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ja alle Christen allezeit, wie die ersten, sich mit dem Kusse des Friedens: Friede sei mit dir, mein Bruder, küssen, und sich in Einigkeit durch das Band des Friedens, Eph. 4, 3. zusammen knüpfen möchten. (Das gegenseitige Bekenntniß der Sünde ist Christen Jac. 5, 16. zur Pflicht gemacht; d. h. denen, die in wahrer voller brüderlicher Gemeinschaft stehen. Es ist dieses Bekennen ein weit stärkerer Ausdruck der Demuth und Ehrfurcht vor GOtt, als das verborgene; und daher GOtt wohlgefällig; ja es kann zur Verherrlichung des göttlichen Namens, theils seiner Gerechtigkeit, wenn wir seine Strafe tragen, Ps. 51, 6. theils seiner Barmherzigkeit, wenn er unser verschont, Ps. 103, 1. ff. dienen. Es ist Pflicht der Wahrhaftigkeit, die uns drängt, nicht besser scheinen zu wollen, als wir sind: es ist der stärkste Erweis der Selbsterniedrigung und Selbstverläugnung, und das kräftigste Gegengift der Selbstgefälligkeit; vornehmlich aber ein wirksames und in vielen Fällen unentbehrliches Mittel der gründlichen Besserung, sowie ein Zeichen des vollsten Vertrauens, das wir dem Andern schenken! Dabei auch eine Quelle der Erleichterung des Herzens und des Seelenfriedens. Dies alles ist auch anwendbar auf die kirchliche Beichte. Bekenne Einer dem Andern seine Sünden, und betet für einander, daß ihr gesund werdet, Jac. 5, 16.)
§. 3. 3) Die Beichte vor dem Prediger. Diese, auch die Ohrenbeichte (nicht im papistischen Verstande, Ps. 19, 13.). genannt, welche aus der öffentlichen Kirchenbuße entstanden, da der, welcher die Gemeine geärgert, öffentlich niederfallen und Abbitte thun mußte, ist zwar nicht so schlechterdings zur Vergebung der Sünden nöthig, jedoch gründet sie sich auf Joh. 20, 23. Matth. 18, 18. und auf die Beispiele:
Davids, 2 Sam. 24, 10. besonders 2 Sam. 12, 13.
Des Gichtbrüchigen, Matth. 9, 2.
- Jeremias, Jer. 14, 20. ff.
- Manasse, Geb. M. v. 1 ff.
Der Sünderin, Luc. 7, 47.
Des verlornen Sohns, Luc. 15, 18-21.
- Zöllners, Luc. 19, 13.
Vor einem christlichen Bruder oder vor einem Beichtvater seine Sünden bekennen, kann als Pflicht gegen GOtt angesehen werden, und zur Verherrlichung seines Namens gereichen, bald um seine Gerechtigkeit zu offenbaren, ihn in den Augen unsrer Mitmenschen als gerecht zu erklären, wenn er uns straft, wie es David Ps. 51, 6. that; bald um seine Gnade und Barmherzigkeit zu preisen, wenn er uns vergeben hat, und nicht nach unserer Schuld uns vergilt, Ps. 103, 10. ihm also unsere Dankbarkeit zu bezeugen, wie dieses treffend darstellt Joh. Val. Andrea in s. Mythologia Christiana Manip. V. nr. 3. Augustinus S. 235 f. In der speciellen Seelsorge ist das offene Bekenntniß für den Seelsorger ebenso nothwendig, wenn er rathen und helfen soll, wie für den Arzt die offenherzige Entdeckung des Kranken, und Frint in s. Schrift: Ueber das Convertiren, Wien 1822. S. 139. hat vollkommen Recht, wenn er sagt, «daß die allgemeine Beichte, wobei sich Niemand seiner besondern Sünden deutlich bewußt wird, und auch Niemand auf eine besondere, seinem speciellen Zustande angemessene Art behandelt werden kann, dem Verfahren ähnlich ist, wie wenn auf einem Krankensaale von hundert und noch mehreren Kranken, die wohl alle klagen, daß sie sich übel befinden, die Krankheit der Einzelnen nicht untersucht, sondern Allen und Jeden die nämliche Arzenei verordnet und gereicht wird.» - Ebenso erfordert auch in wahrhaft christlichen brüderlichen Freundschaften die Aufrichtigkeit, die Grundbedingung aller Freundschaft, ein offenes Geständniß seiner Schuld, wie denn nach Zeno (Diog. Laert. VII. Sect. 118. ed. Meag. S. 439.) die Guten aufrichtig, ohne Schlacken sind, und sich davor hüten, daß sie sich besser darstellen, als sie sind, durch ein Verhalten, das berechnet ist, das Schlechte zu verbergen und das Gute hervorzuheben: ^[griechisch: akibdälous tous spoudaious, fylaktikous te enai tou epi to beltion autous paristanein, dia paraskeuäs täs ta faula men apokruptousäs, ta de uparconta agata fainestai poiousäs.] Zur fortgehenden gründlichen Besserung kann ebenfalls nichts heilsamer sein, als eine Gemeinschaft, wo man sich auch seine Sünden gegenseitig bekennt und bewahrt.
