In der letzteren liegt der entscheidende Fortschritt; die Farbe wird jetzt zu dem wesentlichsten Ausdrucksmittel der Erscheinung, man wählt kraftvolle und leuchtende Töne und achtet darauf, daß sie im schönen Verhältnisse zu einander stehen, kurz, arbeitet auf feine Farbenstimmung hin. Gewisse Mängel der Zeichnung bleiben daher ziemlich lange bestehen, auch dann noch, als das Streben nach größerer Naturwahrheit sich geltend machte; das Ueberschlanke und Eckige verschwindet zwar, dafür werden die kurzen Verhältnisse der Gestalten, ein eigentümlich brüchiger Faltenwurf der Gewandung und eine derbe, breite Gesichtsbildung bei den Männern für die späteren Werke bezeichnend.
In der Behandlung der Farbe und in dem Ausdrucke der Stimmung zeigt sich die kölnische Malerei der gleichzeitigen italienischen überlegen, die Stärke der letzteren liegt in der Darstellung bewegten Lebens, der Handlungen. Auf dieser hohen Stufe erscheint die kölnische Kunst bereits in den ersten Jahrzehnten des 15. Jahrhunderts, wofür das sogenannte «Dombild» zeugt, ein dreiteiliges Altargemälde, das für die 1426 gestiftete Rathauskapelle bestimmt war. (Fig. 383.)
Stephan Lochner. Dieses bedeutsame Werk wird dem Meister Stephan Lochner zugeschrieben, der aus Meersburg am Bodensee stammte und 1451 starb. Ebenso wenig wie bei Meister Wilhelm lassen sich mit zweifelloser Sicherheit die Arbeiten Lochners feststellen, und sein Name mag denn auch mehr als Vertreter der Kunstweise seiner Zeit zu betrachten sein. Schon diese Gruppe läßt das Fortschreiten zu größerer Wirklichkeitstreue erkennen, welches in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts immer deutlicher hervortritt. Es geschah dies unter dem mächtigen Einflüsse der niederländischen Malerei, welche seit 1420 mit aller Entschiedenheit auf «Naturwahrheit» ausgegangen war und mit allen bis-
^[Abb.: Fig. 379. Carpaccio: Abreise der Verlobten.
(Aus der Geschichte der hl. Ursula.) Venedig. Akademie.] ¶
herigen Ueberlieferungen gebrochen hatte. (Fig. 384.) In dem Maße, als sich die kölnische Malerei von der gedanklichen Richtung entfernte und der Natur näherte, mußte sie in den Bann der Niederländer geraten, welche die naturtreue Darstellungsweise bereits vollkommen beherrschten, dabei aber auch ihre Eigenart wesentlich einbüßen.
Niedergang der kölnischen Schule. Um das Jahr 1500 ist die kölnische Kunstweise im vollen Niedergange; es giebt zwar noch Meister, welche an der alten Richtung festhalten wollen, sie verfallen aber dabei nur in Uebertreibungen; die Empfindungen und Stimmungen, welche sie ausdrücken wollen, sind in Wahrheit eben nicht mehr vorhanden. Eine neue Zeit mit neuen Anschauungen ist angebrochen. - Aus dieser zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts besitzen wir eine stattliche Reihe von Werken, unter welchen einzelne von großer Schönheit sind.
Die Meister kennt man nicht, doch hat man Gruppen von Arbeiten gebildet, von welchen man annimmt, daß sie aus einer und derselben Werkstatt stammen und benennt diese nach dem hervorragendsten Werke. So unterscheidet man einen «Meister des Münchner Marienlebens», «Meister des Georgenaltars», «des hl. Bartolomäus», «der hl. Sippe» u. s. w. (Fig. 385.) Daß die Zuteilung eine sehr unsichere ist, braucht wohl nicht erst gesagt zu werden; für die Betrachtung der Gesamtentwicklung ist dies übrigens auch nebensächlich. Als Träger der letzteren erscheinen in diesem Zeitraum noch nicht künstlerische Persönlichkeiten, sondern die Zunftgenossenschaft, in welcher als Einzelne nur die unpersönlichen Werkstätten erkennbar sind.
Schwaben. Unabhängig von der rheinländischen oder kölnischen Malweise - die auch in den Werkstätten der westfälischen Städte herrschte - hatte sich in Süddeutschland,
^[Abb.: Fig. 380. Francesco Francia: Vermählung der hl. Cäcilie mit Valerian.
Bologna. Kirche der Hl. Cäcilie.] ¶