Werk, welches wohl an Anmut nicht zu übertreffen ist. Von seinen größeren Arbeiten gebe ich hier noch die Heimsuchung als Gegenstück zu Donatellos Verkündigung, welche die Verschiedenheit und doch auch vorhandene Aehnlichkeit beider Meister zeigen soll (Fig. 447).
^[Abb.: Fig. 457. Rustici: Predigt des hl. Johannes.
Florenz. Taufkapelle.]
Zeitgenossen und Nachfolger Donatellos. Neben diesen Großen sind in Florenz natürlich auch zahlreiche, weniger bedeutende Meister thätig, von welchen wohl hier und da einer durch ein bedeutenderes Werk hervorragt, doch ist keiner darunter, welcher für die Entwicklung der Kunst nach den Thaten Donatellos Bedeutung hat. Zu nennen wäre Agostino di Duccio (1418-81), welcher die alte Weise mit den neuen von Donatello ausgehenden Anregungen zu beleben suchte und auch stark von der gleichzeitigen Malerei sich beeinflussen ließ (Fig. 448).
Von Donatello und Luca della Robbia ging eine so gewaltige Strömung aus, daß selbst die fertigen Meister sich ihrem Einfluß nicht entziehen konnten, wie viel weniger die werdenden! Es bildete sich denn auch um beide eine Gefolgschaft, welche jedoch nur bei Donatello zu eigentlichen Schülern führt; der Kreis Luccas beschränkte sich mehr auf die Familie. Dabei findet gewissermaßen ein Ausgleich zwischen den Gegensätzen beider Meister statt, indem sowohl das Kraftvolle des einen, wie die Milde des anderen auf beide Schulen Einfluß hat. So kommt es, daß selbst Donatellos Schüler etwas mehr Anmut und Weichheit in ihren Werken zeigen, als ihr großer Meister besaß.
Erzbildner. Pollajuolo. Zugleich trat eine Scheidung nach den Arbeitsstoffen in Bronze- und Marmorbildner ein, wobei die Ersteren mehr von der Strenge Donatellos beibehielten. An der Spitze der Bronzebildner stehen Antonio Pollajuolo (1429-1498) und Andrea del Verrocchio (1435-1488) beide ursprünglich Goldschmiede. Pollajuolo hat wenig Werke hinterlassen, die bedeutendsten sind die Erzgruppe des Hercules und Antäus (im Museum zu Florenz) (Fig. 449), die Grabmäler der Päpste Sixtus IV. (1493) und Innocenz VIII. (wenig später) in St. Peter zu Rom (Fig. 450).
Verrocchio. Bedeutender und fruchtbarer war Verrocchio, dem es vorbehalten war, die Kunst Donatellos auf die höchste Stufe zu bringen, indem er zur Naturtreue und meisterhaften Stoffbehandlung die Schönheit und Beseelung der Darstellung hinzufügte. Aus seiner ersten selbständigen Zeit ist eine kleine Brunnenfigur (Knabe mit Delphin) zu nennen; sein erstes bedeutendes Werk ist der David (Fig. 439).
^[Abb.: Fig. 458. Sansovino (Contucci): Taufe Christi.
Florenz, Taufkapelle.]
Um dem Leser das Vergleichen zu erleichtern, stelle ich diesen David dem des Donatello gegenüber. Während bei letzterem die Linien des Körpers weich sind und in einander fließen, die gerundeten Formen wohl einem zarten Körper, aber nicht gerade dem eines Knaben entsprechen - ich erinnere hierbei an die mädchenhaften Formen bei Praxiteles - betont Verrocchio das Eckige des in der Entwicklung begriffenen Knabenkörpers. Bei Donatellos David finden wir im Gesicht einen sinnenden Zug und lässige Körperhaltung - bei Verrocchio ein leichtes, spöttisches Lächeln und in der Haltung kecken Trotz; alles Zeugnisse für tiefere geistige Erfassung des Dargestellten.
Auch in anderen freistehenden Werken zeigt sich dieses gründlichere Erfassen, dieses stärkere Betonen der sinnlichen Zustände - wie z. B. in der Gruppe «Christus zeigt Thomas die Wundmale» - wobei er wieder einen Schritt weiter geht, indem er zum ersten Male in der Renaissance in bedeutsamer Weise zwei freistehende Gestalten zu einer auch innerlich zusammenhängenden Gruppe vereint. Ein feiner Zug ist es, wenn er die Hauptrolle des Heilands dadurch andeutet, daß er ihn auf eine Stufe, also etwas erhöht, und nach vorn gewendet stellt (Fig. 451).
