Diesem Zeitraum der mykenischen Kunstübung gehört die «sechste» Stadt Trojas an. Die Funde aus dieser Schicht, sowie die Ausgrabungen auf dem griechischen Boden selbst - Mykenai, Tiryns u. a. O. - geben ein deutliches Bild von jener Zeit. (S. d. Tafel S. 72).
Mykenische Burgen. Zahlreiche Städte entstanden, deren Fürsten auf Felshügeln Burgen erbauten, mit Mauern aus riesenhaften Blöcken, welche die spätere Zeit als Werke der Kyklopen (Riesen) ansah, da sie für gewöhnliche Menschenkraft zu ungeheuer erschienen. Die Verwandtschaft mit ähnlichen Riesenbauten phönikischer Städte und die Sagen deuten wohl darauf hin, daß fremde Baumeister hierbei thätig waren. Die Anlage folgt jedoch nicht gänzlich den östlichen Vorbildern.
Während in den babylonisch-assyrischen und ägyptischen Palästen der Herrscher sich vom Volke abschließt, sind die mykenischen Burgen auf ein Zusammenleben des Fürsten mit seinen Gefolgsmannen berechnet. Sie erscheinen nur als prunkvoll ausgestattete und gesicherte Gehöfte, wie sie in einfacher Art auch der freie Grundherr hatte. Darin kann man einen Zug der indogermanischen Eigenart erkennen, den wir später auch in den germanischen und skandinavischen Königshallen finden. Wohl aber weist die Ausschmückung der Burgen mit farbigen Wandgemälden, mit Goldplatten, Alabaster-Friesen, Teppichen auf östliche Muster hin.
Kuppelgräber. Noch bemerkenswerter als die Burgen erscheinen die Kuppelgräber, die, aus mächtigen Marmorquadern aufgeführt, auf der Schauseite mit Platten farbigen Marmors, Porphyrs und Alabasters geziert waren. Die Errichtung von 15 m hohen Kuppeln, bei denen Steinmassen bis zu 122000 kg zu Verwendung gelangten, setzt eine ungemein ausgebildete Fertigkeit voraus.
Die Kuppelwölbung wurde durch Vorkragen der einzelnen Steinschichten hergestellt; sie beginnt schon vom Fußboden ab und macht dadurch einen ganz gewaltigen Eindruck. Die vorspringenden Steine waren mit Rosetten aus Bronze geziert. In diesen Grabgewölben hat man reiche Schätze an Gold- und Silbergegenständen gefunden, Becher, Schalen, Ringe, Halsketten, (goldene) Gesichtsmasken, welche das Antlitz der Toten bedeckten. (S. Fig. 74-77, 80-82). Neben den Kuppelgräbern finden sich auch Schachtgräber, welche wahrscheinlich der älteren Zeit angehören.
Bildnerei und Malerei. In den Bauten und den kunstgewerblichen Arbeiten, bei denen die Zeichnung die Hauptsache ist, liegt die Bedeutung der mykenischen Kunstübung. Die Bildnerei und die Malerei
^[Abb.: Fig. 87. Das Innere des Poseidontempels zu Pästum.
(Nach Photographie von Alinari.)]
- hinsichtlich der Farbengebung - bleiben auf einer verhältnismäßig niederen Stufe. Die Figuren aus gebranntem Thon (Idole in weiblicher Gestalt und Tiere) sind roh und zeigen kaum einen Fortschritt gegenüber jenen der Vorzeit, besser sind die Elfenbeinschnitzereien. Von gröberen Werken in Stein sind nur die beiden Löwen an dem Bergthore von Mykenai bemerkenswert, doch zeigt sich hier keine sonderliche Begabung (Fig. 84). Auch von einer Malerei kann man eigentlich nicht sprechen, sondern nur von Farbenzeichnungen, wobei die Farben ganz willkürlich gewählt wurden (blaue Tiere mit roten Füßen), auch kamen nur wenige Farben zur Anwendung (rot, blau, gelb und braun).
Zeichnung. Mehr Geschick giebt sich in der Zeichnung kund, bei den eingravierten, getriebenen und aus Goldblech geschnittenen Schmucksachen, den ausgemeißelten Grabsteinen (Stelen) und auf den Vasen.
Thongefäße. Die Töpferei war nämlich in der mykenischen Zeit zu ziemlicher Entwicklung gelangt, und ihre Erzeugnisse bildeten einen Hauptgegenstand des Ausfuhrhandels. Die ältesten mykenischen Thongefäße waren mit matten Farben bemalt, die Verzierung bestand in gebänderten Mustern und Spirallinien, die Herstellung erfolgt bereits auf der Drehscheibe. Der Fortschritt bestand in der Anfertigung von mit glänzendem Firnis bemalten Gefäßen.
