Kirche S. Andrea zu Mantua, welches er in Anlehnung an einen antiken Tempel bildete. Vier mächtige, über die ganze Höhe gehende Pilaster stützen den dreieckigen Giebel. (Fig. 406.) Im Zusammenhange mit dem Kirchenkörper steht weder dieses Aeußere, noch dasjenige von S. Maria Novella zu Florenz, an welchem zum erstenmale die später häufig vorkommenden Giebelvoluten angewendet werden. Albertis Anteil an dieser Kirche ist nicht genau begrenzt; sicher kann ihm nur das Portal zugeschrieben werden, welches ich als schönes Beispiel seiner Formensprache im einzelnen hier abbilde. (Fig. 407.)
Rossellino. Nach einigen Nachrichten war Alberti Bauleiter am Palazzo Rucellai, der Baumeister und Bildhauer Bernardo Rossellino; jedenfalls zeigt der von ihm erbaute Palazzo Piccolomini (Fig. 408), mit welchem Rossellino die Florentiner Bauformen nach der Provinz Siena versetzt, den stärksten Einfluß Albertis, so daß wohl auf eine engere Beziehung zwischen beiden geschlossen werden darf.
Cronaca. Palazzo Strozzi und Guadagni. In Florenz gelangt noch einmal am Palazzo Strozzi (begonnen 1489) der Rustikapalast zur schönsten Ausführung. (Fig. 409.) Wahrscheinlich rührt der Plan von Giuliano da Sangallo her, während der ausführende Baumeister Benedetto da Majano war. Nach dessen Tode vollendete Simone Pollajolo ^[Pollajuolo], gen. Cronaca, den Bau durch Aufsetzen des wunderschönen, gewaltigen Kranzgesimses - es hat nebst dem zugehörigen Fries 1/8 der Gesamthöhe - welches er getreu nach einem römischen Gesimsstück bedeutend vergrößert bildete.
Stellt der Palazzo Pitti das gewaltigste dar, was durch bloße richtige Wahl der Verhältnisse gewonnen werden konnte, so geben dieselben Mittel beim Palazzo Strozzi ein Musterbild des wahrhaft vornehmen, abgeschlossenen Herrenhauses. Der schöne Hof rührt ebenfalls von Cronaca her. Ueber einem mit Tonnengewölben gedeckten Bogengang erhebt sich ein durch Wandpfeiler geteiltes Fensterstockwerk und über diesem eine Bogen-Laube (Loggia) mit korinthischen Säulen.
Als selbständiger Baumeister schuf Cronaca den Palazzo Guadagni, an welchem er die obere Säulenhalle des Hofes auch an der Vorderseite fortsetzt. Der Palast wird da-
^[Abb.: Fig. 425. Kuppel von St. Peter in Rom.]
durch vierstöckig und zeigt am unteren Geschoß die vollständige Rustika nur an den Kanten; im übrigen die Abart ohne senkrechte Fugen. An den oberen Stockwerken sind ebenfalls nur die Ecken kräftiger betont, die Mauerflächen dagegen glatt und mit Malereien verziert. (Fig. 416).
Giuliano und Antonio da Sangallo. Die Brüder Giuliano und Antonio da Sangallo - unter Albertis Einfluß - suchten besonders den Kirchenbau mit zentraler Anlage weiter zu bilden. Beispiele sind die achteckige Sakristei von S. Spirito in Florenz, die Kirche Madonna delle Carceri in Prato von Giuliano (Fig. 411), die Kirche Madonna di S. Biagio in Montepulciano von Antonio. Die letztere - wie die Carceri über dem griechischen Kreuz errichtet - leitet schon in die Hochrenaissance über und ist besonders durch die geplante Anlage zweier Türme beachtenswert. Nur ein Turm wurde vollendet und zeigt wie die Renaissancekünstler ihn nicht als Beherrscher des Ganzen - dies war und blieb jetzt die Kuppel - sondern als mehr untergeordneten Nebenteil betrachteten. Dies spricht sich an diesem Beispiel außer in der zierlichen Gliederung durch die geringere Höhe als die Kuppel aus, auch deutet die Trennung vom eigentlichen Kirchenkörper auf die nebensächliche Stellung hin.