Plutarch sagt mit Recht, «das sei kein geringes Merkmal des Fortschrittes im Guten, seine Fehltritte entdecken, der Zurechtweisung von Andern gern sich hingeben; nicht sich freuen, wenn man sich verbergen kann, noch Gefallen daran haben, wenn man nicht erkannt wird; sondern bekennen und es fühlen, daß uns einer Noth thut, der unsern Schaden berührt und uns vermahnt.» (De Profect. Virtut. Sent. Opp. ed. Reiske VI. 305.) «Zwar müssen wir uns auch des bösen Scheins schämen und ihn meiden; wer aber über das Laster selbst mehr Unmuth empfindet, als über die dasselbe treffende Schande, erträgts um seiner Besserung willen gern, in Übeln Ruf bei Andern zu kommen, und von sich selbst übel zu reden.» ibid. S. 306. «Ich möchte sagen, verheimliche es nicht, wenn du böse gelebt hast, sondern gieb dich zu erkennen, komme zur Besinnung, und bessere dich.» ^[griechisch: ego d' an eipoimi mäde kakos biosas late alla gnostheti sofronistäti, metanoäson.] (Plutarch, de occulte vivendo X, 637.) Es ist daher nicht zu verwundern, wenn der heilsame Einfluß der Beichte in neueren Zeiten wieder erkannt worden ist, (Kindervater Pastoral. I. 146-151. Holthusen in Ruperti's Miscellen I. 151-154.) auch von Anderen, als Theologen; als Wagner, über Relig. Erlang. 1819. S. 279-81. Pestalozzi, über Gesetzgebung und Kindermord in s. Sämmt. Schriften. Stuttg. 1822. B. 8. S. 5 ff. Steffens, was ich erlebte. V. 2. S. 31 ff.
§. 4. Es ist also die Privatbeichte und Absolution, welche sich beide auf einander beziehen, (wider die Reformirten, deren unbedingter Rathschluß, welchem es zum Nachtheil gereichen würde, wenn man denjenigen, der aus einem bloßen Haß von GOtt wäre verworfen worden, von Sünden lossprechen, und ihm die göttliche Gnade ankündigen wollte, die Ursache der abgeschafften Privatbeichte ist, obgleich reformirte Theologen, wie Calvin, Instit. III. 4, 10-13. Werenfels Opusc. Laus. 1739. II. 316-24. sie sehr empfohlen haben) nützlich, heilsam und nöthig, Sprw. 28, 13. Ps. 32, 3. I) wegen genauer Erforschung der Communicanten, damit sie sich nicht zum Gericht essen und trinken mögen, 1 Cor. 11, 27. 29. Matth. 7, 6. Cyprianus sagt: Es sei nicht allein derjenige an dem Leib und Blut des HErrn JEsu schuldig, der das Sacrament unwürdig nehme, sondern auch, der es mit Wissen und Willen einem Unwürdigen darreiche. In der Privatbeichte kann man die allerheilsamste Prüfung anstellen. II) Wegen nöthigen Unterrichts der Albernen. Die Hörer des Worts sind meist beschaffen, wie Jac. 1, 23. 24. sagt. Dahero, obwohl der Zuhörer alles ¶
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Beides, nämlich Unterricht, Trost und Strafe in der Predigt hört, so fasst er es doch viel stärker und gewisser, wenn es ihm insonderheit, als einer einzeln Person, gesagt wird. Luther XVII. 2454. Hall.
