Erhaltung der alten Kultur und Kunst im Osten durch das Christentum. Seit dem 4. Jahrhundert n. Chr. waren die beiden römischen Reiche dem Ansturm neuer Völker ausgesetzt. Den Süden Europas überfluteten germanische Stämme, die selbst nach Nordafrika übergriffen, wo Wandalen ein kurzlebiges Reich gründeten; das oströmische Reich hatte sich auch der Perser und Avaren zu erwehren. Noch aber hielt sich die alte römische Kultur, welche die fremden Sieger besiegte, und nicht zum wenigsten trug dazu der Umstand bei, daß die Germanen das Christentum annahmen, welches im Abendland ganz von römischem Geiste durchdrungen war. Die Gemeinsamkeit der Religion brachte die Eindringlinge den Ansässigen näher, indem sie jenen einen wesentlichen Teil volklicher Eigenart nahm. Selbst die Spaltungen in der «Kirche» wegen verschiedener Lehrmeinungen und der erbitterte Streit zwischen den kirchlichen Parteien änderten daran nichts; in der Hauptsache bestand ja doch «religiöse» - wenn auch nicht kirchliche - Gemeinschaft.
Asien. Auf asiatischem Boden begegnen wir aus gleicher Ursache derselben Wirkung. Das neue Perserreich hatte ebenfalls das Christentum übernommen, welches von hier aus sich weit nach Hochasien, bis nach China und nach Indien verbreitete. Wohl hatte die persische Kirche sich von der römischen Reichskirche getrennt und eine völlige Selbständigkeit gewonnen - neben ihr bestand noch die armenische Kirche ebenfalls unabhängig -, immerhin blieb aber das Christentum auch hier die Vermittlerin der alten Kultur, die im Osten noch mehr vom spätgriechischen Geiste durchdrungen war.
Damit war auch auf all diesen Gebieten das Fortleben der «antiken», nur vom altchristlichen Geiste umgestalteten, in geringerem Maße auch von örtlichen Verhältnissen beeinflußten Kunstrichtung gesichert.
Die Macht dieser alten Kultur, welche das neue oder neuerwachte Volkstum nicht brechen konnte, war nur durch eine neue gewaltige geistige Macht zu zerstören, durch eine andere Religion. Eine solche erstand nun im 7. Jahrhundert in Arabien: der von Mohamed begründete Islam.
Die Araber. Die herumstreifenden Hirtenstämme der Araber standen auf der Kulturstufe einfacher Naturvölker, tief unter den Germanen, und auch die Seßhaften in den wenigen Handelsplätzen waren nicht viel darüber hinausgekommen. Aus ihrem Volkstum heraus konnten sie der alten Welt nichts bieten, es kam nur darauf an, welche Stellung die neue Religion, deren Träger sie wurden, zur Kulturentwicklung einnehmen werde. An dieser Stelle bleibt selbstverständlich nur eine Seite der ganzen Frage zu untersuchen: der Einfluß des Islam und seiner Verbreiter auf die Kunstrichtung.
Die Araber besaßen kaum ein Gewerbe, geschweige denn eine Kunst. Selbst die Töpferei und die Weberei waren nur wenig entwickelt; die Hirten lebten in Zelten, und es gab auch keine Tempel. Das alte Volksheiligtum in Mekka, die Kalaba, bestand in einem plumpen Bau aus einfachen Mauern, in eine der letzteren war der heilige schwarze Stein eingelassen.
Der Islam und sein Verhältnis zur Kunst. Die Religion des Islam, auf Judentum und Christentum fußend, forderte nur strenge den Glauben an einen einzigen Gott, Gebete, Almosengeben und Fasten, wenn möglich, einmal im Leben eine Wallfahrt nach ¶
Mekka zum Grabe des Propheten Mohamed. Letztere sollte aber mehr dazu dienen, das Bewußtsein der Stammeseinheit, später der Religionsgemeinschaft zu festigen. Da es keine religiösen «Handlungen» gab, nur Gebete zu bestimmten Stunden verrichtet werden sollten, gleichviel an welchem Orte, bedurfte der Islam eigentlich auch keiner Gotteshäuser. Schärfer noch als das Christentum wandte sich der Islam gegen jede sinnliche Darstellung des übersinnlichen Gottes, um jede Erinnerung an heidnischen Götzendienst zu tilgen.
Eine sinnbildliche Darstellung der Lehren, wie sie die altchristliche Zeit kannte, war dem arabischen Volksgeiste fremd, und auch die Religionsgeschichte gab keinen Anlaß zu Darstellungen, wie sie das Leben Christi bot. Damit ist genügend angedeutet, daß der Islam auf die Kunst keine befruchtende Wirkung üben konnte, er vermochte ihr keinen neuen gedanklichen Inhalt zu gewähren wie das Christentum, weit eher mußte er ihr feindlich gegenübertreten.
Wenn auch der Koran nur Bildnisse Gottes, nicht aber solche von Menschen und Tieren ausdrücklich verwarf, so kam die strengere Auslegung unter den Nachfolgern Mohameds bald auch zu dem Verbot aller figürlichen Darstellungen. Somit war die Bildnerei überhaupt verpönt und die Malerei mußte sich auf reines Ziermusterwerk beschränken.
Nur die Baukunst vermochte sich zu entfalten, da man einerseits, den Gewohnheiten und Verhältnissen der eroberten Länder Rechnung tragend, Bethäuser (Moscheen) anlegte, andrerseits die Prachtliebe der Herrscher zu Palastbauten führte. Die islamitische Baukunst ist daher auch weit mehr weltlicher, als religiöser Art.
Unselbständigkeit der islamitischen Kunst. Da Arabertum und Islam weder einen eigentümlichen Gedankenkreis noch eine eigentümliche Formensprache mitbrachten, fehlten auch alle Bedingungen für eine selbständige Kunstentwicklung. Wir finden daher in der sogenannten islamitischen Kunst nur eine Vermischung von verschiedenen, bereits vorhanden gewesenen Richtungen und Formen, hauptsächlich der «antiken» und altchristlichen; auf einigen Gebieten, wie in Indien und Persien, auch noch von älteren, die dem ursprünglichen Volksgeiste entstammen. Die islamitische Anschauung macht sich dabei mehr in der Hinsicht geltend, daß sie bestimmte Kunstweisen ausschließt; der arabische Geist zeigt sich in der Vorliebe für gewisse, die Einbildungskraft anregende, prunkhafte Formen.
Baukunst. Was die Moscheen anbetrifft, so wurden in der ersten Zeit einfach christliche Kirchen in solche umgewandelt, und wenn man neue erbaute, bediente man sich dazu fremder (byzantinischer) Meister. Die einheimischen Künstler der späteren Zeit hielten sich auch an die vorhandenen Vorbilder und verwerteten diese ziemlich willkürlich, ohne Rücksicht auf inneren Zusammenhang, nur auf äußere Wirkung Bedacht nehmend. Bezeichnend ist die Freude an geschwungenen Linien, und diese bestimmen die ganze Erscheinung aller islamitischen Bauten. Rund- und Spitzbogen, Hufeisen- und Kielbogen werden mit Vorliebe angewendet, und in der Gestaltung derselben zeigen sich die islamitischen Künstler erfindungsreich. Ebenso werden die Kuppeln bevorzugt, die mancherlei absonderliche Um-