Die frühesten zeigen schwarze Grundfarbe, auf welche die Ziermuster in Weiß oder Rot aufgetragen sind, dann folgten Gefäße mit hellbraunem Firnis und schwarzbrauner Zeichnung, endlich kamen die Gefäße mit glänzendem, gelblichem Grundton und gelbbraunen, auch roten Zeichnungen auf, welche nicht mehr in einfachen Linienmustern, sondern in der Darstellung von Tieren und Pflanzen des Meeres sich bewegen. Diese Art ist die häufigste, auch vollkommenste; die jüngsten Gefäße sind grünlich oder rötlichgelb, mit meist schwarzen Zeichnungen, die bereits menschliche Figuren enthalten. Diese Topfmalerei erscheint frei von fremden Einflüssen, ist also eine den Griechen eigentümliche Kunstübung; wohl aber waren die Metallarbeiten vorbildlich und wurden die Formen (so die drahtartigen Spiralen) derselben auf die Töpferei übertragen.
Eigenart der mykenischen Kunstübung. Im ganzen zeigt sich, daß die Kunstübung der mykenischen Zeit auf dem kunstgewerblichen Gebiet sich entfaltete und nicht zur «höheren» freien Kunst gelangte. Ihre Grundlage bildete die hochentwickelte Arbeitsfertigkeit im Bauen, Bearbeiten von Metall und in der Töpferei. Da das zur Bronze notwendige Zinn in Griechenland nicht vorkommt, so mußten die Phöniker es geliefert haben, welche dann nicht nur den Rohstoff, sondern auch Muster mitbrachten. Diese - ägyptische und asiatische - waren insbesonders maßgebend für die geschnittenen Schmucksteine (Gemmen).
Die Zeit der mykenischen Kultur. - Die Stämme der Griechen. Die Blüte der mykenischen Kultur beginnt wahrscheinlich in der Zeit des 15. Jahrhunderts v. Chr. und hatte eine starke Zunahme der Bevölkerung zur Folge, welche den Drang zur Ausdehnung
^[Abb.: Fig. 88. Die Reste eines dorischen Tempels zu Agrigent.]
erwecken mußte. Aus ägyptischen Nachrichten erhellt, daß im 14. und 13. Jahrhundert griechische Stämme in das Nilland einfielen, und vor dem Jahre 1000 v. Chr. waren die Küsten Kleinasiens schon völlig von Griechen besiedelt.
Um diese Zeit lassen sich drei Gruppen des Volkes unterscheiden. Die stärkste war jene der Aiolier, zu denen auch die Bewohner von Mykenai und Tiryns gehörten; diese nahm den nordwestlichen Küstenstrich Kleinasiens in Besitz. Eine kleinere Gruppe bildeten die Bewohner von Attika und Euböa, welche sich auf den Inseln und der Südwestküste Kleinasiens ausbreitete und in der Folgezeit als jonischer Stamm auftritt. Im Nordwesten Griechenlands saß endlich eine dritte Gruppe, welche eine starke Verwandtschaft mit den altitalischen Stämmen aufweist und wahrscheinlich zu diesen engere Beziehungen hatte. Diese Gruppe, welche die Dorier genannt wird, war von der mykenischen Kultur wenig berührt worden, aber kriegstüchtig und volkreich.
Dorische Wanderung. «Homerisches» Zeitalter. Die Dorier drangen nun - ungefähr um 1100 v. Ch. -
nach Griechenland und dem Peloponnes vor, und bei dieser Völkerwanderung ging die mykenische Kultur und Kunstübung zu Grunde. Vom Peloponnes aus breiteten die Dorier sich dann über Kreta, die südlichen Inseln des ägäischen Meeres, bis Rhodos und über die Südwestecke Kleinasiens aus.
In dieser Zeit der Bewegung und Kämpfe - das «homerische» Heldenzeitalter - war die Kunstübung im Niedergange; die ganze Lebensweise hatte sich einfacher gestaltet, die politische Macht geht von den selbstherrlichen Königen auf die Grundherren, den Adel, über, der Handelsverkehr stockt. An Stelle der Bronze tritt jetzt das Eisen, das zunächst noch in wenig kunstvoller Art bearbeitet wird. Nur in der Töpferei erhält sich die ältere Kunstfertigkeit und entwickelt einen neuen Stil, welcher - nach der Fundstätte der besten Stücke, den Gräbern vor dem Dipylon-Thore Athens - der Dipylon-Stil genannt wird.
^[Abb.: Fig. 89. Das Erechtheion zu Athen.
(Nach Photographie.)]
Dipylon- oder geometrischer Stil. Die Hauptmerkmale dieses Stiles sind die eiförmige Gestaltung der Gefäße und die geometrische Verzierung (daher auch die Bezeichnung «geometrischer Stil»). Die Anordnung der Linienverzierung ist verständnisvoll dem jeweiligen Gefäßteil angepaßt. Auf großen Stücken kommen auch figürliche Darstellungen (Kämpfe, Seeschlachten, Fest- und Leichenzüge) vor, die Gestalten sind jedoch auch «geometrisch» aufgefaßt, aus Kreisen, Dreiecken, Bogen zusammengesetzt. Aus dem Bilde ersieht man am besten diese Eigenart (S. Fig. 78).
Auf die Verzierungskunst bleibt in dieser Zeit die eigen-griechische Kunstübung beschränkt. Freibildnerei und eigentliche Malerei ist ihr noch fremd. In der Verwertung der geometrischen Muster prägt sich aber schon der besondere griechische Kunstgeist aus; sie ist ihm eigentümlich, von östlichen Einflüssen völlig unabhängig.
