den Ausdruck der höchsten Majestät erhalten mußten. Die Gestalt saß auf einem Throne, die Hände ruhten auf den Knieen; der Kopf war erhoben, der Blick ist geradeaus in die Ferne gerichtet.
Kopf der Nefert. Beim Kopf der Prinzessin Nefert (von einem ähnlichen Standbilde) wurden, um den Ausdruck des Auges möglichst lebendig zu bekommen, die Augäpfel aus Quarz gebildet, die Augensterne, hinter welchen als Pupille ein Silberstift eingelassen war, aus Bergkrystall. Doch auch die Gesichtszüge verstand der Künstler so lebendig zu gestalten, daß uns der Kopf sofort als «Ebenbildnis» erscheint.
Der «Schreiber» des Louvre. Dasselbe gilt von dem Standbilde des Schreibers im Louvre. Im Gegensatz zu dem lieblicheren Frauenbilde haben wir hier das naturwahre Bild eines gespannt horchenden Mannes, dessen knochiges Gesicht wieder den vollen Schein des Lebens hat. Bei diesem ist auch die in der Ausführung des Körpers erstrebte möglichste Naturtreue zu beachten, besonders gut ist die rechte Hand ausgeführt; die Füße sind nachlässig und unrichtig gebildet. Die Augen wie beim vorigen Beispiele.
Der «Dorfschulze». Den Eindruck der vollsten «Porträtähnlichkeit» haben wir jedoch vom Kopfe des sogenannten Dorfschulzen, in welchem wir jedenfalls das beste Bildnis der ägyptischen Kunst besitzen. Die Körperhaltung ist hier freier, was auf einen geringeren Stand des Dargestellten schließen läßt; er war ein Oberaufseher, einer der «Frohnvögte», welcher die Arbeiter bei den Pyramidenbauten zu beaufsichtigen hatte. Auf den Namen «Dorfschulze» wurde er wegen seiner Aehnlichkeit mit dem Dorfoberhaupte der ihn ausgrabenden Fellachen von diesen getauft.
Der nackte Körper. Standbild des Renefer. Was die Aegypter in der Durchbildung des nackten männlichen
^[Abb.: Fig. 34. Tempelgerät (Wassereimer).
Aus Bronze mit Gravierungen und Flachbildschmuck. Spätzeit, etwa 700 v. Chr. Berliner Museum.]
^[Abb.: Fig. 35. Nilpferd
mit Sumpfblumen und -Tieren bemalt, aus dem mittleren Reich, 2200-1800 v. Chr. Grüner Thon. Berliner Museum. (Nach Photographie von Mertens.)] ¶
Körpers erreichten, zeigt das Standbild des Renefer, eines Priesters der fünften Dynastie. Während der Oberkörper verhältnismäßig richtig erfaßt ist, und besonders Hände und Arme ein genügendes Studium erkennen lassen, sind die Beine nichts als zwei ziemlich plumpe Stützen, welchen auch nicht durch Vorschieben des linken Fußes größere Lebenswahrheit gegeben werden konnte. In der Bildung der unteren Gliedmaßen versagte die ägyptische Kunst völlig, doch nicht aus Unfähigkeit, sondern aus Mangel an Interesse an diesen für ihre Zwecke unwichtigen Teilen. Hier finden wir auch jene Stütze, welche in der allgemeinen Uebersicht (S. 22), erwähnt wurde, bis über Schulterhöhe als breite Platte ausgeführt. (Fig. 28.)
Neben diesen Werken darf sich auch das weniger bekannte Holzbildnis des Per-Her-Nofret im Berliner Museum (Fig. 29) wohl behaupten. An Leichtigkeit der Bewegung, welche sich nicht auf bloßes Vorstrecken des linken Fußes, sondern auch auf ein Vorschieben der Schulter erstreckt, übertrifft es die vorigen.
Als Beispiel der schon weiter oben erwähnten freieren Darstellungen aus dem niederen Volksleben gebe ich hier die Abbildung einer Teigkneterin. (Fig. 30.)
Werke der späteren Zeit. Im Laufe der Zeit trat im Kunstgefühl der Aegypter eine Verfeinerung ein, welche wieder hauptsächlich in der Ausarbeitung der Feinheiten im Gesichtsausdruck das höchste Ziel sah. Man wandte sich mehr und mehr von der strengen Naturtreue des alten Reiches ab und suchte die Aehnlichkeit mit einem Schönheits-Urbild zu verbinden. Dabei trat das Bestreben hervor, besonders die weiblichen Köpfe durch Betonung gewisser feiner Züge reizvoller zu gestalten. Die erlangte größere Arbeits-Geschicklichkeit versuchte sich in der Bearbeitung härterer Stoffe, wie z. B. beim Kopfe Thutmosis III. (Fig. 31), welcher überlebensgroß aus hartem Granit gearbeitet wurde.
Bis zu welcher Vollkommenheit die Künstler schließlich in der Behandlung der sprödesten Stoffe gelangten, zeigt ein Kopf aus grünem Basalt aus der Spätzeit im Berliner Museum (Fig. 32), welcher an Feinheit der Ausführung nicht zu übertreffen ist. Auch der künstlerische Wert ist ein sehr hoher und zeugt von einem schönen, aber nur kurzen Aufblühen der Kunst, welches den rasch eintretenden Untergang nicht aufhalten konnte.
Feiner, wenn auch nicht viel richtiger, wurden nun auch die übrigen Teile gebildet, wie wir es an einem kleinen Holzbilde der Priesterin Tui sehen (Fig. 33). Das leichte Gewand schmiegt sich eng den zarten Körperformen an. Die Feinheit des Gesichtes wird durch den Gegensatz mit der mächtigen Perücke gehoben.
Proben der Kleinkunst und des Kunstgewerbes. Dieses zierliche Holzfigürchen leitet uns in das Gebiet der Kleinkunst und des Kunstgewerbes. Es ist mir hier nicht möglich, aus dem reichen Schatze dieses Kunstzweiges mehr als bloße Proben zu geben, diese zeigen aber, daß das Kunstgefühl in das ganze Volk gedrungen war, so daß selbst die einfachsten Gegenstände zum mindesten schöne Formen haben mußten. Besonders feine und liebevolle Ausführung zeigen die Gegenstände des täglichen Gebrauches, welche dem Luxusbedürfnis dienten. Hiermit meine ich z. B. die zahlreichen Parfüm- und Salblöffelchen, die Schminkbüchsen u. s. w. Die Formen wurden dem Tier- und Pflanzenreiche entnommen und auch der menschliche Körper viel verwendet. Auf der Tafel «Kunstgewerbe des Altertums» und auf S. 34 - 36 sind einige solcher Gebrauchsgegenstände abgebildet. Auffallend ist bei diesen Beispielen, wie frei und lebenswahr die vorbildlichen Naturformen angewendet wurden.
^[Abb.: Fig. 36. Silbernes Götterfigürchen aus der Spätzeit.
Berliner Museum. (Nach Photographie von Mertens.)] ¶