III) Wegen Trosts beängstigter Gewissen. Dir sind deine Sünden vergeben, ist ein Balsam, der in dem verwundeten Gewissen sanft thut, Ps. 51,10. 2 Sam. 12, 13. Weil die Absolution eine Hülfe und Trost ist wider die Sünde und das böse Gewissen, so soll man die Beichte oder Absolution bei Leibe nicht lassen abkommen in der Kirchen, um der blöden Gewissen, und um des jungen rohen Volks willen, damit es verhöret und unterrichtet werde in der christlichen Lehre. Schmalkald. Art. Daß wir willig und gern beichten, dazu soll uns reizen das heilige Creuz, d. i. die Schande und Schaam, dass der Mensch sich willig entblößt vor einem andern Menschen, und sich selbst verklaget und verhöhnet.
Das ist ein köstlich Stück vom heiligen Creuze. O wenn wir wüßten, was Strafe solche willige Schaamroth vorkäme, und wie einen gnädigen GOtt sie machte, daß der Mensch ihm zu Ehren sich selbst so vernichtiget und demüthiget, wir würden die Beichte aus der Erde graben, und über tausend Meilen holen. Die ganze Schrift bezeugt, wie GOtt den Demüthigen gnädig und hold ist. Nun ist Demuth nichts anders, denn zu Nichte und zu Schanden werden. Es kann aber Niemand baß zu Nichte werden, denn mit Entblößung seiner Sünden. Es ist kein Fasten, Beten, kein Ablaß, kein Wallfahrten, kein Leiden nimmer so gut, als diese willige Schaam und Schande, darin der Mensch recht im Grunde zu Nichte, demüthig, d. i. der Gnade begreifig (empfänglich) wird. Luther XIX. 1073. 74. Wenn tausend und aber tausend Wetten mein wären, so wollt ich Alles lieber verlieren, denn ich wollt dieser Beicht das geringste Stücklein eines aus der Kirchen kommen lassen. Ebend. XVII. 2452. Der Verfall der Privatbeichte ist daher in unserer Kirche sehr zu beklagen, und hat den Verfall der speciellen Seelsorge zur unvermeidlichen Folge gehabt.
§. 5. Wer euch höret, der höret mich, Luc. 10, 16. Daher soll die Beichte geschehen 1) aufrichtig und offenherzig, §. 2. 3. Was soll das Gift im Herzen thun? 2) demüthig, Luc. 18, 14. Ps. 143, 2. 1 Petr. 5, 6. Dan. 9, 7. 3) mit Reue, die Niemanden gereuet, 2 Cor. 7,10. 4). gläubig, und zuversichtlich, daß man Vergebung der Sünden erlangen werde nach Joh. 20. 23. Ps. 51, 3. Ps. 103, 10. 5) mit ernstlichem Vorsatz, nicht mehr zu sündigen, Joh. 5, 14. Esa. 38, 15. Hier muß es heißen: Bekenne, laß dich den Lügen-, Hoffarts-, Schmeichel-Geist nicht blenden, gehe in dich, und weine mit Petrus, glaube und beharre. S. Beharren §. 2. - Ueberaus beachtenswerth sind die tiefeingehenden Ideen über Beichte, welche Eylert in den Charakterzügen aus dem Leben Königs Friedrich Wilhelm III. V. I. Seite 352-366. aus dessen Munde bei Gelegenheit des Vorhabens desselben, statt der «flauen allgemeinen Beichte, die energische Special-Beichte» wieder einzuführen, mittheilt.