Letztere Einflüsse mußten aber in der Folge immer stärker sich geltend machen, je mehr die Griechen sich an den Ufern zunächst des ägäischen, dann des ganzen mittelländischen Meeres ausbreiteten.
Ausbreitung des Griechentums. Von der Mitte des 8. bis zur Mitte des 7. Jahrhunderts v. Chr. an vollzieht sich die «friedliche» Ausbreitung des Griechentums durch Gründung von Pflanzstädten, welche mit dem Mutterlande in Verbindung bleiben. Korinth, vor allem aber Milet an der kleinasiatischen Küste, gehen in dieser Beziehung voran. Unteritalien, Sicilien, die Küsten des Schwarzen Meeres, werden mit griechischen Niederlassungen erfüllt, die in erster Linie Stützpunkte des Handels sind, welcher ebenso wie das griechische Gewerbe einen gewaltigen Aufschwung nimmt. Der Verkehr stellt aber auch innige Beziehungen mit den alten östlichen Kulturkreisen her, auf kleinasiatischem Boden unmittelbar mit dem chaldäischen, in den anderen Gebieten durch Vermittlung der Phöniker mit dem ägyptisch-asiatischen.
Korinthische Gefäße. Es ist daher begreiflich, daß die Kunstübung jener Zeit - die auch noch in kunstgewerblichen Arbeiten sich bethätigt - im Banne der fremden stand und deren Vorbilder nachahmt. Dies zeigen insbesondere die Gefäße (Fig. 79) aus Korinth, das ein Haupt-Gewerbe- und Handelsplatz war und seine Erzeugnisse
^[Abb.: Fig. 90. Die Jungfrauenhalle vom Erechtheion.
(Nach Photographie.)]
weithin versandte. Asiatische Formen (geflügelte Gestalten) und Ziermuster (Teppichnachahmung) verdrängen den geometrischen Stil und die Neigung zur Ueberladung tritt zu Tage.
Grundlage der griechischen Kunst. In dieser Uebergangszeit bildet sich aber die Arbeitsfertigkeit der Griechen aus; die innere Festigung der Gemeinwesen und der steigende Reichtum schaffen die Grundlagen, auf welchen sich die höhere Kunst, und zwar ganz im griechischen Geiste, entwickeln kann. Mit Ende des 7. Jahrhunderts haben die Griechen sich alles angeeignet, was ihr älteres Volkstum und jenes der Ostländer an Kunstformen hervorgebracht hatte, und nun wird dieser Besitz verarbeitet zu einer die griechische Eigenart voll zur Erscheinung bringenden Kunst, welche später zur Weltherrschaft gelangte.
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Die «hohe» Kunst. In dem «mykenischen» Zeitalter herrscht die Zierkunst vor, welche in dem menschlichen Triebe: «zu schmücken» ihre Wurzel hat und sich vor allem auf Gegenstände erstreckt, welche mit den Bedürfnissen des gewöhnlichen Lebens zusammenhängen. Die Ausbildung des «geistigen Lebens» ist die Voraussetzung des Fortschrittes zu jener Kunst, welche man gewöhnlich die «monumentale» nennt, die ich aber als «hohe Kunst» bezeichnen möchte, da sie sich nicht mehr blos mit den gemeinen Lebensbedürfnissen beschäftigt, sondern ihr Endziel auf Höheres richtet: einen Gedanken in schönen Formen zum Ausdruck zu bringen sucht.
Die Erhebung über das blos Leibliche findet zunächst in der Religion - zu welcher auch der Totenkult zu rechnen ist - ihren Ausdruck, und die hohe Kunst erscheint daher immer im Dienste derselben. Während in der «mykenischen» Zeit die Baukunst sich mit Burgen und Palästen beschäftigte, wird das neue Zeitalter der hohen Kunst durch Tempelbauten gekennzeichnet, und von diesen nehmen auch die anderen Künste, Bildnerei und Malerei, ihren Ausgang. In der Folge wird dann die Kunst von der Religion unabhängig, sie erhält einen Selbstzweck und gewinnt damit die Freiheit.
Die griechischen Gottheiten. Bei den einzelnen griechischen Stämmen hatte jeder ursprünglich eine besondere Stammgottheit (oder Ortsgottheit); der engere Zusammenschluß dieser Stämme zu einem - allerdings nicht staatlich geeinten Volke - hatte zur Folge, daß diese verschiedenen Gottheiten gemeinsam wurden und der «griechische Götterhimmel» entstand. Einzelne solcher ursprünglich verschiedenen Ortsgottheiten verschmolzen dabei zu einer Gottheit, so sind beispielsweise unter den Namen Apollo und Aphrodite solche zusammengefaßt worden. Auch in der Folge findet sich in jedem Staat oder jeder Stadt eine besondere Hauptgottheit, neben welcher die von den Anderen übernommenen Götter eine
^[Abb.: Fig. 91. Das Denkmal des Lysikrates zu Athen.
