mehr
Befehls, weil das Aufschreiben erst später zu geschehen brauchte, fürs Erste aber gepredigt werden sollte. Nachdem dieses geschehen war, konnte der Geist, der sie überall leitete, und das natürliche Bedürfniß selbst sie darauf aufmerksam machen, daß ein schriftliches Zeugniß für die Nachwelt unentbehrlich sei. Daß sie schrieben, geschah ganz im Geiste und Sinne Christi; oder wird man sagen wollen, sie hätten geschrieben, ungeachtet sie wußten, daß Christus keine Schrift in seiner Kirche gewollt hätte?! Es war ein heiliger Drang, der sie dazu vermochte. Johannes bezeugt es, Joh. 20, 31. und 1 Joh. 1, 1-4. (wobei es doch offenbar auf die Verkündigung des Geschehenen und Gehörten im Evangelio, dessen Begleitschreiben der Brief war, hindeutete), daß er schrieb, um den Glauben an Christum, die Gemeinschaft mit dem Vater und Sohne zu fördern. Dasselbe deutet Petrus, 2 Petr. 1. 15. dasselbe Lucas an, Luc. 1, 4. Der Gedanke an die Nachwelt war ihnen nicht fern, noch viel weniger Christo. Warum JEsus selbst nicht schreiben konnte, s. Art. JEsus, §. 3.
2. Wenn, so lange es keine neutestamentliche Schrift gab, die mündliche Predigt der Apostel unentbehrliche Erkenntnißquelle des Glaubens war, und dieses Wort unbedingte Auctorität hatte, weil Christus aus ihnen redete, und erklärt hatte, daß wer sie höre, ihn selbst höre, wer sie verwerfe, ihn selbst verwerfe, und höchst strafwürdig und verdammlich sei, Matth. 10, 14. 15. Luc. 10, 16. so muß doch, nachdem ihre mündliche Predigt aufgehört hat, ihr geschriebenes Wort eine gleiche Nothwendigkeit und ein gleiches Ansehen behalten.
3. Die Form der neutestamentlichen Schriften ist für ihren Zweck die angemessenste. «Quellen von Glaubenssystemen» (Daniel 1. c. S. 11.) wollen sie nicht sein, aber Quellen des Glaubens. Wie sollte sich ein trockenes Compendium in logischer Schulform zur Erbauung in der Kirche und zur Privatandacht eignen? («Si Apostoli doctrinam suam literis consignare ex professo voluissent, certe Catechismum ut similem librum confecissent» Bellarmin 1. c. S. 105.) Die Schriften, wie wir sie haben, sind die zu christlichen Zwecken, zum Glaubensaufbau und zur Erregung des christlichen Lebens treffendsten und geeignetsten. Erst die einfache treue Darstellung des heiligsten, segensreichsten Lebens in der Geschichte Christi, und dann die fortwirkende Kraft und die reinen Herzensergießungen des Geistes Christi in der Apostelgeschichte und in den Briefen; wie viel mehr wirkte das auf die Herzen, als eine in wissenschaftlicher Form abgefaßte Schrift! Die systematische Anordnung der evangelischen Lehre ist dem menschlichen Geiste überlassen.
4. Die Praxis der alten Kirche kann gegen die Unentbehrlichkeit der Schrift nicht entscheiden. Wenn auch die Kirche eher da war, als es ein N. T. gab, und wenn, so lange die lebendige Apostolische Predigt erscholl, oder ihr Nachklang forttönte, die Schriften nicht so dringendes Bedürfniß waren: so ist es ganz unstatthaft, davon einen Schluß zu machen auf Zeiten, wo die Apostolische Predigt längst verklungen ist. - Darum fühlte auch schon die älteste Kirche die Nothwendigkeit des Gebrauchs der Schriften des N. T. - Sie hat sich von Anfang an dem Ansehen der Apostel untergeordnet, und zwar gleichmäßig ihrem Worte und ihrer Schrift. Sie stellt nicht etwa die Apostolischen Schriften in Eine Reihe mit anderen christlichen Schriften, sondern weit über diese. Polycarp, Ep. ad Phil. c. 3. PP. Apost. II. 187. «Weder ich noch ein Anderer meines Gleichen kann der Weisheit des seligen und verherrlichten Paulus beikommen. - Abwesend hat er an euch Briefe geschrieben. Wenn ihr in diese hineinschaut, so könnt ihr erbaut werden auf den Glauben, der euch gegeben ist.» Irenaeus adv. Her. III. 1. Non per alios dispositionem salutis nostrae cognovimus, quam per eos, per quos Evangelium pervenit ad nos, quod quidem tunc praeconiaverunt, postea vero per Dei voluntatem in Scripturis nobis tradiderunt, fundamentum et columnam fidei nostrae futurum. Das Letzte spricht offenbar den Gedanken aus, daß eben die Schrift für die Zukunft der Kirche, nach den Zeiten der Apostel, Glaubensgrund bleiben sollte. (Eine gute Vertheidigung dieser Stelle gegen Bellarmin's Verdrehungen s. in Chamier Panstrat. Cathol. Tom. I. S. 106 ff.) Ueberhaupt ist hier noch mit großem Nutzen zu gebrauchen: Walch, Krit. Unters. vom Gebrauche der h. S. unter den alten Christen in den vier ersten Jahrhunderten. L. 1779. worauf Lessing, ob er gleich noch zwei Jahre Zeit hatte, die Antwort schuldig geblieben ist.
