b. Romanisches Zeitalter.
Antike Welt und Mittelalter. Im 10. Jahrhundert erscheint nicht nur die neue Völkerverteilung auf dem Boden der Weltkultur abgeschlossen, sondern auch das begründet, was man als den «Geist des Mittelalters» bezeichnen muß, das heißt: die maßgebenden und treibenden Anschauungen und Grundsätze, welche das Leben des Einzelnen wie der Gesellschaften bestimmen und die gegenseitigen Beziehungen derselben untereinander ordnen. Es ist daher am Platze, den Unterschied zwischen dem Geist der «antiken» Welt und jenem des Mittelalters kurz zu kennzeichnen.
Das volle Verständnis der Kunst - als einer Erscheinung und einem Ergebnis der jeweiligen Kultur - setzt voraus, daß man den Geist der Zeit erfaßt und erkannt hat. Dieses Erkennen ist für das Mittelalter wesentlich erleichtert, da die Quellen, aus welchen wir schöpfen können, reichlicher fließen, als für das Altertum; sodann treten auch die Persönlichkeiten, da sichere Nachrichten über sie und ihre Werke häufiger werden, auch deutlicher in Erscheinung, und es wird daher möglich, die Kunsterscheinungen in Grund- und Folgewirkung besser zu verstehen.
Das nötigt auch zu einer anderen Betrachtungsweise, die nunmehr auf das Einzelne eingehen muß. Wohl zeigt die Kunst in dem für die Entwicklung der Welt und Menschheit maßgebenden Kulturkreise - dem abendländischen - im Allgemeinen, d. h. in den Hauptgrundzügen, einen gleichen Entwicklungsgang, aber sie entfaltet im Einzelnen um so reichlichere Besonderheiten, nicht allein bedingt durch völkische Eigenart, sondern sogar durch enger begrenzte örtliche Verhältnisse.
Bis zu Ende des 4. Jahrhunderts v. Chr. hatte es, wie gezeigt wurde, verschiedene unabhängige Kulturkreise mit selbständiger Entwicklung gegeben; Alexander der Große begann und Rom vollendete dann die Schöpfung einer «Weltkultur», die man schlechthin als die «antike» bezeichnet. Ihre Grundlage war die national-griechische, die ihre geistige Vollendung bereits zur Zeit Platons (427-347 v. Chr.) erreicht hatte. Wir begegnen da, wie bereits an früherer Stelle angedeutet wurde, so manchen Anschauungen und Lehrsätzen, welche mit den christlichen übereinstimmen oder doch sich denselben nähern.
Das Wesen der hellenischen Geistesrichtung läßt sich in Kürze dahin kennzeichnen, daß die führenden Geister das Endziel in der «Sittlichkeit, auf Vernunft begründet,» sahen, die in der «Bethätigung reiner Menschlichkeit» ihren Ausdruck finde. Die Griechen setzten aber dabei voraus, daß «Vernunft» mit «griechischer Bildung» in solchem Zusammenhange stände, daß «vollendete Menschlichkeit» eben nur bei Griechen oder doch griechisch Gebildeten möglich sei. Dies prägte ihrer Kultur den Stempel nationaler Eigenart und Beschränkung auf. Dadurch, daß die Römer im wesentlichen die hellenische Weltanschauung übernahmen, wurde deren Geltungsgebiet wohl erweitert, ohne daß die Beschränkung grundsätzlich aufgehoben worden wäre.
Bedeutsamer ist jedoch, daß die Römer ihrerseits einen wichtigen Grundsatz hinzufügten und zur Geltung brachten: «die Unterordnung des Einzelnen unter die Gesamtheit.» Derselbe blieb auch für die Folgezeit wirksam, denn die christliche Weltanschauung behielt ihn bei, während der wesentliche Unterschied zwischen ihr und der «antiken» darin besteht, daß sie die «Sittlichkeit auf den Glauben begründet», und somit die «Bethätigung reiner Menschlichkeit» nicht mehr an eine nationale Bildung bindet, sondern «allgemein» möglich macht, da ja der «Glaube» allen Völkern gleichmäßig zugänglich ist.