(Nach Photographie.)]
untergeordnete Rolle spielen. Die Verwandtschaft und Rangordnung der Götter, wie wir sie heute aus der «Mythologie» kennen, ist das Ergebnis einer späteren Lehre, die mehr von Dichtern als von den Priestern ausgebildet wurde. In Athen war, um nur an einem Beispiel das Verhältnis zu zeigen, nicht der «Vater der Götter», Zeus, sondern Pallas Athene Hauptgottheit. Auf kleinasiatischem Boden und den Inseln treffen wir vorwiegend weibliche Gottheiten - Aphrodite, Artemis, Hera -, welche dort vielfach Züge der semitischen Astarte aufweisen.
Diese kurze religionsgeschichtliche Bemerkung habe ich hier eingeschaltet, weil sie auch einige Erscheinungen in der Kunstentwicklung der verschiedenen Gebiete verständlich macht.
Tempelbau. Die ersten sicheren Zeugnisse für den griechischen Tempelbau stammen aus dem 7. Jahrhundert v. Chr. Die Baukunst erscheint da bereits ziemlich entwickelt, es bestehen für Anlage und Bauweise feste Regeln. Was zwischen dieser Zeit und der mykenischen liegt, entzieht sich unserer Kenntnis, und es lassen sich über den Entwicklungsgang nur Vermutungen aufstellen.
Holzbau. Zweifellos ist die griechische Baukunst vom Holzbau ausgegangen. Die ganzen Formen des ältesten Stiles - des dorischen - weisen darauf hin, die Anlage des Daches, die Gliederung des Giebels, auch die Säule selbst. In manchen Einzelheiten seiner Gestaltung erinnert der altgriechische Tempel thatsächlich vielfach an das aus Holz gefügte nordische Bauernhaus. Begreiflicherweise blieb von diesen ältesten Holzbauten nichts erhalten, zumal schon im 7. Jahrhundert der Uebergang zum Steinbau sich vollzog. Eine teilweise Verwendung des Holzes, insbesondere für die Decke, fand aber noch längere Zeit statt.
Grundformen der Tempel. Mit zwei Hauptformen tritt der griechische Tempelbau in Erscheinung: dem sogenannten «Anten-Tempel» und dem «Peripteros» (Pteros = Umgang). Ob letzterer aus dem ersteren sich entwickelt hat oder eine selbständige Erfindung sei, darüber herrscht Streit. Für letztere Annahme trat namentlich Semper ein, und auch ich neige mich ihr zu, weil der Gedanke, das Dach eines langgestreckten Hauptbaues auf allen vier Seiten auf Säulen zu stützen, ja Baumeistern mit so ausgesprochenem Verständnis für schöne Maßverhältnisse, wie es die Griechen waren, nahe liegen mußte.
^[Abb.: Fig. 92. Zwei Metopen aus Selinunt.
Herkules und die Kerkopen.
Perseus und Medusa.]
Antentempel. Beide Arten haben als Hauptteil die Zelle (Cella), den Raum für das Götterbild. Bei dem Antentempel ist die Zelle nahezu quadratisch; die beiden Seitenmauern sind verlängert und enden in Wandpfeilern - Anten - zwischen welchen Säulen stehen, welche das Gebälk des Giebels tragen.
Peripterostempel. Der Peripterostempel hat eine Zelle von längerer, rechteckiger Form, die zwei, bisweilen drei Räume enthielt, die eigentliche Cella als Heiligtum, eine Vorhalle (Pronaos) und einen Hinterraum (Opisthodomos), der als Schatzkammer oder «Sakristei» diente. Dieses Langhaus war auf allen Seiten von Säulenreihen umgeben; es ruhte auf einem Unterbau (Krepidoma, die obere Fläche desselben heißt Stylobat) mit hohen Stufen ringsum; an der Vorderseite waren dann noch Zwischenstufen eingelegt, welche den Aufgang gestatteten.
Abarten. Von beiden Hauptformen giebt es mehrere Abarten. Bisweilen wurden bei den Antentempeln auch auf der Rückseite die Seitenmauern verlängert, und zwischen diesen hinteren Anten Säulen gestellt (Doppelantentempel). In anderen Fällen sprangen die Anten nur wenig vor, und wurden vor den ganzen Bau vier Säulen gestellt (Prostylos). Dem Doppelantentempel entsprach der Amphiprostylos, welcher auch auf der Rückseite vier Säulen hatte.
Abarten des Peripterostempels sind der Pseudoperipteros, bei welchem die Säulen nicht frei rings um die Zelle standen, sondern als Halbsäulen an der Zellenmauer klebten; dann der Dipteros, der zwei Säulenreihen ringsum hatte. (Besondere Formen waren der Rund-Peripteros, bei welchem die Zelle kreisrund war, und der Monopteros, eine runde Säulenhalle ohne Zelle.)
Die Zelle. Die Zelle erhielt ihr Licht durch die Eingangsthür, es herrschte somit eine geheimnisvolle Dämmerung in dem Heiligtum. In der späteren Zeit, als man große Tempel baute, gab es solche, bei welchen das Mittelschiff ohne Decke war, so daß das Licht von oben hereinfiel. (Hypæthral-Tempel.) Diese Bauten enthielten im Innern zwei Reihen von Säulen, welche dünner waren, als die äußeren. Da durch diese Schlankheit das Maßverhältnis gestört worden wäre, so machte man sie niedriger, legte eine Zwischendecke über die Seitenschiffe und stellte eine zweite Säulenreihe auf, welche bis zur Hauptdecke reichte, so daß in diesen Seitenschiffen Obergeschosse entstanden.