Verbreitung der Florentiner Bauweise. Die rege Bauthätigkeit von Florenz eiferte auch die Nachbarstädte an und pflanzte sich von einer zur anderen Landschaft fort, bis schließlich ganz Oberitalien von diesem Eifer ergriffen wurde. Die Florentiner Bauweise mußte sich dabei häufig den örtlichen Eigenheiten anpassen, auch die Fortdauer der alten Stile lange Zeit neben sich dulden und zeigt deshalb fast überall Abweichungen von den ursprünglichen Formen.
Bramante. In Mailand machen sich Florentiner Einflüsse schon um das Jahr 1450 bemerkbar, doch kommen sie erst mit Donato d'Angeli Lazzari, gen. Bramante, zum vollen Durchbruch. Bramante erfüllt hier dieselbe Aufgabe wie später in Rom, dessen Baukunst seinem Genie das Erwachen zu neuem künstlerischen Leben zu danken hat. Durch unaufhörliches Lernen an den Werken der Florentiner, mit deren Urhebern er in lebhaftem Verkehr stand, wie durch stetes Anpassen des Gelernten an seine Eigenart ringt er sich schließlich zu einem eigenen Stil - von seinen Landsleuten geradezu Bramantestil genannt -
^[Abb.: Fig. 426. Vignola: Schloß Caprarola.
Bei Viterbo (Provinz Rom).]
durch. Bramantes Hauptziel ist die strenge Durchführung der Schönheit der Verhältnisse, im Schmuckwerk beschränkt er sich in seiner vollen Entwicklung nur auf das Allernotwendigste.
Bramantes oberitalienische Bauten. In seiner Frühzeit ist er jedoch von diesem Verzicht auf Schmuckwerk noch weit entfernt, und eines seiner ersten nachweisbaren Werke, der Chorbau von S. Maria delle Grazie zu Mailand ist durchaus im schmuckhaften Stil erbaut. Es ist ein Backsteinbau, welcher die Gabe Bramantes, die neuen Formen dem Baustoff und der Ueberlieferung anzupassen, zeigt. Die innen gewölbte, außen senkrecht emporsteigende vielseitige Kuppel erhielt unter dem schrägen Schutzdache einen Säulenumgang. Die Aehnlichkeit mit den mittelalterlichen Taufkapellen, z. B. mit dem Baptisterium zu Florenz, ist unverkennbar (Fig. 412).
Ein weiteres Bauwerk, an welchem Bramante einen Lieblingsplan, die Ausgestaltung des Kuppelbaues, weiterführen wollte, der Dom zu Pavia, blieb unvollendet. Das Schwergewicht der Thätigkeit Bramantes ruht in Rom und wird bei der Schilderung der römischen Baukunst gewürdigt werden. Vorerst muß ich noch die Gebiete Oberitaliens erwähnen, welche weniger von Florenz abhängig waren und mehr Eigenart aufwiesen.
Bassagli. Gleichzeitig mit Bramante suchten auch andere Künstler Oberitaliens die Eigenheiten der landläufigen Bauformen, bei denen Säulenumgänge an den oberen Stockwerken am augenfälligsten waren, mit denen der Renaissance zu verbinden, so Battista Bassagli in seiner Kirche der Madonna della Croce bei Crema, ebenfalls ein Backsteinbau. Die außen runde Kuppel ist nur im Innern gewölbt und zwar achtfächrig über einem achteckigen Unterbau. Die kleinen Seitenkuppeln über den Kreuzarmen sind ohne Fächer; die zahlreichen Wandpfeiler-Pilaster in strenger, dorischer Einfachheit (Fig. 413).