Den schönsten Ausdruck findet Verrochios Kunst, was Wiedergabe der ganzen Eigenart und des innerlichen Gehalts einer Persönlichkeit in äußeren Zügen und Haltung anbelangt, in seinem letzten Werke, dem Reiterstandbild des Colleoni (Fig. 452). Auch hierbei ermöglicht wohl die Gegenüberstellung mit dem Gattamelata des Donatello am besten die Erkenntnis der Verschiedenheit beider Meister, welche sich bei dem Werk Verrocchios zugleich als ein Fortschritt darstellt. Die Beziehungen zwischen Roß und Reiter sind enger; das Pferd scheint Kraft zu einem Sprunge zu sammeln, zu welchem sein sich straff im Sattel und Bügel aufrichtender Herr es zwingen will. Mit diesem Werk, einem der herrlichsten Reiterbilder der Erde, beschloß Verrocchio seine Thätigkeit. Noch vor der Aufstellung des Standbildes starb er 1488 in Venedig.
Marmor-Bildner. Die Gruppe der Marmorbildner zählt zu ihren Mitgliedern Desiderio da Settignano (1428-1464) mit seinen Schülern Mino da Fiesole (1431 bis
^[Abb.: Fig. 459. Sansovino (Contucci): Grabmal des Kardinals Askanio Sforza.
Rom. S. Maria del Popolo.]
1484) und Matteo Civitale, welche mehr dem Donatello zuneigen, während Bernardo (1409 bis 1464) und Antonio Rosselino (1427-1478) und Benedetto da Majano (1442 bis 1497) etwas stärker von Luca della Robbia abhängig sind. Es sind durchwegs tüchtige Künstler, und besonders ist Desiderio auch für die Weiterbildung der Florentiner Bildnerei von großer Bedeutung, doch eine so ausgesprochene persönliche Eigenart, wie Verrocchio, besitzt keiner von ihnen, so daß ein näheres Eingehen nicht notwendig ist. Ich begnüge mich daher mit der Nennung einiger Hauptwerke.
Diese sind meist reich geschmückte Grabdenkmale und Zierwerke für Bauten, wie das Grabmal Marsuppini in S. Croce zu Florenz von Desiderio (Fig. 453). Von diesem stammt auch eine fein empfundene Mädchenbüste im Berliner Museum. - Von Bernardo Rossellino ist das Grabmal des Lionardo Bruni, ebenfalls in S. Croce; von Antonio, dem Bruder Bernardos, das Grab Johannes von Portugal in S. Miniato und das Standbild des heiligen Sebastians in Empoli zu nennen. Von Benedetto da Majano wären die Kanzel von S. Croce mit kleinen Standbildern und Flachbildern, dann das in Aufbau und Feinheit der Ausführung vollendet schöne Ciborium in Siena (Fig. 454), das Marmorgrab Strozzis in S. Maria Novella zu Florenz und die bemalte Thonbüste Philippo Strozzis (Berliner Museum) hervorzuheben. In Terracotta-Arbeiten zeigt sich Benedetto den Robbias ebenbürtig; ja in sorgfältiger Bildung der Einzelheiten vielleicht sogar überlegen.
Verbreitung der florentinischen Kunst. Es war die Bestimmung der toskanischen Hauptstadt Florenz, in der ganzen Zeit der Frührenaissance die Führerin zu sein. Ihrem Einfluß entzog sich keine Landschaft Italiens gänzlich und selbst deutsche Künstler erhielten - durch Vermittlung oberitalienischer Genossen - von ihr Anregung.
In Padua war es Donatello selbst, welcher während seines zehnjährigen Aufenthaltes daselbst der Bildnerei den Weg in die neue Zeit wies. Unter seinen dortigen Schülern sind Giovanni da Pisano und Andrea Riccio zu nennen. - Bologna wurde zunächst mittelbar durch den Sienesen Jacopo della Quercia (1371-1438) beeinflußt, welcher
^[Abb.: Fig. 460. Sansovino (Contucci): Die hl. Jungfrau und die hl. Anna.
Rom. S. Agostim.]
als Zeitgenosse Ghibertis zu jenen gehörte, welche den Uebergang zu der neuen Richtung anbahnten. (Er war auch Mitbewerber um die Erzthüren.)
Lucca besaß in Matteo Civitale (1435-1501) einen Meister, dessen Arbeiten sich durch ungemeine Lieblichkeit und Innigkeit des Ausdrucks auszeichnen. In Modena findet sich wieder ein Künstler, welcher den allgemeinen Durchschnitt des künstlerischen Wollens und Könnens etwas überragt: Guido Mazzoni. Sein Hauptwerk, eine Thongruppe der Beweinung Christi, zeigt seine Fähigkeit für naturwahren Ausdruck, doch fehlt der innere Zusammenhang, es spiegelt kein wirkliches Leben sich wieder und die Gruppe wirkt deshalb wie das geschickt gestellte Schlußbild eines Schauspiels (Fig. 455).