Der Geist des Mittelalters. Jener reichsrömische Grundsatz bildet nun einen Anknüpfungspunkt zwischen der antiken und christlichen Richtung, und es ergab sich somit als «mittelalterliche» Auffassung: «daß der Einzelne sich der Gesamtheit unterzuordnen habe, diese letztere aber in zweifacher Form, in politischer Hinsicht durch den Staat, in geistiger durch die Kirche dargestellt sei.» Staat und Kirche sollten gemeinsam herrschende
Gewalten sein; diese Doppelherrschaft mußte aber notwendigerweise zum Widerstreit führen, sobald Fragen ins Spiel kamen, an denen beide Gewalten beteiligt waren und jede derselben dann den Vorrang beanspruchte.
Es kam sodann noch ein wichtiger Punkt hinzu. Die stramme Ausbildung der Staatsgewalt - nach deren Vorbild auch die kirchliche eingerichtet wurde - war römischer Art. Der obenerwähnte Grundsatz wäre leichter durchführbar gewesen, wenn das Römerreich mit seinen Einrichtungen und den für diese erzogenen Völkern fortbestanden hätte. Nun wurde aber das germanische Volkstum herrschend, welchem diese Staatsordnung wesensfremd war und geradezu widerstrebte, da die germanische Gesellschaftsordnung die «persönliche Freiheit» in den Vordergrund stellte.
Den inneren Widerspruch zwischen den römischen und germanischen Ordnungsgrundsätzen suchte man in sinnreicher Weise zu lösen durch die Einrichtung des Lehenswesens. Die persönlich Freien sollten sich freiwillig an den Vertreter der Staatsgewalt binden und so zur Gefolgschaft, d. h. Unterordnung, verpflichtet werden. Wie jene Doppelherrschaft setzte auch diese Einrichtung «vollkommene» Menschen voraus, die es einfach nicht gab, und so führte sie denn auch nicht zu dem gewünschten Ziele, sondern wurde eine Quelle weiteren Widerstreites. In anderer Weise suchte der germanische Volksgeist sich mit dem Grundsatz der
^[Abb.: Fig. 238. St. Apostelkirche zu Köln.
Choransicht. (Nach einer Photographie von Hertel in Mainz.)]
«Unterordnung» abzufinden, um wenigstens in beschränktem Maße die persönliche Freiheit gegenüber den Gewalten zur Geltung zu bringen. Dies geschah durch den Zusammenschluß der Einzelnen zu «Körperschaften», in denen jedoch wieder ein Widerspruch insofern sich geltend machte, als der Einzelne hier wirklich noch strenger gebunden wurde. - Wir sehen somit, wie alles mittelalterliche Wesen in sich den Grund zu Widerstreit und Gegensätzen trägt, und diese treten auch im ganzen Leben zu Tage. Aufopfernde Nächstenliebe und rücksichtslose Vergewaltigung der Mitmenschen, hingebende Treue und schnödeste Eigensucht, gehorsamer Glaube und Sittenlosigkeit finden sich oft bei den Einzelnen unvermittelt nebeneinander.
Das geistige Leben krankte an einem anderen Widerspruch. Man versuchte, die «Glaubenssätze» aus der «Vernunft» zu begründen, was an und für sich ein Widersinn ist. Denn der Glaube setzt ja voraus, daß die «Wahrheit unumstößlich gegeben» ist, und somit bedarf sie keines Beweises. Die «scholastische» Philosophie des Mittelalters erschöpfte sich daher in unfruchtbaren Wortstreitigkeiten und förderte ebenso wenig die Erkenntnis, wie ihre Gegner, die «Mystiker», welche das Erfassen der Wahrheit nicht durch den Verstand, sondern durch das Gemüt anstrebten. Bis zum 14. Jahrhundert kam man denn auch hinsichtlich der wissenschaftlichen Kenntnisse nicht über den Stand der Antike hinaus, da man sich mit der Erforschung der Natur und ihrer Erscheinungen nicht abgab.
Die Natur, wie alles Körperliche, galt ja als sündhaft, mit dem man sich nicht beschäftigen solle; die «Seele» war die ausschließliche Hauptsache, und nur das Geistige
^[Abb.: Fig. 239. Der Dom zu Worms.]
hatte Wert. Auch diese Ertötung des Sinnes und Gefühles für die Natur stand mit dem germanischen Volksgeiste in Widerspruch.