5. Wenn man sagt, nicht die Schrift, sondern der lebendige Geist habe nach Christi Absicht, neben der lebendigen Predigt, den Glauben und die Kirche erhalten sollen: so ist nicht zu begreifen, wie dieser Geist sich habe sollen erhalten ohne das Mittel der Schrift. Der Geist kommt aus dem Glauben, Joh. 7, 39. A.G. 2, 38. Gal. 3, 2. der Glaube aber aus der Predigt des Wortes, Röm. 10, 17. welches uns in der Schrift gegeben ist. Wird diese Quelle verstopft, dann hat Jeder das Recht, sich einen Geist zu machen, wie es ihm gutdünkt, und es ist der Schwärmerei Thor und Thür geöffnet. «Geist hin, Geist her, ich bin auch im Geiste gewesen, und habe auch Geister gesehen (wenns ja gelten soll vom eignen Fleische rühmen), vielleicht mehr, denn ebendieselbigen (die sich des Geistes rühmen und die Schrift geringe achten) noch im Jahr sehen werden, wie fest sie auch sich rühmen. Auch hat mein Geist sich etwas beweiset, so doch ihr Geist im Winkel gar stille ist, und nicht viel mehr thut, denn seinen Ruhm aufwirft. Das weiß ich aber wohl, wie fast der Geist Alles allein thut. Wäre ich doch allen Büschen zu ferne gewesen, wo mir nicht die Sprachen geholfen, und mich der Schrift sicher und gewiß gemacht hätten. - - Der Teufel achtet meinen Geist nicht so fast, als meine Sprache und Feder in der Schrift. Denn mein Geist nimmt ihm nichts, denn mich allein; aber die heilige Schrift und Sprachen machen ihm die Welt zu enge, und thut ihm Schaden in seinem Reiche.» Luther an die Rathsherren, daß sie christliche Schulen aufrichten sollen. Werke X. 553. 54. Eine Berufung auf das in den Kirchen vorhandene christliche Bewußtsein ist eben so unzureichend: da man gar keine Gewißheit hat, ob es ein lauteres und nicht etwa ein inftcirtes ist, wenn es nicht aus der Schrift, als aus seiner Quelle entsprungen ist, und an derselben seinen richtenden und rechtfertigenden Maßstab findet.
6. Daß endlich die Tradition als Erkenntnißquelle zur Schrift nothwendig hinzukommen müsse, ermangelt alles festen Grundes. Daß in der ersten Zeit der christlichen Kirche die Lehrer sich darauf beriefen, und unter gewissen Umständen, besonders im Streite mit den Häretikern, Gebrauch davon machten, ist leicht erklärbar; doch mit der Bestimmung, daß das mündlich Mitgetheilte, wie Irenäus in Beziehung
mehr
auf Polycarpus sagt, bei Euseb. H. E. V. c. 20. 'symphona tais graphais' war. Daß aber im Fortgange der Zeit dies immer weniger genügen konnte, und die Schrift als die Haupterkenntnißquelle diente, ist ebenso gewiß. Doch die Frage ist hier nur, ob sie für uns jetzt brauchbar sei? Wie könnte Tradition der späten Nachwelt genügen? Im Munde der Menschen wäre das Christenthum zuletzt ganz entstellt, ganz unkenntlich geworden: die Schrift bleibt unverändert, und widersteht aller Willkühr und allem Wechsel der menschlichen Meinungen. Wir würden keine reine und zuverlässige Kenntniß weder von der Geschichte noch von der Lehre JEsu Christi haben, wenn wir keine Schrift hätten. Was soll die Tradition geben? Soll sie noch viel zur Heilslehre Wichtiges, was in der Schrift fehlt, uns bringen, so mögen ihre Freunde diesen Fund uns nachweisen, und angeben, wo sie ihn her haben. Jedermann aber weiß, daß, was außer der Schriftlehre aus der Tradition, dieser Büchse der Pandora, gekommen ist, eben nichts Ersprießliches gewesen ist. Wir meinen, daß uns an dem, was wir in der Schrift haben, völlig genügen kann, und daß es keinen Sinn hat, von einem Christenthum außer dem Schriftchristenthum reden wollen. Man sagt zuletzt, daß die Tradition hauptsächlich wichtig