Certosa bei Pavia. (Fig. 414.) Das rein Schmuckhafte der Renaissance kommt bei der Vollendung der Certosa bei Pavia am merklichsten zum Ausdruck. Das Aeußere ist eine
^[Abb.: Fig. 427. Vignola: Kirche del Gesu.
Rom.]
wahre Musterkarte der Verzierungskunst dieser Zeit. Diese Ueberladung gab der Certosa hauptsächlich ihre Berühmtheit, doch liegt ihr kunstgeschichtlicher Wert, welcher durch den Ueberreichtum an Schmuck eher geschädigt wird, nicht darin, sondern in dem Aufbau des Aeußeren. Dieser ist von großer Schönheit und zeigt wieder eine glückliche Mischung der romanisch-lombardischen Ueberlieferungen mit den neuen Gedanken, jedoch nicht Formen, denn antike Bildungen finden sich fast gar nicht vor. Von den an der Certosa thätigen Künstlern sind zu nennen Ambrogio Borgognone, von dem der Entwurf der Stirnseite stammt, dann die Brüder Montegazza, Antonio Amadeo und Christoforo Solari, die bei der Ausführung des Schmuckes nebst vielen Anderen betheiligt waren.
Venedig. Eine völlige Sonderstellung nimmt Venedig ein. Diese zäh an ihrer Eigenart festhaltende Stadt verschloß sich dem Eindringen der Renaissance bis in die Zeit nach 1470; solange behauptete das «Gotische» - hier nach der zierhaften Seite, soweit es nur irgend gehen wollte, ausgebildet - bei allen Neu- und Umbauten das Feld. Erst als man sich dessen bewußt wurde, daß gerade das Aeußerliche der Renaissance, in seiner Zusammenhangslosigkeit zwischen Aeußerem und Innerem, alle Bedingungen für Bethätigung des lebhaftesten Schmuckbedürfnisses in sich barg, ergriff man den neuen Stil.
Dies geschah zu der Zeit, in welcher der Reichtum der Stadt zur höchsten Blüte gelangt war, so daß Beschränkungen aus Geldmangel nicht notwendig waren. Bei der Enge der meisten als Verkehrswege dienenden Kanäle mußte von vornherein auf eine Wirkung durch großartige Verhältnisse verzichtet werden. Es widersprach auch dem farbenfrohen Sinne der Venezianer, nur in schönen Formen Genüge zu finden. Deshalb verknüpft sich mit der Baukunst Venedigs - wie das Bossenwerk mit der von Toskana - eine eigene Verzierungsart: die Bekleidung der Mauerflächen mit schönfarbigen und kostbaren Gesteinen, die sogenannte «Inkrustation». Bildnerischer Schmuck wurde mit Vorliebe zur ziervollen Ausgestaltung der Einzelheiten verwendet. Dabei wurde der herrschende Mangel an tüchtigen Baumeistern nicht so sehr empfunden, da mehr eine malerische, auf das Schmuckhafte gerichtete Begabung verlangt wurde.
S. Maria de' Miracoli. (Fig. 415.) Die kleine Kirche S. Maria de' Miracoli (1481) bietet die schönste Wirkung, welche durch eingelegte farbige Flächen erzielt werden kann, doch zeigt sie zugleich eine Schwäche der venezianischen Baukunst dieser Zeit, den Mangel an Sinn für richtige Verhältnisse. Die oberen Stockwerke sind höher als das untere, sie drücken deshalb für unser Empfinden auf dasselbe, während der Unterstock als Träger des Ganzen doch gerade den Eindruck des Kräftigen, Tragfähigen machen soll. Der Giebel lastet am schwersten, da die runden Oeffnungen durchaus nicht auflösend wirken. Sieht man aber von diesen Mängeln ab, so hat man genug, was das Auge erfreuen kann; man
^[Abb.: Fig. 428. Palazzo Bevilacqua.