Gerade diese Gegensätze und Widersprüche erzeugten aber eine erstaunliche Fülle von Gedanken und Empfindungen, die zwar vielfach unklar und verworren, aber von einer mächtigen Frische waren und einer gewissen Erhabenheit nicht entbehrten. Diese zum Ausdrucke zu bringen, hatte die mittelalterliche Kunst sich redlich bemüht, wenn sie auch oft nicht die richtige Form dafür finden konnte, da das Wollen stärker war, als das Können. Dieser «Widerspruch» prägt sich denn auch in der Kunst des 10. bis 14. Jahrhunderts aus.
Das Wesen des romanischen Stiles. Die Bezeichnung «romanischer Stil» ist im Grunde nur für die Baukunst zutreffend, während man bei der Bildnerei und Malerei von einem solchen in der eigentlichen Bedeutung des Wortes nicht sprechen kann. Da jedoch die Baukunst vorherrschend auftritt und alle anderen Künste in den Hintergrund und gewissermaßen in ihren Dienst drängt, so erscheint es gerechtfertigt, von einem Zeitalter des romanischen Stiles zu sprechen. Das Wort «romanisch» dagegen wäre eigentlich nicht gerechtfertigt, denn gerade die Kunstweise, die damit bezeichnet wird, ist ganz von germanischem Geiste erfüllt und hat ihre vollendetste Ausbildung auf deutschem Boden erfahren.
Seltsamerweise hat man jenen späteren Stil, der seine Entstehung in Frankreich hatte und, wenn auch aus dem Geiste des germanischen Grundteils im französischen Volkstum hervorgegangen, doch nicht mehr von rein germanischer Eigenart ist, den «gotischen» genannt und so die Meinung hervorgerufen, derselbe sei der eigentlich altdeutsche. Allerdings hat auch der gotische Stil bei den Deutschen seine schönste Entwicklung gefunden, aber wirklich «altdeutsch» ist der romanische Stil. Es läßt sich auch genau verfolgen, wie Geltung und Entwicklung desselben bei den verschiedenen Völkern von dem Maße abhängt, in welchem der germanische Grundbestandteil bei diesen hervortritt.
Entwicklung des romanischen Stiles. Dem allgemeinen Entwicklungsgesetze zufolge, daß jedes Kulturvolk bis zu einem gewissen Umfange die Erbschaft einer früheren Zeit antreten muß, ist es selbstverständlich, daß die germanische Kunstweise an die antike
^[Abb.: Fig. 240. Der Dom zu Mainz.
(Seitenansicht.)]
anschloß, und zwar nicht an die «klassische Antike», sondern an deren Ausläufer, die «altchristliche», da ja zunächst alle hohe Kunst hauptsächlich im Dienste der Religion stand. Karl der Große hatte seinen germanischen Völkern die nähere Bekanntschaft mit der altchristlichen Kunst, wie er sie vor allem in Italien gefunden hatte, vermittelt. Die Zeit-Verhältnisse unter seinen nächsten Nachfolgern waren nicht danach, um eine erhebliche Kunstthätigkeit aufkommen zu lassen.
Die neugebildeten Staaten lagen untereinander im Kampfe und hatten die Angriffe fremder Völker abzuwehren, im Westen die Normannen, im Osten Slaven und Magyaren. Es fehlte auch vor allem an Wohlstand, und somit an Mitteln; der Boden mußte vielfach erst urbar gemacht werden, Gewerbe und Handel waren geringfügig. Die Bändigung der fremden Bedränger im 10. Jahrhundert, sowie die Begründung von Städten in Deutschland brachten einen erfreulichen Wandel, und nun war auch der Boden für die Kunst geebnet. Ueber die «irdischen Mittel» verfügte die Geistlichkeit, Bistümer und Klöster hatten ausgedehnte Ländereien erworben und waren «reich» geworden; aber auch die gesamte «geistige» Bildung der Zeit befand sich in ihrem Besitz.
Die Kunst erhielt daher auch eine vorwiegend kirchliche Eigenart; Malerei und Bildnerei dienten nahezu ausschließlich religiösen Zwecken, und für die Baukunst waren Kirchen und Klöster die Hauptgegenstände, neben welchen die weltlichen Bauten - Pfalzen und Burgen - keine bedeutende Rolle spielen. Die Kirchenbauten sind es daher, in welchen die Kunst des romanischen Zeitalters sich vornehmlich bethätigte.