sei zur Erklärung der Schrift, die oft dunkel und höchst streitiger Auslegung sei. Diesen Gebrauch hat die evangelische Kirche gern der Tradition in vielen Fällen zugestanden; besonders wo die Auslegung einer Stelle oder Lehre in den ältesten Kirchenlehrern mit einer gewissen Einstimmigkeit gefunden wird, und auf den apostolischen Ursprung zurückschließen läßt; s. vorzügl. Ernesti, Opusc. Theol. p. 161 s. 166 s. Aber eine ausreichende und sichere Hülfe zur Auslegung der Schrift bietet die Tradition durchaus nicht an. Sie weist uns die häufigen Widersprüche der alten Lehrer unter sich nach, und gerade in Stellen, die besonders für das römischkatholische System von Wichtigkeit sind. Ein merkwürdiges Beispiel bietet die Stelle Matth. 16, 18. dar. Daß Augustin in der Erklärung davon sich nicht gleich bleibt, bemerkt selbst Sixtus Senensis in der Bibliotheca 8ancta. Tom. II. 496. daß auch Päpste divergiren (Leo I. und viele Päpste erklärten sie nicht vom Petrus, sondern von dem Bekenntniß Petri), zeigt Cyprian, Belehrung vom Papstthum S. 246-271. und Febronius (Hontheim), de 8tatu Ecclesiae I. 12-20. Ja selbst neuere katholische Theologen haben bisweilen (nach den freien Aeußerungen schon des Marinier auf dem Concil zu Trident, s. Sarpi, Hist. ed. Courayer I. 262 ff.) offen die gänzliche Unsicherheit und Unzulänglichkeit der Tradition eingestanden, und dagegen gründliches Schriftstudium empfohlen. Ein sehr zu beachtendes Zeugniß dieser Art findet sich in Arigler, Prof. Studii bibl., Oratio de Certidudine Studii biblici. Wien 1809. S. 16. 17. Quatenus traditio jure opponitur studio biblico, non historice sed dogmatice spectanda est. Ex hac parte autem spectata nititur eo pricipio, quod egregie expressit Vincentius Lirinensis: nempe id verum esse, quod semper, quod ubique et ab omnibus creditum est. Quam egregium vero illud est, si ut idea spectator; tam difficile quoque est, sicubi ad dirimendam controversioam adhibeatur. Ut enim nihil dicam, perexigua speresse nobis aniquissimorum Patrum opera; eorum, quae supersunt, severe antea, quam certus fieri usus possit, examinandem esse 'gnesioteta', et imegritatem, cum constet, plura eis esse supposita; genuine vel consulto interpolate, vel librariorum negligentia aut imperitia depravata: id unice observo: cujuslibet fere Patris cogitandi, sentiendi, loquendique rationem peculiarem esse, et proprium proinde stadium requirere, quo innotescat, quae fuerit ejus sententia, denique quaenam e sua privati, quaenam ex ecclesiae suae mente dixerit. Ad haec autem rite cognoscenda, heu quam multa adhuc praestanda restant, et quam parum est, quod in his jam praestitum est, ratione habita eorum, quae ad juvandum studium biblicum parata sunt. Rebus vero ita comparatis, quo pacto traditionis causa meliori loco posita esse queat, quam diciplinae biblicae? Dalleum adenat, qui contrarium sentiunt, videantque quibus exceptionibus quotque dubiis in hac re cuncta adhuc pateant.
§. 3. Unter den Capiteln, deren sie über 1300 enthält, sind die 3 vornehmsten: das 3te im 1 Mose, das 3te im Evangelium Johannes, und das 3te an die Römer. Die drei schönsten Sprüche sind:
Ich will Feindschaft setzen zwischen dir und dem Weibe etc., 1 Mos. 3, 15.
Also hat GOtt die Welt geliebet etc., Joh. 3, 16.
Das Blut JEsu Christi macht uns rein etc., 1 Joh. 1, 7.
§.4. Ein Jeder ist verbunden, diese fleißig zu lesen, und hat die zwei Hauptregeln: Glaube und Liede beständig ans Herz zu legen a) wegen GOttes Befehls, Esa. 34, 16. Joh. 5, 39. b) wegen des herrlichen Nutzens, Joh. 5, 39. Ps. 1, 1. 2.