Bologna.]
darf ja die venezianische Baukunst, und besonders jene der Frührenaissance, nicht mit denselben Maßen messen wie die florentinische. Nur wer auch an rein malerischer Baukunst Freude haben kann, wer sich die malerischen Schönheiten nicht durch die oft groben Verstöße in der Baufügung verdecken läßt, kann auch in Venedig Baukunst genießen.
Die Lombardi. Die Kirche S. Maria de' Miracoli ist ein Werk der Künstlerfamilie Lombardi, deren Haupt Pietro Solari gen. Lombardo war. Die Lombardi beherrschen die Kunst Venedigs, sowohl als Baukünstler wie als Bildhauer, obwohl sie nicht gebürtige Venezianer waren, so daß fast alle bedeutenderen Bauten der Frührenaissance auf sie zurückgeführt werden. Ob zu diesen Bauten das Aeußere der Kirche S. Zaccaria zu rechnen ist, bleibt zweifelhaft.
Zu dieser Art zählt auch die Scuola (Brüderschaftshaus) di S. Marco (Fig. 416), deren Aeußeres zu den prächtigsten Venedigs gehört. Freilich die Verhältnisse und Anordnung des Ganzen wie der Einzelheiten sind unschön und verstoßen wider alle Regel, aber als Schmuckstück betrachtet ist das Werk von reizvollster Wirkung, die jeden Unbefangenen in ihren Bann nimmt.
Der Hang zum Malerischen. Das Malerische gewinnt zuletzt gänzlich die Oberhand; durch Unregelmäßigkeit wird Abwechslung zu erreichen gesucht, doch rächt sich das an größeren Aufgaben, wie dem Hof des Dogenpalastes, welcher durch die Formenfülle verwirrend wirkt und durch unregelmäßige Gliederung den reinen Genuß stört. Wie die überquellende Erfindungsgabe sich hier im einzelnen offenbart, zeigen neben den reichgeschmückten zahllosen Wandpfeilern auch ganz untergeordnete Teile, wie die Stufen der sogenannten Riesentreppe, deren Vorderseiten mit unter sich jedesmal verschiedenen Rankenbändern aus eingelegtem schwarzem Marmor geschmückt wurden.
An Palästen sind aus dieser Zeit die Palazzi Vendramin (Fig. 417) - begonnen 1481 von Pietro Lombardo - und Corner Spinelli zu nennen, der erstere der schönste und größte. Auffällig ist vor allem die Verwendung der Säulen an Stelle der üblichen Pilaster. Die Verhältnisse sind etwas besser gewählt als sonst üblich, werden aber von denen des Palazzo Corner Spinelli übertroffen (Fig. 418).
^[Abb.: Fig. 429. Jacopo Sansovino: Bibliothek von S. Marco.
Venedig]
Rom zur Zeit der Frührenaissance. Während in Oberitalien unter Führung von Florenz die Frührenaissance die Herrscherin wurde und allmählich zur Hochrenaissance heranreifte, blieb Rom in fast teilnahmsloser Ruhe. Zwar gelangten vornehmlich unter Papst Nicolaus V. toskanische Baumeister und Florentiner Einfluß auch hierher, doch entstand kein Werk, welches durch schöne Verhältnisse, Formen oder Eigenart Anspruch auf größere Bedeutung erheben konnte. Erst mit Bramantes Eintreffen in Rom (um 1499) ändert sich dieser Zustand, um dann sofort die Baukunst zur vollsten und herrlichsten Blüte gelangen zu lassen. Doch tritt dies erst in der Zeit der Hochrenaissance ein und muß füglich mit dieser behandelt werden. Auch in der Umgebung Roms gelangt man fürs erste nicht über Anläufe hinaus, welche alle auf Verwertung der Florentiner Vorbilder beruhen.