Die Säule. Die geschilderten Grundformen des Tempelbaues stehen, wie gesagt, seit dem 7. Jahrhundert fest und erlitten in der Folge keine bemerkenswerte Abänderung. Die künstlerische Entwicklung vollzog sich an der Säule, welche allerdings ein ganz wesentliches Glied der Gesamtanlage war, besser gesagt, die ganze Eigenart des griechischen Tempels bestimmte. In der Gestaltung der Säule geben sich somit hauptsächlich die verschiedenen «Stile» kund.
^[Abb.: Fig. 93. Standbild eines Jünglings.
Der sog. Apoll von Tenea. München. (Nach Photographie von Bruckmann.)
Dorischer Stil. Der älteste ist der dorische Stil. Der Säulenschaft steht ohne Zwischenglied unmittelbar auf der Grundfläche (Stylobat), seine Höhe beträgt 4-6½ untere Durchmesser, er ist mit Rinnen versehen, die Bekrönung (Kapitäl) hat als Hauptglieder den kesselförmigen Echinus und darüber die viereckige Platte des Abacus. Im dorischen Stil prägt sich Kraft und Gesetzmäßigkeit aus, alle Glieder stehen in klarem Zusammenhange, durch schlichte Einfachheit der Formen wird der Eindruck der Größe erzielt. Wohl zeigen die ältesten Denkmale des Stiles noch nicht die volle Durchbildung der schönen Maßverhältnisse, doch schon um die Mitte des 6. Jahrhunderts ist der Stil ausgereift, und die Werke sind von vollendeter Schönheit. Zu Ende des 4. Jahrhunderts trat dann eine Verweichlichung der Stilformen ein, und die späteren Bauten zeigen manche Mißverhältnisse.
Jonischer Stil. Jünger - wenn auch nicht erheblich - ist der jonische Stil. Der römische Schriftsteller Vitruv erzählt, die nach Kleinasien ausgewanderten Jonier hätten den dorischen Stil in der Weise umgebildet, daß sie anstatt der Verhältnisse des männlichen Körpers jene des weiblichen ihren Bauanlagen zu Grunde legten. Das ist nun allerdings eine Sage, aber in gewisser Hinsicht kennzeichnet sie treffend den Unterschied: der dorische Stil macht in der That den Eindruck des männlich Kräftigen, der jonische jenen des weiblich Anmutigen. Die Geschlossenheit des dorischen Stiles, bei welchem jedes Glied von dem anderen und vom Ganzen abhängig war, weicht im jonischen Stile einer größeren Freiheit, die Einzelglieder erscheinen mehr selbständig. Dort bedingt den Zusammenhang das Gesetz der Notwendigkeit, hier wird er durch den Einklang der verschiedenen frei entwickelten Teile erzielt.
^[Abb.: Fig. 94. Bildwerke vom Westgiebel des Tempels zu Aegina.
München, Glyptothek. (Nach Photographie von Bruckmann.)]
Die jonische Säule ist nicht mehr mit dem Untergrunde verwachsen, sondern der Schaft ruht auf einem besonderen Sockel (Basis). Er ist schlanker und höher - 9 bis 10 untere Durchmesser -, die Bekrönung wird ebenfalls leichter und zierlicher, das Hauptglied derselben ist an den Seiten schneckenförmig gestaltet (Voluten). Die anmutigeren, feineren Formen weisen auch darauf hin, daß der Baustoff ein kostbarerer war, der feinkörnige Marmor tritt an Stelle des derben, löcherigen Kalksteins und Tuffs. Bei der dorischen Säule sind die Rinnen (Kanellierung) flach elliptisch, durch ihre Anordnung soll der Eindruck einer Verstärkung des Säulenkörpers und Erhöhung ihrer Tragfähigkeit erzielt werden. Die jonische Säule hat viel mehr (bis 24) Rinnen, sie sind schmal und tief und durch Stege getrennt, welche als die eigentlichen Träger erscheinen. Der massige Schaft ist gewissermaßen aufgelöst in eine Reihe zierlicher, leichter Stäbe.
Aiolischer Stil. Der dorische und jonische Stil sind die zwei selbständigen Hauptarten, die nebeneinander entstanden und bestanden. Neuere Ausgrabungen haben noch Zeugnisse für einen dritten, den aiolischen, Stil zu Tage gefördert, der jedoch zu keiner erheblichen Bedeutung gelangte. Er wird gekennzeichnet durch die eigentümliche Form des Kapitäls, das einen Blattkranz und ein Volutenglied enthält.
