kann man deshalb alle die Meister gelten lassen, die uns in ihren Werken eine Zusammenfassung der Bestrebungen der Frührenaissance bieten und dies in Schönheit der Auffassung, in tiefem Durchdenken des Dargestellten und in voller Beherrschung der Ausdrucksmittel, das heißt der Formen, zur Erscheinung bringen.
In der Baukunst drückt sich die Reife in der gesteigerten Anwendung reiner voller Verhältnisse in der malerischen Gliederung der Massen und in dem bei allem Reichtum doch maßvollen Schmuck aus. Auch der innere Zusammenhang der Teile mit dem Ganzen, die Abhängigkeit der Formgestaltung von dem Grundgedanken der Baufügung wurde mehr beachtet.
Es bildeten sich zwei Richtungen heraus. Die eine suchte Wirkung nur durch schöne Verhältnisse und einfache edle Formen zu erzielen. In der Bildung der Säulen und Wandpfeiler verwendet sie fast nur die dorische Ordnung. Um dabei den Eindruck von Eintönigkeit oder Dürftigkeit zu vermeiden, wurde durch kräftigere Gliederung und stärkere Formgebung eine Vertiefung des Gegensatzes von Licht und Schatten erstrebt, auch jener zwischen tragenden und getragenen Teilen deutlicher betont. Die Stützen - Wandpfeiler und die nun viel verwendeten Halbsäulen - vereinigte man gern zu Gruppen und erreichte durch alle diese Mittel eine reichere Abwechselung.
Die zweite schmuckhaftere Richtung hielt bei aller Fülle des Zierwerkes immerhin streng daran fest, das dasselbe sich dem baulichen Grundgedanken unterordnen müsse und nicht zur Hauptsache - den Baukörper überwuchernd und erdrückend - werden dürfe. Die Uebertreibung des Schmuckhaften, die schließlich zur Entartung des Stiles führte, stellte sich erst in der letzten Zeit ein.
Das Verhältnis der Baukunst der Hochrenaissance zur Antike hatte sich erheblich geändert. Man begnügte sich nicht mit Nachahmung der Einzelformen, sondern suchte die Großartigkeit der antiken Baukunst dadurch zu erreichen, daß man die Bauteile zweck-
^[Abb.: Fig. 432. Palladio: Basilika.
Vicenza.] ¶
mäßiger und richtiger gestaltete und die Verhältnisse nach den, an den Resten noch kenntlichen und nun erst recht verstandenen Regeln der Alten wählte. Von der bloßen Nachahmung antiker Bauwerke war man anfänglich noch weiter entfernt, als jemals; erst nach Michelangelo kam eine solche auf.
Die Baukunst in Rom. Im letzten Jahre des 15. Jahrhunderts war Bramante nach Rom gekommen und mit seiner Ankunft beginnt die Zeit der höchsten Blüte der Renaissance-Baukunst nicht nur für Rom, sondern für ganz Italien, ja für die ganze Welt. Ich habe schon früher gesagt, daß die römische Baukunst vor Bramante im Wesentlichen nicht über bloße Anläufe hinaus gekommen war; nunmehr entsteht ein Werk, welches die lange Zögerung wett macht, indem es gleichsam die Errungenschaften der florentinischen Baukünstler zusammenfaßt und in abgeklärter Form zur Erscheinung bringt.
Bramantes Bauten. Dieses Bauwerk ist der Palast der päpstlichen Kanzlei, die sogen. Cancelleria (Fig. 419). Gegen die frühere Annahme, daß Bramante der Erbauer der Cancelleria ist, hat man jetzt den Einwand erhoben, daß der Bau schon 1496 teilweise beendet und bewohnt war, doch ist der Name des eigentlichen Baumeisters nicht bekannt. Im Grunde ist es gleichgiltig, wer der Meister war, uns genügt das Vorhandensein des Werkes und wir können immerhin Bramantes Namen damit verknüpfen, denn sein Geist spricht sicher daraus zu uns. Im Aufbau des Aeußeren ging der Meister auf jene Art florentiner Palastbauten zurück, die durch Alberti im Palazzo Ruccellai ^[richtig: Rucellai] vorgezeichnet worden war. Es ist also eine Verbindung von Rustika mit Wandpfeilerordnungen.
Sucht man aber die Unterschiede zwischen beiden auf, so erkennt man leicht in der Cancelleria eine Veredlung der Albertischen Formen. Dieses zeigt sich sowohl in einer Steigerung der Schönheit der Verhältnisse, als auch in geschmackvollerer Bildung der
^[Abb.: Fig. 433. Palladio: S. Giorgio maggiore.
Venedig.] ¶