Malerei im Dienste der Baukunst. Es wurde bereits angedeutet, daß die Malerei seit dem 14. Jahrhundert aus ihrer bisherigen bescheidenen Stellung in den Vordergrund zu treten begann und sich anschickte, die führende Stellung in den Künsten einzunehmen. Der Zusammenhang ihrer Entwicklungsgeschichte erfordert es, daß ich dieselbe abgesondert behandle und nicht wie bisher im Anschluß an den durch den Baukunststil bestimmten Zeitraum. Von einem «gotischen Stil» in der Malerei kann man eigentlich nicht sprechen, höchstens nur in dem Sinne, daß die geistige Auffassung, welche in der Baukunst die Richtung bestimmte, zur selben Zeit auch in ihr hervortritt.
An dieser Stelle will ich in Kürze nur einiger Zweige der Malerei gedenken, welche entweder noch in enger Verbindung mit der Baukunst verblieben - Glasmalerei und Mosaikkunst -, oder mehr die Art der Kleinkunst tragen, wie die Miniaturen. Noch für die romanische Zeit sind diese Zweige, namentlich die Miniatur-Malerei, von wesentlicher Bedeutung, weil aus den Arbeiten auf diesen Gebieten wir das malerische Können vorwiegend beurteilen müssen, da die Werke der Wandmalerei fast durchwegs verloren sind und die Tafelmalerei noch selten war.
Miniaturmalerei. Die Miniaturmalerei zeigt unverkennbare Fortschritte, die hauptsächlich nur auf der erhöhten Arbeitsfertigkeit beruhen. Sie war eben in diesem Zeitraume auch Gegenstand des gewerblichen Betriebes geworden, und die weltliche Zunft der «Illuminatoren» trat an Stelle der klösterlichen Künstler. Dadurch ging den Arbeiten natürlich viel von persönlicher Eigenart verloren, dafür gewannen sie an besserer Ausführung, die in geschulten Händen lag. Auch trat Arbeitsteilung ein, das bloße
^[Abb.: Fig. 335. Cimabue: Madonna auf dem Throne.
Florenz. St. Maria Novella.] ¶
Zierwerk blieb Gehilfen überlassen, der Meister führte nur die Hauptzeichnungen aus. Die gesteigerte Nachfrage nach Büchern, die mit Miniaturen geziert waren, förderte natürlich dieses «Illuminatorengewerbe», wie sie andrerseits auch dieses bestimmte, sich dem Geschmacke der Kunden anzupassen und Leichtverständliches, Gefallsames zu liefern. Die strenge Ernsthaftigkeit, welche im vorigen Zeitraume noch vielfach zu finden war, verliert sich gänzlich, Anmut und Lebendigkeit kommen zur Alleinherrschaft. Immer mehr strebt man auch Naturwahrheit an und sucht die Gegenstände treulich zu schildern; man wendet sich nicht ausschließlich an die Einbildungskraft des Beschauers, sondern will durch Erinnerung an die Wirklichkeit die Stimmung erzeugen, welche für das Erfassen des Inhaltes der Darstellung nötig ist.
In Sauberkeit und Sicherheit der Ausführung steht die französische Miniaturmalerei an erster Stelle; freilich zeigen ihre Arbeiten auch jene Gleichmäßigkeit und Glätte, welche dem Gewerbebetrieb eigen ist, der die künstlerisch-persönliche Eigenart zurückdrängt. An feiner Schönheit und dichterischer Auffassung werden die französischen Werke dagegen von den englischen übertroffen; die Handfertigkeit ist geringer, dafür entschädigt aber die selbständigere Auffassung. Die deutschen Miniaturen haben den Vorzug der leichten, schwungvollen Zeichnung, bei ihnen tritt die Richtung auf das Zarte, fast Weichliche besonders hervor.
Glasmalerei. Deutschland war auch die Hauptstätte der Glasmalerei, welche hier die eifrigste Pflege und schönste Entwicklung fand; stand sie ja in engster Beziehung zu der Baukunst. Die gotischen Kirchen erhielten allenthalben farbige Fenster, fast durchwegs von prächtiger Ausführung. Die älteren Werke zeichnen sich durch besondere Leuchtkraft der Farben - die dunkleren wurden bevorzugt - und deren schöne Zusammenstimmung aus, während auf die Zeichnung weniger Gewicht gelegt wird. Später nimmt man hellere Farben, zeichnet auch richtiger und giebt den Gestalten größere Verhältnisse; man begnügt sich nicht mehr mit der bloßen Farbenwirkung, sondern strebt unter dem Einflusse der Tafelmalerei eine wirklich malerische Behandlung an, d. h. sucht in den Glasmalereien die Eigenart eigentlicher Gemälde wiederzugeben.
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Umwälzungen auf dem Gebiete der Kunst. In der Zeit vom 11. bis zum 14. Jahrhundert vollzogen sich jene großen Umwälzungen, welche für die «Gesamtheit der Kunst» von entscheidender Bedeutung wurden. Zur Erläuterung muß ich hier einige kurze «allgemeine» Sätze einschalten. - Das höchste Ziel aller Kunst ist, innere Vorgänge (Gedanken, Empfindungen) zum Ausdrucke zu bringen, also unsichtbare, richtiger gesagt: sinnlich nicht wahrnehmbare Dinge durch die Sinne erfaßbar zu machen. Da die feinsten Regungen des Seelenlebens am vollkommensten auszudrücken nur die Musik im stande ist,
^[Abb.: Fig. 336. Duccio di Buoninsegna. Christus erscheint den Jüngern.
(Teilstück). Siena. Dom-Museum.] ¶