In der Lombardei gab die Certosa von Pavia seit 1473 einem Kreise von fremden Künstlern Gelegenheit zur Entfaltung ihrer Kräfte, von welchen dann auch die heimischen Künstler der Umgebung Schulung und Anregung empfingen. Die Hauptthätigkeit bestand in Schmuckwerk, namentlich in Flachbildnerei, dessen ja dieser Bau in Menge bedurfte. Ein unmittelbarer Einfluß von Florenz aus fand nicht statt, sondern mehr eine Mischung der durch viele Vermittler hierher gelangten Formen mit deutschen Zügen, wie es in einer Grenzlandschaft leicht möglich war.
Den meisten Eindruck macht das Hauptportal, das auch schon in baulicher Hinsicht bemerkenswert ist. Die Kreuzgänge der beiden Klosterhöfe sind mit reichem Bildwerk aus gebranntem Thon ausgestattet. Da an der Ausschmückung der Certosa vom 15. bis in die zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts gearbeitet wurde, läßt sich hier die Entwicklung der lombardischen Bildnerei am besten verfolgen (Fig. 456).
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Die Bildnerei im 16. Jahrhundert. In dem eifrigen Bemühen, die Natur genau zu erfassen und sie «wahr» wiederzugeben, hatte die Bildnerei auch die Fähigkeit erworben, über die Natur hinauszugehen und «frei» zu schaffen. Sie gelangt dabei auch zur vollen Unabhängigkeit, sowohl von der Baukunst wie von den malerischen Einflüssen, und findet ihren ureigenen «Stil», oder deutlicher gesagt: die eigenen Gesetze der Kunstweise, wie sie der Stoff, aus dem die Werke bestehen, und die besonderen Verhältnisse - greifbare Körperlichkeit im freien Raume - sie bedingen.
Aus der früheren Zeit übernahm man deren größten Vorzug: die Gedankentiefe, und fügte nur die Vollendung der Form hinzu. Die infolge der planmäßigen Ausgrabungen jetzt zahlreich zu Tage getretenen Werke der Antike förderten diese Ausbildung in der Formgebung; der ganze Zug der Zeit wies auf das Große und Erhabene hin. So entwickelte sich eine «ideale» Richtung, welche in den ersten Jahrzehnten des Cinquecento herrliche Schöpfungen erzeugte, bei denen der gedankliche Gehalt nicht mehr blos in den der Natur abgelauschten, sondern in nach einem gedanklichen Urbild veredelten Formen großartigen Ausdruck erhielt. Dieses Hinausgehen über die gewöhnliche Natur giebt sich auch kund in der äußerlichen Größe der Werke, man liebt es, in überlebensgroßen Formen zu schaffen.
Diese Blütezeit währte freilich nicht lange. Die Beschäftigung mit der Antike verleitete zur bloßen äußerlichen Nachahmung, die errungene Beherrschung der Formensprache zu Künsteleien, das Streben nach einem Schönheitsurbild zur Ueberfeinerung und Betonung des Sinnereizenden. Indem man glaubte, der Naturbeobachtung ganz entbehren zu können, verlor man wieder den festen Boden, auf dem sich der reine und edle Idealismus ent-
^[Abb.: Fig. 461. Cellini: Perseus.
Florenz. Loggia dei Lanzi.]
wickelt hatte. Der «Wirkung» zuliebe wird die innere Wahrheit geopfert, und zuletzt kommt wieder der «malerische Zug" allenthalben zur Geltung, welcher übrigens in den Flachbildern auch der besten Zeit sich forterhalten hatte.
Dies ist in großen Zügen der Gang der Entwicklung, den die Bildnerei nimmt, seit die Schule Donatellos ihren beherrschenden Einfluß verloren hatte.
Auf denselben wirkte bestimmend der Geist eines vielseitigen Meisters ein, der auf allen Gebieten bahnbrechend auftrat, obwohl die Zahl seiner eigenen Werke gering ist. Dies war Lionardo da Vinci. Seine großartige Schöpfung, das Modell des Reiterstandbildes des Franz Sforza ist freilich zerstört worden, und wir kennen es nur aus Zeichnungen; auch sonst ist kein Bildnereiwerk erhalten geblieben, dennoch ist sein Einfluß auf die Künstler zu Beginn des 16. Jahrhunderts unverkennbar.