Das Stilgefühl. Das romanische Zeitalter bekundet ein bewundernswert starkes «Gefühl für Stil», d. h. für die Gesetze, welche das Verhältnis zwischen Stoff und Form, zwischen Auffassung der Aufgabe und Behandlungsweise, zwischen dem gedanklichen Inhalt und dem äußerlichen Ausdruck betreffen. Das Wort «Gefühl» ist besonders zutreffend, denn man folgt jenen Gesetzen vielfach mehr unbewußt, als aus klarer Erkenntnis, die regsame schöpferische Einbildungskraft überwiegt noch den berechnenden Verstand, ohne dabei
^[Abb.: Fig. 244. Die Abteikirche zu Maria Laach.]
den Boden der Wirklichkeit zu verlassen. Es zeigt sich daher - insbesondere in den Bauwerken - ein wahrhaft schöner Einklang zwischen dem Ganzen und den Teilen, ein ungemeiner Reichtum an verschiedenen Formen im einzelnen, eine unversiegliche Erfindungsgabe in der Gestaltung des Schmuckwerkes und der Zierweisen, und dies entschädigt reichlich dafür, daß noch die volle Sicherheit in der Beherrschung der Form fehlt. Der romanische Stil ist daher auch nicht so streng gebunden, wie der «klassisch-antike» und der «gotische», er läßt der Schöpfungskraft im ganzen mehr Freiheit und damit eine reiche Mannigfaltigkeit entwickeln.
In diesem Walten der einzelpersönlichen Freiheit prägt sich eben der germanische Geist des Zeitalters in erster Linie aus. Die innere Lebenskraft dieser Kunstweise bewahrte sie auch vor einem eigentlichen «Verfall» oder «Entartung»; der romanische Stil konnte nur verdrängt werden und gewissermaßen in Vergessenheit geraten, und dies hing nicht zum wenigsten auch damit zusammen, daß später das deutsche Volksbewußtsein verdunkelt wurde und die Neigung zum «Weltbürgerlichen» das scharfe, selbstbewußte Hervorkehren der volklichen Eigenart nicht aufkommen ließ. Erst als der Deutsche wieder auf sein Volkstum stolz zu werden begann, fand man auch wieder das volle Verständnis für diesen dem deutschen Geiste so sehr entsprechenden Stil.
Freiheit des Stils. Da «Freiheit und Mannigfaltigkeit» die Kennzeichen des romanischen Baustils sind, so ergiebt sich daraus, daß derselbe keine so strengen, alle Einzelheiten regelnden Gesetze aufweist, wie der spätere gotische Stil, sondern die Werke
^[Abb.: Fig. 242. Der Dom zu Bamberg.]
nur eine Gemeinsamkeit in den wesentlichen Grundzügen erkennen lassen. Die augenfälligsten sind bei den Hauptwerken - den Kirchenbauten - die Basilikaform als Grundanlage und die Anwendung des Rundbogens.
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Anlage der romanischen Kirche. Wie sehr die altchristliche Basilika dem Zwecke des Gotteshauses und der ganzen Art des Gottesdienstes entsprach, wurde bereits erörtert, und es war sozusagen selbstverständlich, daß die germanische Kunstweise diese Grundform übernahm. Sie wurde aber in einer Weise ausgestaltet, welche einen selbständigen und künstlerischen Fortschritt darstellt.
Die romanische Kirche besteht aus drei Hauptteilen: dem Langhause oder Schiff, dem Querschiff und dem Chor. Das Langhaus ist durch zwei Reihen von Pfeilern oder Säulen in drei Räume geteilt, Mittelschiff und zwei Seitenschiffe (Abseiten). Letztere sind gewöhnlich nur halb so hoch und breit, wie das Mittelschiff. Dieses wird durch einen auf den letzten Pfeilern aufruhenden Bogen (Scheidbogen) gegen das Querschiff zu abgeschlossen. Letzteres ist ebenso hoch und breit, wie das Mittelschiff, seine Länge entspricht der dreifachen Breite des Mittelschiffes. An das Querschiff schließt sich dann in der Verlängerung des Mittelschiffes der Chor an, der ebenso hoch und breit wie letzteres ist.