Korinthischer Stil. Als eine Abart und Fortbildung des jonischen Stiles erscheint der korinthische, dessen Erfindung dem Bildhauer Kallimachos zugeschrieben wird (zweite Hälfte des 5. Jahrhunderts). Man hat es hier mit einer bewußten, aus künstlerischer Ueberlegung hervorgegangenen Verbesserung zu thun, zu welcher den Anlaß wohl der Umstand gegeben haben mag, daß das Volutenglied des jonischen Kapitäls seine eigenartige Form nur in der Vorderansicht zeigt, während man von der Seite her nur einen Wulst sieht. Es wurde durch einen Kranz von aufrechtstehenden, an der Spitze umgebogenen Blättern ersetzt - Schilf, vor allem aber Akanthus (Bärenklau) lieferten dazu die Vorbilder -, und dieser Blattkranz, welcher auch eine reiche Ausgestaltung und Formenfülle gestattete, ist das eigentliche Kennzeichen des korinthischen Stiles, der im wesentlichen die Formen des jonischen beibehielt. In der späteren Zeit, namentlich bei den Römern, wurde er als der prunkvollste bevorzugt. (Abbild. siehe unter «Stilvergleichung» in den Erläuterungen.)
Berücksichtigung der Gesetze des Sehens. Der künstlerische Sinn der Griechen, wodurch sie sich vorteilhaft von den Orientalen und Aegyptern unterscheiden, giebt sich darin kund, daß sie nicht an der mathematischen Regelmäßigkeit festhielten, sondern die Wirkung auf das Auge zu berechnen verstanden. Der Grundplan der Tempelanlagen erscheint zwar durchaus geradlinig und rechtwinklig, thatsächlich aber findet sich in der Ausführung keine streng gerade Linie, keine vollkommene Ebene und keine genaue Senkrechte.
Die Grundfläche, auf welcher der Bau steht, wölbt sich leise von den Ecken gegen die Mitte zu, ebenso auch die Grundlinie des Giebeldreiecks, welche noch in der Mitte nach innen eingebogen ist. Die Mauern der Zelle und die Säulen sind nicht axensenkrecht, sondern neigen nach innen, die Ecksäulen, welche von mehreren Seiten beleuchtet sind, wurden stärker gebildet, die Schäfte erhielten in der Mitte eine Schwellung. Kurz, die anscheinend geraden Linien sind durchwegs leicht gebogen. Dies zeugt von einer ungemein scharfen Beobachtung der sogenannten «optischen Täuschung», richtiger der «Gesetze des Sehens», und einer hohen Geschicklichkeit in deren Berechnung. Dadurch erzielten die Baumeister eben den Eindruck der Geradlinigkeit, daß sie von der mathematischen abweichend die Augentäuschung berücksichtigten.
Färbung. Noch in anderer Hinsicht tritt die feine Berechnung der augenfälligen Wirkung zu Tage, in der Färbung. Die frühere Annahme der Farblosigkeit griechischer Bauten ist derzeit widerlegt. Allerdings darf man nicht an eine durchwegs ausgeführte eigentliche Malerei denken, welche durch die Farbe selbst wirken will, sondern letztere hatte eine bescheidenere Rolle.
In erster Linie handelte es sich um eine «farbige Tönung» der großen Massen. Die in der ersten Zeit verwendeten Steinarten waren, wie bereits erwähnt, von löcherigem Gefüge und ungleichartiger Farbe. Die Bauten hätten aus diesem Grunde ein unschönes
Aussehen gehabt. Man überzog sie daher mit Stuck, dem man einen gleichmäßigen Farbenton geben konnte. Bei dem später verwendeten Marmor war das grelle Weiß störend, das allerdings im Laufe der Zeit infolge der Einflüsse von Luft und Licht vergilbt. Dies erfolgt aber ungleichmäßig, und man zog es daher vor, sofort dem Marmor durch Beizen einen einheitlichen Farbenton zu geben.
Nun kam aber in Betracht, daß nicht nur Stein, sondern auch Holz und Metall zur Verwendung gelangten, und ferner, daß die verschiedenen Teile des Baues auch eine verschiedene Aufgabe hatten, welche dem Auge verdeutlicht werden sollte. Der Grundton (des Stucküberzuges) kennzeichnet die Hauptglieder der eigentlichen Baufügung; jene Teile, welche Verschalung, Verschluß, Bekleidung bedeuteten, wie z. B. die Dreischlitze (Triglyphen), wurden durch eine besondere Färbung hervorgehoben. Hierbei kamen Blau für die hervortretenden, Dunkelroth für die zurückliegenden Teile hauptsächlich in Anwendung. Die Farbe wurde gleichmäßig, aber nicht vordringlich, aufgetragen. - In letzter Linie kam dann noch die Verzierung (Ornament) hinzu, um auch feinere Glieder - Abacus, Gesimse - in ihrer Bedeutung hervortreten zu lassen.
Diese Verzierungen wurden auch in einfachen Farben, ohne Schattierung, ausgeführt; stets blieb die Hauptsache, daß die ursprüngliche Form nicht verdeckt oder verändert wurde; die Färbung unterordnete sich gänzlich dem Baulichen, sie «diente» nur zur Erhöhung der Wirkung desselben. Erst in der späteren Zeit treten auch eigentliche Gemälde auf den inneren Wandflächen auf, welche nicht mehr bloß dem Baulichen dienen, sondern schon selbständig wirken wollen.
