Stadtgottheiten und Tempel mit Vorliebe zu Münzbildern verwendet wurden und erst in der nachalexandrinischen Zeit die Bildnisse der Könige aufkamen.
Die griechischen Stempelschneider hatten es in der künstlerischen Auffassung des Gegenstandes - wenn sie das Münzbild aus freier Erfindung schufen - und in der Feinheit der Ausführung zu einer großen Meisterschaft gebracht, und ihre römischen Nachfolger leisteten namentlich in den Kaiserbildnissen des 1. und 2. Jahrhunderts v. Chr. geradezu Unübertreffliches.
Geschnittene Steine. Der Steinschnitt, welcher bereits in der mykenischen Zeit geübt wurde, fand erst in der nachalexandrinischen Zeit seine weitere Ausbildung, und zwar hauptsächlich in Aegypten und Syrien, wo diese Fertigkeit von altersher gepflegt worden war. Die griechischen Steinschneider veredelten sie durch ihr feines Formgefühl und verstanden es, nicht nur durch die reizvolle Zeichnung und bildnerische Gestaltung, sondern auch durch Verwertung der Eigenart der Steine vornehme künstlerische Wirkung zu erzielen.
Mit Vorliebe wurden gewisse Halbedelsteine - Karneol, Onyx u. a. -
verwendet, welche mehrfache Schichten aufweisen, und diese behandelte man derart, daß der Grund und das erhaben geschnittene Bild je in anderer Farbe erschienen.
In der Kaiserzeit gedieh die Steinschneidekunst zur höchsten Vollendung, da ihre Erzeugnisse sehr geschätzt und gesucht waren und Vornehme ganze Sammlungen anlegten. Man beschränkte sich jetzt nicht blos auf Siegel und Schmucksteine, sondern fertigte auch größere Gefäße (Schalen) aus Halbedelsteinen an, die mit umfangreichen bildnerischen Darstellungen in vortrefflicher Arbeit geziert waren.
Beispiele der Kleinkunst. Die Abbildungen Fig. 192-198 zeigen einige Beispiele der antiken Kleinkunst. Bei vielen aufgefundenen Stücken ist es zweifelhaft, ob sie griechischen (hellenistischen) oder römischen Ursprungs sind, so z. B. bei jenen des Hildesheimer Silberschatzes (s. d. Tafel Kunstgewerbe des Altertums) und bei den Funden aus Boscoreale.
Zu den berühmtesten Stücken gehört ein rundes Bronzegefäß von 50 cm Höhe, die sogen. Ficoronische Ciste (Fig. 192), deren Hauptwert in der schönen eingeritzten Zeichnung ihres Mantels besteht, die sich zwischen zwei, aus zierlichen Schmuckmustern gebildeten Streifen hinzieht und Darstellungen aus der Argonautensage enthält. Als Verfertiger derselben nennt eine Inschrift den Novius Plautius in Rom, doch hatte dieser jedenfalls (wenigstens in der Zeichnung) griechische Vorbilder benützt. Die Entstehungszeit dürfte etwa das 3. Jahrhundert v. Chr. sein.
Sicher römischen Ursprungs ist ein schöner Marmorkandelaber (Fig. 193) im Vatikan, der die beliebteste römische Schmuckform, die aus der Nachbildung der Blätter von Akanthus (Bärenklau) entwickelt wurde, in reichster Ausführung zeigt.
Der bronzene Dreifuß (Fig. 194) aus dem Museum in Neapel ist ein Beispiel für die zahlreichen römischen Metallarbeiten, die sich fast ausnahmslos durch zierliche Formen und saubere Arbeit auszeichnen. Die Beine sind durch Tierfüße gebildet, auf denen Sphinxe sitzen, welche den mit Stierköpfen und Laubgewinden geschmückten Reifen tragen.
Die Abbildungen Fig. 195-197 geben Proben aus dem Silberfunde in Boscoreale, dessen Stücke sich jetzt im Louvre befinden. Wahrscheinlich hat man es mit Erzeugnissen der hellenistischen (alexandrinischen) Kunst zu thun. Es sind silberne Prunkgeräte, die aus zwei Plattenlagen bestehen, die äußere ist getrieben bearbeitet, die innere glatt. Fig. 195 ist eine Prunkschüssel mit einem weiblichen Kopfe, der die Stadt Alexandria verkörpern soll. Fig. 196 zeigt eine merkwürdige Darstellung, die unsern Totentänzen ähnelt. Es sind Skelette, die durch Inschriften als berühmte griechische Dichter und Philosophen, wie Sophokles, Euripides, Anakreon u. A. bezeichnet sind. Der silberne Becher mit Darstellungen von Vögeln (Fig. 197) hat eine besonders gefällige Form.