***
Die Hochrenaissance. Der Uebergang von der sogen. Frührenaissance zur Hochrenaissance vollzog sich allmählich mit dem Wechsel des Jahrhunderts. An feste Jahreszahlen ist er nicht gebunden, ebenso wenig können bestimmte Künstler als Begründer der Hochrenaissance angesehen werden. Es entstand ja kein neuer Stil, und die Kunstentwicklung der neuen Zeit ist doch nur die Frucht der mühevollen Arbeit des fünfzehnten Jahrhunderts.
Der Kunstgeist der Frührenaissance strebte nach Naturwahrheit; er suchte aber damit auch Schönheit zu verbinden. Nicht eine blos äußerliche glatte Schönheit, sondern jene, die in der Wahrheit begründet ist. Jeder Künstler suchte auf seine Weise und nach seinem Können zur Erreichung dieses Zieles zu gelangen und je mehr er von der Erfahrung seiner Vorgänger und seiner Genossen für sich nutzbar machen konnte, desto leichter wurde es ihm, selbst wieder förderlich zu sein. Hatte er dabei nur äußerliche Gaben mitgebracht, so bildete er doch wenigstens die Arbeitsfertigkeit weiter. War er selbst Denker und Ringer, so wurde er auch ein geistiger Förderer und brachte die Kunst der Reife näher. Als wahre Künstler der Hochrenaissance
^[Abb.: Fig. 430. Jacopo Sansovino: Loggetta.
Venedig.]
^[Abb.: Fig. 431. Palladio: Palazzo Communale.
Vicenza.]
kann man deshalb alle die Meister gelten lassen, die uns in ihren Werken eine Zusammenfassung der Bestrebungen der Frührenaissance bieten und dies in Schönheit der Auffassung, in tiefem Durchdenken des Dargestellten und in voller Beherrschung der Ausdrucksmittel, das heißt der Formen, zur Erscheinung bringen.
In der Baukunst drückt sich die Reife in der gesteigerten Anwendung reiner voller Verhältnisse in der malerischen Gliederung der Massen und in dem bei allem Reichtum doch maßvollen Schmuck aus. Auch der innere Zusammenhang der Teile mit dem Ganzen, die Abhängigkeit der Formgestaltung von dem Grundgedanken der Baufügung wurde mehr beachtet.
Es bildeten sich zwei Richtungen heraus. Die eine suchte Wirkung nur durch schöne Verhältnisse und einfache edle Formen zu erzielen. In der Bildung der Säulen und Wandpfeiler verwendet sie fast nur die dorische Ordnung. Um dabei den Eindruck von Eintönigkeit oder Dürftigkeit zu vermeiden, wurde durch kräftigere Gliederung und stärkere Formgebung eine Vertiefung des Gegensatzes von Licht und Schatten erstrebt, auch jener zwischen tragenden und getragenen Teilen deutlicher betont. Die Stützen - Wandpfeiler und die nun viel verwendeten Halbsäulen - vereinigte man gern zu Gruppen und erreichte durch alle diese Mittel eine reichere Abwechselung.
Die zweite schmuckhaftere Richtung hielt bei aller Fülle des Zierwerkes immerhin streng daran fest, das dasselbe sich dem baulichen Grundgedanken unterordnen müsse und nicht zur Hauptsache - den Baukörper überwuchernd und erdrückend - werden dürfe. Die Uebertreibung des Schmuckhaften, die schließlich zur Entartung des Stiles führte, stellte sich erst in der letzten Zeit ein.
Das Verhältnis der Baukunst der Hochrenaissance zur Antike hatte sich erheblich geändert. Man begnügte sich nicht mit Nachahmung der Einzelformen, sondern suchte die Großartigkeit der antiken Baukunst dadurch zu erreichen, daß man die Bauteile zweck-
^[Abb.: Fig. 432. Palladio: Basilika.
Vicenza.]
mäßiger und richtiger gestaltete und die Verhältnisse nach den, an den Resten noch kenntlichen und nun erst recht verstandenen Regeln der Alten wählte. Von der bloßen Nachahmung antiker Bauwerke war man anfänglich noch weiter entfernt, als jemals; erst nach Michelangelo kam eine solche auf.
