durch. Bramantes Hauptziel ist die strenge Durchführung der Schönheit der Verhältnisse, im Schmuckwerk beschränkt er sich in seiner vollen Entwicklung nur auf das Allernotwendigste.
Bramantes oberitalienische Bauten. In seiner Frühzeit ist er jedoch von diesem Verzicht auf Schmuckwerk noch weit entfernt, und eines seiner ersten nachweisbaren Werke, der Chorbau von S. Maria delle Grazie zu Mailand ist durchaus im schmuckhaften Stil erbaut. Es ist ein Backsteinbau, welcher die Gabe Bramantes, die neuen Formen dem Baustoff und der Ueberlieferung anzupassen, zeigt. Die innen gewölbte, außen senkrecht emporsteigende vielseitige Kuppel erhielt unter dem schrägen Schutzdache einen Säulenumgang. Die Aehnlichkeit mit den mittelalterlichen Taufkapellen, z. B. mit dem Baptisterium zu Florenz, ist unverkennbar (Fig. 412).
Ein weiteres Bauwerk, an welchem Bramante einen Lieblingsplan, die Ausgestaltung des Kuppelbaues, weiterführen wollte, der Dom zu Pavia, blieb unvollendet. Das Schwergewicht der Thätigkeit Bramantes ruht in Rom und wird bei der Schilderung der römischen Baukunst gewürdigt werden. Vorerst muß ich noch die Gebiete Oberitaliens erwähnen, welche weniger von Florenz abhängig waren und mehr Eigenart aufwiesen.
Bassagli. Gleichzeitig mit Bramante suchten auch andere Künstler Oberitaliens die Eigenheiten der landläufigen Bauformen, bei denen Säulenumgänge an den oberen Stockwerken am augenfälligsten waren, mit denen der Renaissance zu verbinden, so Battista Bassagli in seiner Kirche der Madonna della Croce bei Crema, ebenfalls ein Backsteinbau. Die außen runde Kuppel ist nur im Innern gewölbt und zwar achtfächrig über einem achteckigen Unterbau. Die kleinen Seitenkuppeln über den Kreuzarmen sind ohne Fächer; die zahlreichen Wandpfeiler-Pilaster in strenger, dorischer Einfachheit (Fig. 413).
Certosa bei Pavia. (Fig. 414.) Das rein Schmuckhafte der Renaissance kommt bei der Vollendung der Certosa bei Pavia am merklichsten zum Ausdruck. Das Aeußere ist eine
^[Abb.: Fig. 427. Vignola: Kirche del Gesu.
Rom.] ¶
wahre Musterkarte der Verzierungskunst dieser Zeit. Diese Ueberladung gab der Certosa hauptsächlich ihre Berühmtheit, doch liegt ihr kunstgeschichtlicher Wert, welcher durch den Ueberreichtum an Schmuck eher geschädigt wird, nicht darin, sondern in dem Aufbau des Aeußeren. Dieser ist von großer Schönheit und zeigt wieder eine glückliche Mischung der romanisch-lombardischen Ueberlieferungen mit den neuen Gedanken, jedoch nicht Formen, denn antike Bildungen finden sich fast gar nicht vor. Von den an der Certosa thätigen Künstlern sind zu nennen Ambrogio Borgognone, von dem der Entwurf der Stirnseite stammt, dann die Brüder Montegazza, Antonio Amadeo und Christoforo Solari, die bei der Ausführung des Schmuckes nebst vielen Anderen betheiligt waren.
Venedig. Eine völlige Sonderstellung nimmt Venedig ein. Diese zäh an ihrer Eigenart festhaltende Stadt verschloß sich dem Eindringen der Renaissance bis in die Zeit nach 1470; solange behauptete das «Gotische» - hier nach der zierhaften Seite, soweit es nur irgend gehen wollte, ausgebildet - bei allen Neu- und Umbauten das Feld. Erst als man sich dessen bewußt wurde, daß gerade das Aeußerliche der Renaissance, in seiner Zusammenhangslosigkeit zwischen Aeußerem und Innerem, alle Bedingungen für Bethätigung des lebhaftesten Schmuckbedürfnisses in sich barg, ergriff man den neuen Stil.
Dies geschah zu der Zeit, in welcher der Reichtum der Stadt zur höchsten Blüte gelangt war, so daß Beschränkungen aus Geldmangel nicht notwendig waren. Bei der Enge der meisten als Verkehrswege dienenden Kanäle mußte von vornherein auf eine Wirkung durch großartige Verhältnisse verzichtet werden. Es widersprach auch dem farbenfrohen Sinne der Venezianer, nur in schönen Formen Genüge zu finden. Deshalb verknüpft sich mit der Baukunst Venedigs - wie das Bossenwerk mit der von Toskana - eine eigene Verzierungsart: die Bekleidung der Mauerflächen mit schönfarbigen und kostbaren Gesteinen, die sogenannte «Inkrustation». Bildnerischer Schmuck wurde mit Vorliebe zur ziervollen Ausgestaltung der Einzelheiten verwendet. Dabei wurde der herrschende Mangel an tüchtigen Baumeistern nicht so sehr empfunden, da mehr eine malerische, auf das Schmuckhafte gerichtete Begabung verlangt wurde.
S. Maria de' Miracoli. (Fig. 415.) Die kleine Kirche S. Maria de' Miracoli (1481) bietet die schönste Wirkung, welche durch eingelegte farbige Flächen erzielt werden kann, doch zeigt sie zugleich eine Schwäche der venezianischen Baukunst dieser Zeit, den Mangel an Sinn für richtige Verhältnisse. Die oberen Stockwerke sind höher als das untere, sie drücken deshalb für unser Empfinden auf dasselbe, während der Unterstock als Träger des Ganzen doch gerade den Eindruck des Kräftigen, Tragfähigen machen soll. Der Giebel lastet am schwersten, da die runden Oeffnungen durchaus nicht auflösend wirken. Sieht man aber von diesen Mängeln ab, so hat man genug, was das Auge erfreuen kann; man
^[Abb.: Fig. 428. Palazzo Bevilacqua.
Bologna.] ¶