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Gerechtigseit, die vor GOtt gilt, auch in und durch
Christus allein zu erhalten ist, nicht.
a) Selig sind, die geistlich arm sind, denn das Himmelreich ist ihr, Matth. 7, 3. Luc, 6. 20.
Daß Matth. 5, 3. die Geistlich-Armen (buchstäblich die Armmüthigen) die Demüthigen sind, welche ihren Mangel an Weisheit, ihre Unwürdigkeit vor Gott, und ihr Unvermögen zur Heiligung erkennen und empfinden, läßt sich streng erweisen. Den Zusatz pneymati ^[πνευμαθι] zu makarioi ^[μακαριοι] zu beziehen, ist ganz unhebräisch, dagegen zu ptochoi ^[πτωχοι] zu beziehen, ist ganz den analogen Ausdrücken Ps. 34, 19. 51, 19. Esa. 41, 17. c. 54, 6. 57, 15. 61, 1. 66, 2. gemäß, und Christus nennt bei allen acht Seligkeiten nur Herzenseigenschaften, nie eine zufällige äußere Lage; und gerade diese Eigenschaft, die Demuth, paßt in den Zusammenhang als das erste Glied der ganzen Kette, von welcher alles Folgende abhängt.
Die Beschreibung dieser geistlichen
Armuth, oder des armen Sünderherzens s. in J. J. Ulrich's Predigten
über die Bergpredigt I. 80 ff. auch Spangenberg's Erklärung in s. Leben von Rißler S. 162. Die Heiden, die Demuth nicht
kannten, verspotteten diese
Armuth, wie Celsus, s. Neander's K. G. I. 1, 262-64.; nur Socrates hatte eine Ahnung davon, wiewohl
er sie nur als
Erkenntniß unsers Mangels an Wissen, nicht
als
Erkenntniß der Sünde auffaßte. Arrianus
Dissertatt.
Epictet. III. 14, 9. (S. 417. Schweighäuser) ten ^[την] oies ^[οιησιν] elefchos ^[ελεγχος] exairei ^[εξαιρει], kai ^[και] tonto ^[τοντο] proton ^[πρωτων] poiei ^[ποιει] Sokrates ^[Σωκρατης]
Vgl. Plato im Alcib. I. Es kostet dem Menschen viel, geistlicharm zu werden, oder sich selbst zu erniedrigen: Multi sunt, qui facilus omnia sua bona pauperibus distribuunt, quam ipsi pauperes Dei fiant, Augustini Enarrat. in Ps. 71. 0pp.
IV. 556. B.
Antw. aber wer es noch nicht
bis zu diesem ersten Verse der Bergpredigt gebracht hat, wie ist bei dem
daran zu denken, daß er zu den übrigen gelange?
Die geistliche
Armuth, die demüthige Anerkennung unserer Sündhaftigkeit, womit das Bedürfniß der Versöhnung eng verbunden
ist, kann nicht
als ein bloßer Durchgangs- oder Nebergangspunct angesehen werden; (wie
Ammon will Sittenlehre II. 2, S. 86. gerade
wie Eck die erste der 95 Theses Luthers von der durch das ganze Leben fortgehenden
Buße bestritt, s.
Schröckh's Neue K. G. I. 179.) sondern es ist eine bleibende Gemüthsstimmung des wahren Christen, ja der beharrliche Grundzug
in seinem Charakter.
Dies ergiebt sich schon aus dem Zusammenhang mit den übrigen Eigenschaften des Christen, wie sie in strenger Ordnung im Eingang der Bergpredigt dargestellt werden; wie diese lauter wesentliche Seiten des christlichen Herzens bezeichnen, so auch jene geistliche Armuth, von welcher Alles ausgeht, ohne welche die ganze Kette reißt. Diese nur ist die Quelle der wahren Lauterkeit, diese das Gegengift gegen allen Tugendstolz, und Selbstbespiegelung; ohne sie ist alle Tugend nur Schminke, und kann Gott nimmermehr gefallen.
