a. Italien.
Die Baukunst der Frührenaissance. Dem Ursprungslande der Renaissance, Italien, in welchem sie auch zur höchsten Entwicklung gelangte, gebührt der Vortritt, nachdem es in der Zeit der gotischen Stilherrschaft hatte zurücktreten müssen. Natürlich ist es wieder die Baukunst, welche an erster Stelle betrachtet werden muß. Zwar früher als in den anderen Zweigen der bildenden Kunst tritt in der Bauweise der neue Geist nicht zu Tage - seine ersten Spuren sind vielmehr auf jenen Gebieten zu finden -, aber er ist in ihren Werken leichter zu erkennen, als bei jenen der Bildnerei und Malerei, in welchen er die Formgebung nicht so gründlich und jählings verändern konnte.
Der Drang nach einem Baustil, welcher den italienischen Anschauungen und Zeitbedürfnissen besser entsprach als die allwärts herrschende Gotik, war schon lange vorhanden. Man hatte letztere nur sozusagen «notgedrungen» aufgenommen, denn ihr Geist entsprach zu wenig dem leichtbeweglichen, eben nicht sehr gedankentiefen italienischen Wesen, und widersprach geradezu allen Ueberlieferungen, welche durch Jahrhunderte Anschauungen und «Geschmack» in einem anderen Sinne erzogen hatten. Im Grunde war daher der gotische Stil den italienischen Künstlern durchaus verhaßt, da er sie zwang, in Formen und nach Gesetzen zu bauen, für welche sie weder rechtes Verständnis noch auch «Gefühl» hatten. Der Versuch, eine eigene italienische Gotik zu begründen, mußte mißlingen, weil schon von Anbeginn an gegen die in ihrem innersten Wesen nicht verstandenen Grundlehren des gotischen Stiles verstoßen wurde.
Man kann begreifen, daß für die italienischen Baukünstler es gewissermaßen eine Erlösung aus einem Zwange erschien, als durch die vorhin geschilderte Bewegung der
^[Abb.: Fig. 416. Pietro Lombardo: Brüderschaftshaus San Marco.
Venedig. (Jetzt Spital.)] ¶
Geister und andere Umstände eine gründlichere, eingehende Beschäftigung mit der Antike angeregt wurde. Indem sie die Formen derselben aufgriffen, hofften sie zu einem Stil zu gelangen, welcher sowohl den Bedürfnissen des Lebens, wie denen ihres Schönheitsgefühles zu entsprechen vermochte.
Es wäre ein Irrtum, zu glauben, daß nun sofort auch im Geiste der reinen Antike gebaut wurde, denn dieser war auch von den Humanisten keineswegs klar und richtig erfaßt worden. Zunächst sind es mehr nur Aeußerlichkeiten, eben die Formen, welche von den Künstlern aufgenommen werden. Für das Wesen des Ganzen, für die Grundanlage, war der Geist ihrer Zeit maßgebend, in dessen Sinne sie «erfanden», und nur für die Einzelheiten, die Bauteile, verwerteten sie die Vorbilder. Die Künstler wollten eben sich nicht durch strenge Regeln - wie sie der hochgotische Stil hatte - binden lassen, sondern im freien Schaffen ihre eigenen künstlerischen Anschauungen, ihre Persönlichkeit, zum Ausdruck bringen. Die Bauwerke der Renaissance lassen sich deshalb auch am besten im Zusammenhange mit ihren Urhebern schildern und ich schicke hier nur einige allgemeine Bemerkungen voraus.
Allgemeine Züge. Der leitende Grundsatz war, bei jeder Aufgabe die dem Zweck am besten entsprechende, also «schönste» Form zu finden. Dennoch weisen nicht nur die Werke der einzelnen Künstler - soweit diese selbstschaffende Geister waren - sondern auch die einzelnen Werke eines und desselben Meisters oft die größten Verschiedenheiten auf.
Es bestand nur ein Gesetz für Grundriß, Aufbau und Ausschmückung: alles sollte unter sich und zu dem Ganzen in schönem Verhältnis stehen, der reinste Einklang der Erscheinungen erreicht werden. Dieses Streben nach «Schönheit der Verhältnisse» ist das
^[Abb.: Fig. 447. Pietro Lombardo: Palazzo Vendramin-Calergi.
Venedig.] ¶