Florentinische Meister. Zu diesen zählen auch die zwei hervorragendsten Künstler der Uebergangszeit in Florenz, das noch immer die Hauptpflegestätte der Bildnerei blieb: der Mitschüler Lionardos: Giovanni Francesco Rustici (1474-1554) und Andrea Contucci genannt Sansovino (1460-1529). Neben diesen sind noch Andrea Ferucci (1465-1526), Benedetto da Roverrano (1476-1556) und Baccio da Montelupo (1469-1533) als tüchtige, doch für die Kunstentwicklung weniger bedeutsame Meister zu nennen.
Rustici zeigt in seinen Formen noch die meiste Abhängigkeit von der Art des 15. Jahrhunderts, so daß seine Bronzegruppe, der predigende Johannes zwischen zwei Zuhörern (Pharisäer und Levit), noch ebenso gut zu den Ausläufern der alten florentiner Schule, wie durch die Versuche, den Gestalten mehr inneres Leben zu geben, zu der neuen Richtung gerechnet werden kann. Die Gewandbehandlung ist sehr malerisch, der Ausdruck der Köpfe nähert sich schon dem Großartigen (Fig. 457).
Sansovino. Viel tiefer hatte sich Contucci Sansovino in die neue Ausdrucks- und Empfindungsweise hineingelebt, so daß seine Bronzegruppe: die Taufe Christi durch Johannes schon vollkommen der Hochrenaissance angehört (Fig. 458). Der Unterschied zwischen dem Kunstempfinden der Früh- und Hochrenaissance ist an diesem Werk sehr leicht zu verstehen, wenn man es mit jenem Gemälde Verrocchios vergleicht, das denselben Vorgang darstellt. Die Aehnlichkeit ist wohl keine zufällige, sondern beruht auf bewußter Nachbildung mit der Absicht, den Vorwurf großartiger und freier zu behandeln.
Verrocchio sucht ein möglichst getreues Bild des Vorganges zu geben, Sansovino ein möglichst schönes. Dadurch bekommt das Werk Sansovinos etwas Weihevolles und Erhabenes, es giebt nicht nur einfach die Handlung wieder, sondern sucht auch die Stimmung, die seelische Erregung auszudrücken. Die Neigung zum Idealisieren, die Betonung des «Schönen» giebt sich hier in der Haltung der Gestalten, der Gewandbehandlung, vor allem aber in der Durchbildung des nackten Körpers kund.
Auf Sansovino wirken hier die guten Vorbilder der Frührenaissance noch stärker ein, als jene der Antike; diese lernte er erst genauer kennen, als er 1505 nach Rom kam. Die Grabmäler der Basso della Rovere und Ascanio Sforza (Fig. 459) in S Maria del Popolo, die während seines römischen Aufenthaltes entstanden, lassen
^[Abb.: Fig. 462. Sansovino (Tatti): Bacchus.
Florenz. Nationalmuseum.]
den antiken Einfluß deutlich erkennen, doch hielt Sansovino immerhin Maß in der Anlehnung. Beachtenswert ist hier die Haltung der Standbilder der Tugenden: die eine Schulter ist gehoben und vorwärts gerichtet, während die andere Körperseite zurücktritt. Dieser Zug des «Gegensatzes», welcher schon in der Antike ein maßgebender war, wird jetzt wieder aufgenommen und bald auch zu einer Kunstregel.
Eines der großartigsten Werke der ganzen Zeit ist die Madonnengruppe in San Agostino, in welcher die Anmut vollendet zum Ausdruck kommt (Fig. 460). Den Rest seines Lebens widmete er der Casa santa in Loreto, deren reiche bildnerische Ausschmückung teils von ihm selbst, teils von seinen Schülern nach seinen Entwürfen ausgeführt wurde.
Nachfolger Sansovinos. Die anderen Florentiner Künstler arbeiteten hauptsächlich in Zierwerk; ihre Standbilder sind von geringerer Bedeutung. Auf die späteren wirken auch schon römische Einflüsse Michelangelos ein.
Von den jüngeren Meistern, welche sich mehr Sansovino anschließen, nenne ich Nicolo Pericolo Tribolo (1485-1550), der in Bologna die Seitenthore von San Petronio mit anziehenden, noch die zarte Schönheit Sansovinos atmenden Bildwerken schmückte, und Benvenuto Cellini (1500-1572), dessen unübertrefflich feine Arbeiten der Goldschmiedekunst - so das berühmte Salzfaß in Wien - seinen dauernden Ruf begründeten, während seine größeren Werke, wie der Perseus in Florenz (Fig. 461), noch von einiger Befangenheit zeugen.