Die Baukunst in Rom. Im letzten Jahre des 15. Jahrhunderts war Bramante nach Rom gekommen und mit seiner Ankunft beginnt die Zeit der höchsten Blüte der Renaissance-Baukunst nicht nur für Rom, sondern für ganz Italien, ja für die ganze Welt. Ich habe schon früher gesagt, daß die römische Baukunst vor Bramante im Wesentlichen nicht über bloße Anläufe hinaus gekommen war; nunmehr entsteht ein Werk, welches die lange Zögerung wett macht, indem es gleichsam die Errungenschaften der florentinischen Baukünstler zusammenfaßt und in abgeklärter Form zur Erscheinung bringt.
Bramantes Bauten. Dieses Bauwerk ist der Palast der päpstlichen Kanzlei, die sogen. Cancelleria (Fig. 419). Gegen die frühere Annahme, daß Bramante der Erbauer der Cancelleria ist, hat man jetzt den Einwand erhoben, daß der Bau schon 1496 teilweise beendet und bewohnt war, doch ist der Name des eigentlichen Baumeisters nicht bekannt. Im Grunde ist es gleichgiltig, wer der Meister war, uns genügt das Vorhandensein des Werkes und wir können immerhin Bramantes Namen damit verknüpfen, denn sein Geist spricht sicher daraus zu uns. Im Aufbau des Aeußeren ging der Meister auf jene Art florentiner Palastbauten zurück, die durch Alberti im Palazzo Ruccellai ^[richtig: Rucellai] vorgezeichnet worden war. Es ist also eine Verbindung von Rustika mit Wandpfeilerordnungen.
Sucht man aber die Unterschiede zwischen beiden auf, so erkennt man leicht in der Cancelleria eine Veredlung der Albertischen Formen. Dieses zeigt sich sowohl in einer Steigerung der Schönheit der Verhältnisse, als auch in geschmackvollerer Bildung der
^[Abb.: Fig. 433. Palladio: S. Giorgio maggiore.
Venedig.]
Einzelheiten und in Verminderung des Zierwerkes. Der untere Stock zeigt blos Bossenwerk, gewinnt also wieder, dem Gedanken des Tragens der Gesamtlast entsprechend, das Aussehen des Sicheren. Die beiden oberen Stockwerke erhalten dagegen vermehrte Pfeilerstellungen - Pilastergruppen -, indem jedem Fenster noch zwei begleitende Pfeiler beigegeben werden. Richtiger ist auch der Aufbau der Pilaster, sie steigen nicht - wie beim Palast Rucellai - ohne weiteres von dem Gebälk der unteren Ordnung auf, sondern von einem auf diesem ruhenden Sockel, der zugleich die Höhe der Fensterbrüstung bestimmt. Dadurch wird eine jede Ordnung selbständig und jedes Stockwerk erscheint als ein für sich abgeschlossenes, fertiges Ganzes. Daß dann diese Einzelteile zusammen wieder zu einem großen Ganzen im schönen Einklang sich vereinigen, zeugt für die große Kunst des Meisters.
Auch die reiche Ausgestaltung der Einzelheiten, der Thüren, Fenster und geschmückten Gesimsbänder ist fortgefallen und alles auf den Ausdruck des Großartig-Einfachen abgestimmt. Das allmähliche Abnehmen der Masse nach oben zu wird weniger durch auffällige Erniedrigung der Stockwerkhöhen, als vielmehr durch Verkleinerung der Einzelteile z. B. der Fenster, gekennzeichnet. Diese erhielten im oberen Stock die in der Hochrenaissance am meisten beliebte rechteckige Form. In den beiden unteren Stockwerken und unter dem Dache werden die rundbogigen Fenster durch eine rechteckige Umrahmung eingeschlossen.