Bildnereischmuck. Noch bevor aber Letzteres eintrat, hatte sich jedoch eine Wandlung in der Ausschmückung der Tempel vollzogen, welche eine Folge der Entwicklung der Bildnerei war. Die vorhin geschilderte Färbung war die ältere ursprüngliche Schmuckform, die in ihrer Einfachheit den Bau an sich zur ausschließlichen Geltung kommen ließ. Nunmehr wurde aber das Farbenornament der Flächen durch Arbeiten der Bildhauerkunst ersetzt. Im Anfange bewahrten auch diese noch eine gewisse Unterordnung, mit dem Fortschritte der Bildnerei treten sie aber immer mehr in den Vordergrund und ziehen zuletzt die ganze Aufmerksamkeit zu Ungunsten des Baues auf sich. Den Höhepunkt dieser Entwicklung bezeichnet der Ersatz der Säulen durch Standbilder, Karyatiden (Fig. 90). In der Bildnerei lag ja der Schwerpunkt der griechischen Kunstübung, die auf diesem Felde zu höchster Vollendung gelangte, und da ist es nur natürlich, daß sie alles andere beherrschte.
^[Abb.: Fig. 95. Bogenschütze vom Ostgiebel des Tempels zur Aegina.
München. Glyptothek. (Nach Photographie von Bruckmann.)]
Ursprungsstätten der Baukunst. Wenn man nur nach den Oertlichkeiten, an denen die Ueberreste der ältesten Denkmale sich vorfinden, auf die Hauptstätten der Entwicklung griechischer Baukunst schließen wollte, so käme man zu der Annahme, daß sie nicht im Mutterlande, sondern in Kleinasien, auf den Inseln und in Italien zuerst Ausbildung fand. Erklärlich würde dies auch insofern sein, als dort die Berührung mit anderen, bereits vorgeschrittenen Kunstkreisen einerseits, der raschere Aufschwung zu Reichtum andererseits Anregungen und Mittel boten. Indessen muß man wohl auch in Betracht ziehen, daß auf dem griechischen Festlande vielfach ältere Bauten in späterer Zeit durch neue ersetzt worden sein mochten. Eines erscheint mir nur sehr wahrscheinlich, daß hier der Holzbau, mindestens die teilweise Verwendung von Holz (Decken und Gebälke) etwas länger währte.
Zeiträume der Entwicklung griechischer Kunst. Eine andere Frage ist, welche Zeitabschnitte in der Entwicklung der griechischen Baukunst zu unterscheiden seien. Je mehr die Untersuchung ins einzelne geht, desto mehr solcher Abschnitte würde man auch aufstellen können; in der Hauptsache aber genügt es, wenn man im Anschlusse an die politisch-geschichtlichen Vorgänge drei Zeiträume unterscheidet.
Erster Zeitraum bis zu Ende der Perserkriege. Der erste reicht bis zum Abschluß der Perserkriege (467 v. Chr.); während desselben hatte sich die Einigung der griechischen Stämme zu einem «Volke» vollzogen, auf Grund gemeinsamer religiöser Anschauungen, Sitten und Ziele, kürzer gesagt: gemeinsamer Kultur. Das «Gefühl der Zusammengehörigkeit» ersetzt das fehlende politische Band, denn Griechenland bleibt in kleine Staaten geteilt, zwischen denen manche Interessengegensätze auftreten.
Zwei dieser Staaten gewinnen eine ausschlaggebende Bedeutung; sie sind Vertreter der zwei Hauptstämme und in ihrer Einrichtung und Eigenart gründlich verschieden. Der eine ist der dorische «Militär-Staat» Sparta mit einer straffen, die Freiheit der Einzelperson beschränkenden und dem Staatsgedanken unterwerfenden Ordnung. Der zweite ist Athen, die jonische Hauptmacht; hier kommt die Freiheit des Einzelnen zur Geltung, entwickelt sich der «Volksstaat». Im Gegensatze zu der spartanischen Einseitigkeit tritt in Athen uns Vielseitigkeit entgegen, der bewegliche jonische Geist bildet alle seine Seelen-
^[Abb.: Fig. 96. Gefallener Krieger vom Ostgiebel des Tempels zu Aegina.
München, Glyptothek. (Nach Photographie von Bruckmann.)]
kräfte aus. Handel, Gewerbe und Kunst gelangen daher hier zu hoher Blüte, und Athen wird zum Mittelpunkt großer Städtebünde. Als Vormacht, welcher sich die große Mehrheit der Griechen in freiwilliger Bundesgenossenschaft anschließt, erscheint dann Athen nach den Perserkriegen als Hauptvertreter des ganzen Volkstums.
Baudenkmale des ersten Zeitraums. Von diesem Zeitraume der aufstrebenden Entwicklung gilt namentlich, was über die Oertlichkeiten vorhin gesagt wurde. Damals entstanden der berühmte Artemistempel in Ephesus, der Tempel von Assos, der Heratempel auf Samos, vor allem die bemerkenswerten Bauten in Sicilien (Selinunt, Syracus, Agrigent) und Unteritalien (Pästum, Metapont). Auf dem griechischen Festlande stammen Tempel in Korinth, auf Aegina, in Rhamnes, der Apollotempel von Delphi und die erste Anlage des Zeustempels in Athen aus dieser Zeit. Die meisten Bauten sind freilich untergegangen, so der delphische Tempel und das alte Parthenon in Athen. Der dorische Stil erreichte seine Ausbildung, aber nicht die Vorherrschaft, denn schon in diesem Abschnitte tritt auch der jonische Stil allenthalben auf.