Den Säulenknauf (Fig. 198) erwähnte ich schon vorhin; er zeigt die reiche Ausgestaltung des römischen Kapitäls der späteren Zeit. Das Schmuckwerk besteht aus Akanthusblättern, denen eine männliche Gestalt ohne rechten Zusammenhang eingefügt ist. ¶
Ursachen der Blüte und des Verfalls der Künste. Das Gedeihen der Kleinkünste ist vielleicht noch mehr als jenes der «hohen» Kunst durch die geistige Bildung des ganzen Volkes bedingt, die wieder von der wirtschaftlichen Lage abhängt. Empfänglichkeit und Verständnis für das Schöne - kürzer gesagt: Geschmack - müssen in die breiten Schichten des Volkes gedrungen sein, diese aber auch die Mittel zu einer feineren Lebensführung besitzen. Ein Volk, das arm an Mitteln ist, bleibt auch arm an Geist, und die «ideale» Kunst bedarf eines reichen «Nährbodens.»
Der tiefe Verfall des Kunstgeistes und der Kunstfertigkeit, der im 5. Jahrhundert n. Chr. eintrat, war eine unbedingt notwendige Folge des staatlichen und wirtschaftlichen Zusammenbruches, nicht aber des Aufkommens einer neuen - der christlichen - Weltanschauung, die unter anderen Umständen belebend und befruchtend hätte wirken müssen. In dieser Hinsicht besteht zwischen dem Ausgang des Altertums und jenem des Mittelalters ein gegensätzlicher Unterschied, denn das Ende des letzteren ist der Beginn einer Blütezeit der Kunst.
Der Einfluß der «antiken» Kunst. Es mag am Platze sein, einige Worte der Thatsache Zu widmen, daß die hellenische Kunst über anderthalb Jahrtausende hindurch einen die ganze Entwicklung bestimmenden Einfluß übt, der zwar zeitweilig zurückgedrängt wird, dann aber nur in verstärktem Maße auftritt. Schon der Sprachgebrauch deutet diese Herrscherrolle an. Sie ist nicht nur schlechtweg die «antike» Kunst, als ob das ganze Altertum keine andere hervorgebracht hätte, sondern auch die «klassische», d. h. vollendete und vorbildliche.
Die Frage nach den Ursachen und der Berechtigung dieser Erscheinung muß sich da wohl aufdrängen. Es soll nicht verkannt werden, daß einigermaßen auch die «Gewohnheit» eine Rolle spielt; dies gilt aber doch nur von den Kunst-Unverständigen, welche ohne eigenes Urteil blos dem Herkömmlichen oder der Mode zu huldigen vermögen. Dies trifft jedoch nicht zu hinsichtlich der wirklichen Kunstkreise, und wenn auch diese immer wieder in den Bann der «Antike» geraten, so müssen wohl starke «innere» Gründe obwalten. Man wird diese leicht erkennen, wenn man gewisse Voraussetzungen aller «wahren und rechten» Kunst in Betracht zieht.
Eine ihrer notwendigen Grundlagen ist vor Allem ein inniges Verhältnis zur Natur;
je näher der Künstler dieser steht, desto größer wird auch seine schöpferische Kraft sein;
denn Kunst ist schließlich nichts anderes, als ein freies Schaffen aus dem eigenen Geiste, oder deutlicher gesagt, Gedanken- und Vorstellungskreise heraus, aber innerhalb der Grenzen des «Natürlichen»;
was jedoch nicht gleichbedeutend mit dem «Wirklichen» ist. In einem solchen Schaffen bedarf es aber ebensowohl einer regen und thätigen Einbildungskraft, wie der völligen Unbefangenheit gegenüber den Erscheinungen der Wirklichkeit.
Das sind Eigenschaften, welche dem Jugend-Geiste zukommen, der mit sorgloser Heiterkeit die Dinge betrachtet und sich dem dichterischen Spiele der Einbildungskraft hingiebt.
Bei den Griechen fanden sich ursprünglich die genannten Vorbedingungen, und sie erhielten sich, wenigstens für die Künstler, auch in der ganzen Zeit der hellenischen Kultur. Die Schwankungen und Stilwandlungen der antiken Kunst, von denen die Rede war, sind deshalb auch abhängig von dem Maße, in welchem jene Bedingungen jeweils vorhanden waren. Man darf den wichtigen Umstand nicht übersehen, daß die Kulturverhältnisse der antiken Zeit für das Hervortreten der obenerwähnten Eigenschaften auch günstig waren.
Die geistige Thätigkeit war nicht in dem Maße, wie etwa heute, für ernste und schwere Aufgaben in Anspruch genommen; die «Wissenschaften» waren einfacher Natur und selbst sie gestatteten das Walten einer dichterischen Auffassung. Das ganze geistige Leben erscheint eben durch das Dichterische beherrscht, und damit war auch dem künstlerischen Schaffen freier und weiter Raum gegeben. Einfacher als in der späteren Zeit war auch der gesamte Vorstellungs- und Gedankenkreis, der eine nachhaltige Erweiterung erst durch das Christentum erfuhr. Diese Beschränkung hinsichtlich des Stoffes gestattete, alle Kraft auf die Ausbildung der Form zu vereinigen: und die Erfindungsgabe bethätigte sich daher vorwiegend in der letzteren Richtung. Der genannte Umstand war nicht nur für den Künstler insofern ¶