Im Hof der Cancelleria zeigen sich dieselben Schönheiten wie im Aeußeren. Die Säulen des Untergeschosses wurden von einer abgebrochenen alten Basilika - S. Lorenzo - genommen, sie sind ursprünglich Teile eines altrömischen Gebäudes gewesen, also «echt antik.»
Eine Art Wiederholung hinsichtlich der Einzelheiten findet man an dem Palast Giraud oder Torlonia, 1496-1504 erbaut, der jedoch durch anders gewählte Verhältnisse seine besondere, unterscheidende Eigenart erhält.
Von beglaubigten fertigen Werken Bramantes aus seiner römischen Zeit ist sonst wenig erhalten. Vieles wurde wegen der Großartigkeit der Pläne nicht vollendet, anderes wieder zerstört. Die paar bestehenden Bauwerke im Verein mit seinen noch vorhandenen Entwürfen geben jedoch ein genügend deutliches Bild von dem, was Bramante gewollt hat. Im Kleinen bietet ein Tempelchen im Klosterhofe von S. Lorenzo alle Schönheiten seines Stils, es ist zugleich der einzige wirklich vollständig nach seinem Plane vollendete Kuppelbau. Bei der Anlage dieses reizenden Bauwerkes ging Bramante von der Kreislinie aus. Der Grundriß bildet einen Kreis, die Kuppel ist streng halbkugelförmig und ruht auf einem Säulen-Umgang, zur Belebung der Wandflächen dienen runde Nischen. Alles Zierwerk wurde vermieden; die Säulen des Umganges sind dorisch gebildet (Fig. 420).
Ein anderes eigenes Werk Bramantes ist der Klosterhof bei S. Maria della Pace, welcher neben dem Reiz schöner Verhältnisse, noch einen besonderen durch die freie Ver-
^[Abb.: Fig. 434. Palladio: Kirche del Redentore.
Venedig.]
^[Abb.: Brunellesco: Opfer Abrahams.
Florenz. Nationalmuseum.]
^[Abb.: Ghiberti: Opfer Abrahams.
Florenz. Nationalmuseum.]
^[leere Seite]
wendung von Pfeiler, Säulen und Bogenverbindungen erhält. Neu ist dabei die Verbindung von ganzen Pfeilern mit Halbpfeilern. So steigen im Untergeschoß, längs den die Bogen tragenden Pfeilern, flache Wandpfeiler als Stützen des Gesimses auf; ähnliche flache Pfeiler treten zu den Hauptstützen des oberen Stockwerkes. Die Säulen zwischen den Pfeilern des Obergeschosses verstoßen zwar gegen die strenge Kunstregel, nach der über einer Bogenmitte keine Stütze stehen soll, doch wird durch dieselbe eine zu weite, unschön wirkende Spannung zwischen den Dachträgern vermieden und zugleich eine Abwechslung in die Stützenordnung gebracht.
In der Marmorumkleidung des heiligen Hauses in Loreto - nach der Sage das Haus, in dem Jesus geboren wurde und das von Engeln nach Loreto gebracht wurde - gab Bramante nun auch ein Musterbild für den schmuckhaften Baustil.
Das Lebenswerk Bramantes sollte durch zwei Bauten gekrönt werden, die wohl das herrlichste geworden wären, was die Baukunst je hervorgebracht hat: den Palast des Vatikan und die Peterskirche. Beide wurden nicht nach seinem Plane beendet, so daß wir nur an Einzelheiten seine Absichten erkennen können. Von der Peterskirche rede ich später, da sie zwar nach Bramantes Plänen begonnen wurde, doch die Gedanken so vieler Künstler vereinigt, daß sie als Ergebnis der ganzen römischen Baukunst von Bramantes Richtung anzusehen ist und deshalb über sie am Schlusse dieses Abschnittes gesprochen werden soll.
Die Nachfolger Bramantes. Aus den vollendeten Werken läßt sich Bramantes Bedeutung für die Baukunst nicht vollständig erkennen; um zu einer vollen Würdigung seiner Persönlichkeit zu gelangen, muß man auch betrachten, was er gewollt hat, und dies kommt in seinen Entwürfen wie auch in den Werken seiner Schüler zum Ausdruck.