Zweiter Zeitraum bis Alexander d. Gr. Der folgende Zeitraum reicht von etwa 470 v. Chr. bis zur Unterwerfung Griechenlands unter die makedonische Herrschaft durch Alexander (338 v. Chr.). Er läßt sich in zwei Unterabschnitte teilen: den ersten kennzeichnet die Vorherrschaft Athens bis zum Peloponnesischen Kriege (431-404 v. Chr.), der zweite ist die Zeit der politischen Auflösung, herbeigeführt durch die spartanische Oberherrschaft.
Mit der hohen Machtstellung Athens ist auch die Blütezeit der griechischen Kunst verbunden, im «Zeitalter des Perikles» steht sie auf ihrer Höhe. Der jonische Stil erfährt jetzt seine vollendete Ausbildung. Nach dem peloponnesischen Kriege tritt zwar kein eigentlicher Verfall der Kunst ein, immerhin aber ein Stillstand und ein gewisser Niedergang hinsichtlich der Kunstthätigkeit überall dort, wo die politischen Wirren die Kräfte und Mittel des Volkes aufzehrten.
Baudenkmale des zweiten Zeitraums. Die bedeutendsten Baudenkmale dieser Zeit finden sich selbstverständlich in Athen - Parthenon und Erechtheion, jenes das vollendetste Werk dorischen, dieses des jonischen Stils, der Theseustempel, das Prunkthor der Propyläen -
^[Abb.: Fig. 97. Aristogeiton.
Aus der Gruppe der Tyrannenmörder. Neapel.]
aber auch an anderen Orten entstanden bedeutsame Bauten, so der Zeustempel in Olympia, der Demetertempel in Eleusis und viele andere.
Weltliche Prachtbauten. In diesem Zeitraum bilden nicht mehr die Tempel die ausschließlichen Gegenstände der Baukunst, sondern es entstehen jetzt auch Prachtbauten, die anderen öffentlichen Zwecken dienen. Das gewöhnliche Wohnhaus bleibt allerdings noch immer einfach in seinem Aeußeren, was mit der gesamten Lebensweise der Griechen zusammenhing; Fürsten gab es in den Volksstaaten nicht, und auch die Vornehmen durften die Mißgunst der Massen nicht durch Prunkhäuser erregen.
Dagegen ließ das «herrschende Volk» die öffentlichen Gebäude in künstlerischer Weise ausgestalten; vor allem jene, die den Festspielen dienten, welche ja auch eine religiöse Weihe hatten. Den Festspielbauten und Theatern schlossen sich dann Denkmale an, welche zu Ehren von Siegern in den Wettkämpfen oder zum Gedächtnis Verstorbener errichtet wurden; auch Friedhofsanlagen kamen auf. Von letzteren bietet ein Beispiel das Heroon von Giölbaschi in Kleinasien (Lykien), die Familiengrabstätte eines griechischen Vornehmen, die aus der Zeit um 400 v. Chr. stammt.
Städteanlagen. Besonders beachtenswert ist aber, daß man bei Gründung neuer Städte nach baukünstlerischen Gesichtspunkten verfuhr. Bei der Anlage hielt man an der Geradlinigkeit und rechtwinkligen Durchschneidung der Straßen fest; die öffentlichen Plätze stattete man mit Säulenhallen aus. Diese neuen Städte - so Rhodos (408 v. Chr.), Megalopolis (nach 370), Messene u. a. -
gewannen daher ein vornehm-prächtiges Aussehen, und zeugten von dem künstlerischen Sinne, welcher das ganze Griechenvolk beseelte.
Dritter Zeitraum bis zum 1. Jahrhundert v. Chr. Alexander der Große hatte die politische Selbständigkeit der griechischen Staatsgebilde vernichtet, dafür gewann er der griechischen Kultur und Kunst die halbe Welt. Im Gefolge seiner siegreichen Heere verbreitete sie sich über den ganzen Osten; die alten Kulturstätten im Mittelstromlande und Aegypten, auch Indien werden von griechischem Geiste erfüllt und büßen ihre Eigenart zum größten Teile ein. Mit der Aufrichtung des makedonischen Weltreiches beginnt der dritte Zeitraum, dessen Ende sich eigentlich schwer bestimmen läßt.
Die meisten rechnen ihn nur bis zur Eroberung Griechenlands durch die Römer, was jedoch nicht zutreffend erscheint, wenn man erwägt, daß die griechische Kunst, insbesondere aber die Baukunst, die italische in einer Weise beeinflußte, daß man beinahe von einer «künstlerischen» Eroberung Roms sprechen könnte. Ich möchte daher als Zeitgrenze eher das 1. Jahrhundert nach Chr. annehmen, bis nämlich die besonderen Eigentümlichkeiten der römischen Kunstübung - von denen später die Rede sein wird - in schärferer Ausprägung hervortreten.
Eigenart dieses Zeitraums. Die Aenderung der allgemeinen Verhältnisse prägt sich
^[Abb.: Fig. 98. Harmodios.
Aus der Gruppe der Tyrannenmörder. Neapel.]