Oberitalien und Venedig. In Oberitalien ist der Einfluß der florentinischen Kunstrichtung auch während der Hochrenaissance noch ziemlich bedeutend. Die meisten Künstler verbrachten ihre Lehrjahre in Florenz und nahmen die dortige Weise nach ihren späteren Wirkungsstätten mit. Von größerer Bedeutung war jedoch nur die Bildnerei Venedigs, in den übrigen Städten erhob sie sich nicht über ein gutes Mittelmaß.
In Venedig gelangte ein Schüler Andrea Sansovinos, Jacopo Tatti, der nach seinem Meister ebenfalls Sansovino sich nannte, zu größerer Bedeutung. Aus seiner florentinischen Zeit ist als schönstes Werk der Bacchus (im Museo Nazionale) (Fig. 462) zu nennen, der eine beliebte Darstellung der Antike, doch ohne Anlehnung an diese, wiederholt.
Bald darauf ging Sansovino nach Rom und gelangte 1527 nach Venedig, wohin er gerade recht kam, um die Bildnerei, die in Verfall zu geraten drohte, neu zu beleben.
^[Abb.: Fig. 463. Lombardo: Grabmal des Dogen Mocenigo.
Venedig. S. Giovanni e Paolo.]
Die Bildnerei Venedigs hatte sich im 15. Jahrhundert allmählich aus den Fesseln der Gotik zu lösen begonnen, und in vielen Werken, die sich zwar äußerlich an die üblichen gotischen Bauformen anschlossen, jedoch schon im Geiste der Frührenaissance erdacht waren, den Boden für die neue Kunst vorbereitet.
Der bedeutendste Künstler dieser Zeit ist Bartolomeo Bon (Buono), der 1483 den Schmuck der Porta della Casa des Dogenpalastes schuf und in diesem, wie in anderen Werken - meist Grabmälern - die Ueberleitung zur Renaissance vollzog. Der erste, welcher auf die gotischen Formen durchaus keine Rücksicht mehr nahm, war Antonio Rizzo. Sein bestes Werk ist das Standbild Adams am Dogenpalast, während die Eva ziemlich unbeholfen und unfrei gebildet ist; bemerkenswert sind diese Figuren als zwei der wenigen nackten Gestalten der Frührenaissance. Auch das erste Renaissance-Grabmal, das des Dogen Tron, wird ihm zugeschrieben.
Mit Rizzo gleichzeitig thätig war der Begründer der Künstlerfamilie Lombardi: Pietro Lombardo, dessen Bedeutung jedoch auf dem Felde der Baukunst liegt. Die venezianische Prachtliebe stellte der Bildnerei hauptsächlich die Aufgabe, den Schmuck für die zahlreichen Dogen- und Patriziergräber, für Altäre und Kanzeln, überhaupt für Bauten zu liefern.
Die Hauptwerke der Lombardi sind deshalb auch Grabmäler, bei welchen die Verbindung von Bauformen mit rein bildnerischen in meisterhafter Weise durchgeführt wurde, wie dies besonders schön das Grabmal des Dogen Mocenigo in S. Giovanni e Paolo zeigt (Fig. 463).
Die Söhne Lombardos, Tullio und Antonio, suchten durch eindringliches Studium der Antike die venezianische Bildnerei in neue Bahnen zu leiten und fanden darin in Alessandro Leopardi - dem Vollender des Colleoni-Denkmals - Unterstützung. Auch ihre gemeinsame Thätigkeit bestand zumeist in der Ausführung von Grabmälern, deren schönstes das Grabmal des Dogen Andrea Vendramin in S. Giovanni e Paolo ist (Fig. 464). Von Leopardi stammen auch die schönen Flaggenständer auf dem Markusplatz.
Im Wesentlichen war also die venezianische Bildnerei Zierkunst, und so ist es erklärlich, daß auch Jacopo Sansovino weniger mit selbständigen Bildwerken hervortrat und sich mehr darauf beschränkte, seine Bauten mit reichem bildnerischen Schmuck zu zieren. Das reizendste Werk dieser Art sind vielleicht die Flachbilder und Einzelfiguren der Loggetta, die besten größeren Werke die Standbilder des Mars und Neptun an der Riesentreppe im Hof des Dogenpalastes.
Die einflußreiche Stellung, welche Sansovino - vor allem als Baumeister - einnahm, führte zu einer ansehnlichen Gefolgschaft, doch sind nur zwei: Girolamo Campagna und Alessandro Vittoria von größerer Bedeutung.
^[Abb.: Fig. 464. Leopardi: Grabmal des Dogen Vendramin.
Venedig. S. Giovanni e Paolo.]