Von den beiden letzten Pfeilern des Mittelschiffes spannen sich zu den Eckpfeilern des Querschiffes und Chores, sowie zwischen den letzteren, Bogen in der gleichen Größe, wie der Scheidbogen (auch Triumphbogen genannt). Dieser von den vier Bogen umschlossene quadratische Raum ist die «Vierung» und bildet gleichzeitig auch das Grundmaß für die Kirche, welche mindestens sieben solcher gleich großer Quadrate enthält, eines entfällt auf den Chor, je drei auf Querschiff und Mittelschiff. Dadurch erhält der Grundriß die Form eines lateinischen Kreuzes.
Der Vierung des Chores wird ferner noch eine halbrunde Nische (Apsis) angefügt, das ist der «hohe Chor», in welcher der Hochaltar steht und die Geistlichkeit ihre Sitze hat. Die Seitenquadrate des Querschiffes, die «Flügel», haben meistens kleinere Nischen.
Die niedrigeren Seitenschiffe oder Abseiten sind gegen das Querschiff zu gleichfalls durch Bogen abgeschlossen, in ihrer Verlängerung nach der anderen Seite hin stehen gewöhnlich die Türme, welche bei der romanischen Kirche einen zugehörigen angegliederten
^[Abb.: Fig. 243. St. Godehardkirche zu Hildesheim.]
Bestandteil bilden und nicht wie bei der altchristlichen Basilika etwas Selbständiges und Abgesondertes sind. Bemerkt mag hier noch werden, daß in der Regel die Kirche in der Richtung von West nach Ost gestellt ist, so daß der Altar im Osten steht und der Haupteingang zwischen den Türmen auf der Westseite sich befindet.
Decken. Anfänglich wurden die Kirchen vielfach aus Holz gebaut und solche konnten natürlich nur flache Decken erhalten. Letztere wurden auch bei vielen Steinbauten der älteren Zeit beibehalten, doch wandte man vom 11. Jahrhundert an vorwiegend gewölbte Decken an, die allerdings kostspieliger waren, aber auch haltbarer und feuersicherer. Die Ausbildung des Gewölbebaues war denn auch einer der wichtigsten Fortschritte, welche das romanische Zeitalter aufzuweisen hat.
Die Kreuzform des Grundrisses, die Angliederung der Türme und die Anwendung der Deckengewölbe sind hauptsächlich bezeichnend für den romanischen Baustil, und hinzu kommt noch die reichere Ausgestaltung der baulichen Einzelheiten und des Schmuckes.
^[Abb.: Fig. 244. Inneres des Domes zu Mainz.
(Nach Photographie von Stengel u. Co.)]
Die Einzelheiten. Stützen. In der altchristlichen Basilika wurden als Bogenstützen ausschließlich Säulen verwendet, die man, wie erwähnt wurde, vielfach den vorhandenen antiken Gebäuden entnahm: auch bei den ältesten romanischen Basiliken herrscht noch die Säule vor. Die Eckpunkte der Vierung bildeten jedoch immer massige Pfeiler, auf welchen die Abschlußbogen des Langhauses (Scheidbogen), des Chores und der Flügel des Querschiffes aufruhen. In verschiedenen Fällen wurden auch für die Bogengänge, welche die Seitenschiffe von dem Mittelschiffe trennen, nur Pfeiler verwendet, häufig wechselte man die Stützen in der Weise, daß zwischen zwei Pfeiler eine Säule gestellt wurde. Von einem Pfeiler zum andern wurde dann ein Blendbogen gespannt, der die Mauer trägt, während von der mittleren Säule zu den Pfeilern kleinere Bogen geschlagen sind. Diese Anordnung - bei welcher die zierliche Schlankheit der Säule und die kräftige Massigkeit des Pfeilers einen schönen Gegensatz bilden - trägt nicht wenig zur Erhöhung der Wirkung bei.
Die Pfeiler. Die Pfeiler sind rechtwinklig viereckig gestaltet, ruhen auf einem einfachen Sockel und tragen einen «Kämpfer», ein aus wagerechten Gliedern bestehendes Gesimse, auf dem der Bogen ruht. Die Pfeilerkanten wurden oft abgeschrägt (abgefast) oder gekehlt, bisweilen brachte man auch Säulchen in den Ecken an.