Sie ist um desto nöthiger, da der Christ auch bei den besten Werken nie ganz sicher ist vor dem Einfluß unlautrer Triebfedern.
Legte doch Heinrich Müller im Evangel. Herzensspiegel, Pred. am dritten Sonnt. p. Tr. S. 382. das
Bekenntniß
ab: «Mancher hält sich selbst für heilig und will kein Sünder sein. Solchen
will ich folgendermaßen
fragen: Ich frage Dich, ob Du jemals habest ein gut Werk gethan aus rechtem guten Herzen? Denn da
muß man scheiden, gute Werke thun, und gute Werke thun aus gutem Herzen. Sollte wohl ein Prediger sagen
können, daß er jemals das reine Wort Gottes mit reinem Herzen habe gepredigt, also daß er bloß und allein auf die
Ehre
Gottes gesehen?
Ach wie viel eigensüchtige Gedanken laufen mit unter, wenn er prediget! Das Wort ist rein, aber das Herz
ist nicht
allzeit rein.» Wer noch nicht
gelernt hat, als ein armer Sünder sich vor Gott zu beugen,
und das Zöllnergebet zu beten, ist noch nicht
bis zum
Anfange des Christenthums gedrungen.
Niemand hat mehr darauf hingewiesen als Zinzendarf, und wenn Reinhard (Moral II. 319 ff.) ihn tadelt, geschieht es nur aus
Mißverständniß. Luther war desselben Sinnes, wenn er in der
Auslegung des 38. Psalms (Werke IV. 2309.)
sagt: «Gottes Natur ist, daß er aus nichts
etwas macht. Darum, wer noch
nicht nichts
ist, aus dem kann Gott auch nichts
machen. Die Menschen aber machen aus was etwas, das ist aber lauter unnüz Werk. Darum
nimmt Gott nicht
auf, denn die Verlassnen; macht nicht gesund, denn die Kranken; macht nicht sehend,
denn die
Blinden; macht nicht lebendig, denn die Todten; macht nicht fromm, denn die Sünder; macht nicht weise, denn die
Unweisen. Kurz, er erbarmt sich nicht, denn der
Elenden, und giebt nicht Gnade, denn denen, die in Ungnade
sind. Derohalben kann kein Hoffärtiger, Heiliger, Weiser oder Gerechter Gottes Materie werden, und Gottes Werk in ihm erlangen,
sondern bleibt in seinem eignen Werk, und macht einen erdichteten, scheinenden, falschen, gefärbten Heiligen aus sich selbst,
das ist, einen Heuchler.» Kagnoysa ^[Καγνουσα] psyche ^[ψυχη] eggnys ^[εγγυς] esti ^[εστι]
deon ^[δεον] Petri. kerngma ^[κηρνγμα] in Fabr. Cod.
Apocr. N. T. I. 812. Wenn Kaiser Julian über diese geistliche Armuth spottete, ist es desto wohlthuender, einen Kaiser ihm entgegenstellen zu können, der sich durch diese christliche Tugend auszeichnete; Kaiser Alexander s. die Schilderung seines liebenswürdigen Charakters in Dr. Pinkerton's Russia or Miscell. Observations on the past and present state of that Country. Lond. 1833. S. 366-377. aus den Mittheilungen der Fürstin Mestchersky, wo in seinem Bilde die Züge von Matth. 5, 3-12. nachgewiesen werden; und seine Demuth unter andern sich da aussprach, als er bei der großen Ueberschwemmung in Petersburg, unter den Volkshaufen sich mischend, bekannte: «Meine Kinder, es geschieht um meinetwillen, daß ihr leidet, - ich bin's - meine Sünden sind's, welche Gott an euch heimsucht.»
b) Du sprichst: Ich bitt reich, ich habe gar satt, und darf nichts, und weißt nicht, daß du bist elend und jämmerlich, arm, blind und bloß, Offb. 3, 17.