^[Abb.: Fig. 435. Ghiberti: Erschaffung der Menschen und Sündenfall.
Florenz. Flachbild von der Hauptthüre des Baptisteriums.
(Vordergrund links: Erschaffung Adams; rückwärts: die Verführung; Mittelgrund: Erschaffung der Eva; Vordergrund rechts: Vertreibung aus dem Paradiese.)]
Der Einfluß Bramantes war ein bedeutender und erstreckte sich auf alle jüngeren Künstler, berührte aber auch die älteren, wie Giuliano da Sangallo. In seinem Kreise finden wir Namen wie Peruzzi, Antonio da Sangallo, Giulio Romano, Sansovino und Sanmicheli. Von den beiden größten Künstlern der Renaissance, Rafael und Michelangelo, ist der erstere, soweit seine Thätigkeit als Baukünstler in Frage kommt, ein unmittelbarer Schüler Bramantes und der andere wandelte ebenfalls in dessen Bahnen, um schließlich die Formensprache des Meisters in das Uebergewaltige zu steigern.
Von weniger bekannten Meistern ist Cola di Mattuccio zu nennen, der in seiner Kirche Madonna della Consolazione in Todi - vielleicht nach Bramantes Plänen - die Formensprache des Meisters am reinsten wiederholt.
Raphael Santi. Raphael war von Bramante selbst als sein «Erbe» bezeichnet worden, und in der That hat er mit bewundernswertem Feingefühl die Kunstweise des Meisters erfaßt und sie in selbständigem Geiste durchaus eigenartig weitergebildet. Als selbständiger Baumeister trat Rafael zuerst mit der Kirche S. Eligio degli Orefici hervor, bei welcher er einen Gedanken Bramantes aus dessen Plänen zur Peterskirche ausführt. Einen vollständig eigenen Entwurf legte er dem Bau der Kapelle Chigi in S. Maria del Popolo zu Grunde, deren bildnerische und malerische Ausschmückung ebenfalls er übernehmen sollte, was jedoch nur in sehr beschränktem Maße geschah.
Die römischen Palastbauten, zu welchen Rafael Entwürfe schuf, sind fast sämtlich zerstört oder durch Umbauten entstellt, so die Palazzi Branconio del Aquila, Palazzo Vidoni (Caffarelli) und die Villa Madama. Für Florenz lieferte Rafael die Entwürfe zum Palazzo Pandolfini, die Ausführung übernahm jedoch Giovanni Francesco da Sangallo. Für den zerstörten Palazzo Branconio del Aquila bietet eine Wiederholung desselben der Palazzo Spada, den ich wegen einer Eigenart hier erwähne, einigen Ersatz. An dem Aeußeren dieses Palastes ist der Versuch gemacht worden, die sonst vorkommende Bemalung durch bildnerischen Schmuck zu ersetzen. Nicht nur die Nischen enthalten Standbilder, sondern auch die Flächen zwischen den Fenstern und die Friese sind mit flachbildnerischen Darstellungen geschmückt. Vom Jahre 1514 an bis zu seinem Tode war Rafael auch der Leiter des Baues der Peterskirche. - Ein berühmtes römisches Bauwerk, die Villa Farnesina, ist nicht ganz sicher als Werk Rafaels anzusehen; für diese kommt vielleicht Baldassare Peruzzi als Hauptmitarbeiter in Betracht, jedenfalls ist sie aber im Geiste Rafaels erdacht. Von schlichter Einfachheit in allen Einzelheiten erscheint sie als Ganzes in so vornehmer und abgeklärter Schönheit, daß sie geradezu vorbildlich genannt werden muß (Fig. 421).
^[Abb.: Fig. 436. Donatello: Johannes Evangelist.
Florenz. Dom.]