Die Säulen. Die romanische Säule ruht auf einer dicken Platte (Plinthe); der Säulenfuß (Basis) zeigt in der Regel die sogenannte attische Form - zwei Wülste, dazwischen zwei Plättchen und eine Hohlkehle. Durch das Aufruhen des runden Säulenfußes auf der quadratischen Plinthe entstanden an den Ecken der letzteren die sogenannten Zwickel. Diese erschienen dem Gefühl zu leer und deshalb schmuckbedürftig, ferner auch der Gegensatz zwischen der wagerechten Grundplatte und dem senkrecht auftretenden Schafte zu hart. Diesen Mängeln suchte man durch Einfügung eines vermittelnden Gliedes, eines Eckstückes, von Klötzchen- oder Blattform, oder in Gestalt kleiner Tiere abzuhelfen. Der Schaft wurde rund oder sechs- oder achteckig gestaltet, häufig mit gewundenen Rinnen versehen (kanneliert), oder mit allerlei Zierwerk geschmückt, ein Ring schloß ihn ab.
Das Kapitäl. Der Säulenknauf weist eine große Mannigfaltigkeit der Formen auf. In der älteren Zeit finden sich Nachahmungen des korinthischen Kapitäls, doch ist das Blattwerk etwas unbeholfen behandelt; hauptsächlich wandte man das Würfelkapitäl an, welches eine eigene Form des romanischen Stils und deshalb für diesen besonders bezeichnend ist.
Das Würfelkapitäl. Die Entstehung läßt sich wieder leicht aus dem Bestreben nach möglichst schöner Ueberleitung der runden Form des Säulenschaftes in den mit viereckigem Fuße aufruhenden Bogen erklären. Das Würfelkapitäl paßte
^[Abb.: Fig. 245. Aus dem Inneren der Michaelskirche in Hildesheim.]
sich also unten der Säule an, es rundete sich kugelförmig ab; nach oben ging es dem Säulenfuße entsprechend in den Würfel über. Die Aufgabe wurde also einfach geometrisch gelöst.
Häufig finden an einem Gebäude verschiedene Kapitäle Verwendung und zwar in regelmäßigem Wechsel; doch kommt auch eine regellose Anordnung vor, ja sogar eine verschiedenartige Gestaltung der einzelnen Seiten eines Kapitäls.
Der Kapitälschmuck. Die Ausschmückung des Kapitäls war eine mannigfache; bestimmte Regeln waren nicht vorhanden, so daß die Mittel und der Geschmack des Künstlers bald zur Anwendung des einfachen kahlen Würfelkapitäls, bald zur reichsten Verzierung mit Blattformen, Flechtwerk und phantastischen Menschen und Tiergestalten führten. Dabei bildete das Schmuckwerk oft nur eine Bekleidung der Formen, es stand nicht in so innigem organischen Zusammenhang mit dem Kerne, wie z. B. das Blattwerk des korinthischen Kapitäls. Auf dem Kapitäl ruht die nie fehlende Deckplatte, welche oft von bedeutender Stärke ist. Neben dem Würfelkapitäl finden das Kelchkapitäl und mehrere Mischformen Anwendung, welche bei der Schilderung des hochentwickelten Stils erklärt werden.
Besondere Säulenformen. Erwähnen möchte ich hier noch einiger Abarten der Säule, welche im romanischen Stil vorkommen. Es sind dies die gekuppelten Säulen, - d. h. zwei oder mehrere zusammenstehende, welche ein gemeinsames Kapitäl haben - und die geknoteten Säulen, welche aus dem Bestreben hervorgegangen sein dürften, durch so inniges Verschlingen das Gefühl gesteigerter Tragkraft hervorzurufen. Auch durch Verschmelzen von Pfeiler und Säule entstanden neue Stützenformen, welche die Gegensätze der beiden durch Vereinigung ihrer Eigenschaften aufhoben.
Der Rundbogen. Der Bogen, welcher für den romanischen Stil hauptsächlich in Betracht kommt, ist der Rundbogen. Er bestimmt die Form der Wölbungen im Innern und der oberen Begrenzungen der Fenster und Portale. Rundbogenstellungen, die sogenannten Arkaden, scheiden das Mittelschiff von den Seitenschiffen, und zwar so, daß eine Säulenreihe mit gleichen Bogen überspannt wurde, oder bei der Anlage je eine Säule übersprungen und dann durch zwei kleinere Bogen mit den Hauptpfeilern verbunden wurden. Als Bogenfries bilden dann schließlich aneinandergereihte Rundbogen ein bezeichnendes Schmuckwerk, im Innern (über den Arkaden) und Aeußern (unter dem Dachgesimse).
Tonnen- und Kreuzgewölbe. Die einfachste Form der Wölbung, das Tonnengewölbe, kann als eine Hintereinanderreihung von Rundbogen aufgefaßt werden, die sohin einen halben Cylinder bilden. Durch rechtwinklige Durchschneidung zweier Tonnen-Gewölbe entsteht das Kreuzgewölbe. Während man beim Tonnengewölbe, da es zu seiner Unterstützung in seiner ganzen Ausdehnung der Mauer bedurfte, auf die eine sich ergebende Form der einfachen, überwölbten Halle allein angewiesen war, ließ das Kreuzgewölbe, welches nur vier Stützen unter seinen Bogenfüßen gebrauchte, in den Schnittlinien der beiden Tonnen-
^[Abb.: Fig. 246. Der Dom zu Limburg.]
gewölbt (den Graten) sich aber selbst stützte, ein freieres Gestalten zu. Durch Ausführung der Längen- und Quergurte, sowie der Rippen (an den Graten) aus sehr festem Stoffe (Hausteinen) wurde es möglich, die Gewölbe-Kappen der Wölbung leichter zu bauen, die Stützen zu entlasten und an Stelle der zuerst nötigen dicken, plumpen Pfeiler und Säulen solche von leichteren und zierlicheren Formen zu geben.
Die Fenster. Die Fenster der älteren Bauten sind im Allgemeinen meist klein und deshalb, um genügend Licht einzulassen, in größerer Zahl vorhanden. Ihre Anlage geschah in zwei Reihen: einer unteren in der Wand des Seitenschiffes, und einer oberen, welche die Obermauer des Mittelschiffes durchbrach. Die Form des Fensters ist die eines länglichen, oben mit einem Halbkreis abschließenden Rechtecks. Nach außen und innen schrägt sich die Leibung stark ab, um dem Licht leichteren Durchgang zu verschaffen.
An der Schauseite über dem Hauptthore wurde oft ein kreisrundes Fenster in der Form eines Wagenrades (daher Rad- oder Katharinen-Fenster genannt) angebracht.
Das Innere. Das Innere stellt sich also etwa so dar: Das Mittelschiff, welches durch die Arkaden von den Seitenschiffen getrennt wird, leitet den Blick auf das Allerheiligste in der Mitte des Chores. Das Hauptlicht fällt durch die Fensterreihe der Oberwand über den Arkaden (den «Lichtgaden») ein und wird im Chore durch die frei ins Innere führenden Unterfenster verstärkt, so daß hier die größte Lichtfülle herrscht und der Blick deshalb auch auf die Chornische und das Allerheiligste gezogen wird. Das Licht der Unterfenster des Langhauses wird hauptsächlich von den Seitenschiffen beansprucht.
Die Strenge der einfachen Formen wird durch reichen Schmuck der Kapitäle, durch Friese und Gesimse, welche sich an den Wänden entlangziehen, und durch gefällige Gliederung der Pfeiler und der Gewölbegurten gemildert.
Der Chor. Den Abschluß nach hinten bildet die runde Chornische. Der Chor ist meistens über den Boden der übrigen Kirche um einige Stufen erhoben und wird in größeren Kirchen mitunter durch eine bühnenartige Scheidewand mit schmalen Durchgängen vom Schiffe getrennt. Das ist der Lettner, von welchem herab Evangelium und Epistel verlesen wurden.
Die Krypta. Die Erhöhung des Chores hat ihre Ursache in der unter ihm eingebauten Krypta, einem gewölbtem Raume, in welchem die Gebeine des oder der Heiligen beigesetzt wurden, denen die Kirche geweiht war. Die Krypta, welche sich zuweilen bis unter das Querschiff erstreckte, nimmt noch deshalb unser Interesse in Anspruch, weil in ihr die Wölbung der Decke zuerst zur Anwendung kam.
Das Aeußere. Der Aufbau des Inneren kommt auch beim Aeußeren zum Ausdruck, nur werden die wagerechten Linien stärker betont. Dadurch, daß das Mittelschiff über die Seitenschiffe emporragt, die Querschiffe an den Stirnseiten Giebel enthalten, auch die halbrunde Chornische meist noch neben den Fenstern eine Reihe Blendfenster besitzt, ergiebt sich eine ausgesprochene Gliederung in Stockwerke. Um den ganzen Bau läuft in der Regel noch ein Fußgesimse (Sockel).
Die Lisenen. Die senkrechte Gliederung geschieht durch schmale, wenig erhabene Mauerstreifen, die Lisenen, welche auch die Gebäudekanten einfassend vom Sockel aufsteigen und zwischen denen unter dem Dachgesimse ein Rundbogenfries sich hinzieht.
Den einfachsten Eindruck macht das Langhaus, dessen Mauern meist nur durch die Fenster und die Lisenen belebt werden. Die letzteren entsprechen bei gewölbten Basiliken den Gewölbestützen des Innern. Bei reicheren Bauten treten dann noch Reihen von Blendbogen hinzu, welche sich arkadenartig an den Wänden entlang ziehen. Auch die Seitenwände des Querschiffes weisen keinen reicheren Schmuck auf, während dessen Giebelseiten, welche die Nebeneingänge enthalten, durch gekuppelte Fenster hervorgehoben werden.
Die Chorseite ist entsprechend ihrer Wichtigkeit am reichsten bedacht. Zuweilen wird ihre Wand von zwei, dicht übereinander liegenden Reihen Fenster durchbrochen, zu welchem sich bei großen Bauten noch oben ein offener Bogen-Gang gesellt.
Das Portal. Die Vorderseite erhält ihren Hauptschmuck durch das Portal, auf dessen reiche Durchbildung die größte Sorgfalt verwendet wird. Die Thüröffnung ist in der Regel rechtwinklig mit einem geraden Sturz und einem halbkreisförmigen Bogenfeld (Tympanon) darüber. Die dicken Mauern werden gegen die Oeffnung zu abgeschrägt, so daß nach Außen zu das Portal breiter erscheint. Diese geschrägten Seiten sind dann wieder in rechtwinkligen Stufen gebrochen und die dadurch entstehenden Winkel werden mit Säulen und Halbsäulen, mit meist sehr reichen Kapitälchen, ausgefüllt.
Die Deckplatten derselben sind untereinander zu einem Gesimse verbunden, welches dem Zickzack des Grundrisses folgt; auf diesem ruhen die Bogen, welche das Portal nach oben einfassen. Dieselben erscheinen als Fortsetzungen der Säulen und zeigen deshalb die gleiche oder doch sehr ähnliche Verzierungen wie die zugehörigen Säulen. Diese ist meist eine wechselnde und zwar so, daß häufig die Säulen auf einer Seite verschieden sind, aber mit den entsprechenden der anderen Seite übereinstimmen. Später tritt dann noch reicher figürlicher Schmuck hinzu.
Die Türme. Der größte Schritt in der Umgestaltung des Kirchenäußeren war die Eingliederung des Turmes in den Kirchenkörper. Bisher wurde er, einzeln stehend, nur als Träger der Glocken verwendet; jetzt als Teil des Ganzen wird er diesem noch dadurch nutzbar, daß er die Treppen zu den Galerien aufnimmt. Bald trat zu dem einen Turme, welcher über der Mitte der Frontseite stand und so nicht nur das Mittelschiff verdeckte, sondern auch die ohnehin niedrigen Seitenschiffe noch kleiner erscheinen ließ, ein zweiter.
Die beiden Türme wurden nun vor die Seitenschiffe gestellt und verdeckten deren schräge Pultdächer, ließen dafür aber den Blick auf den Giebel des Mittelschiffes mit dem steilen Satteldache frei und gaben so dem Ganzen ein wohlgefälligeres Aussehen. Die Grundform der Türme ist viereckig und geht bisweilen nach oben in das Achteck über. Die Turmseiten tragen entweder Giebel, über welche sich der schlanke, meist achteckige Turmhelm erhebt; oder sie werden durch ein Gesimse flach abgeschlossen und der Turmhelm vierkantig darüber errichtet, oder durch ein flacheres Zwischendach in die schlanke acht- oder mehreckige Spitze übergeleitet.
Zahlreiche Gesimse mit Rundbogenfriesen darunter teilen die Türme in Geschosse, jedes mit mehreren meist gekuppelten (unter sich verbundenen) Fenstern. Zwischen den Fen-
^[Abb.: Fig. 247. Vorhalle (Paradies) des Klosters zu Maulbronn.]