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Zeichens des Leibes zu verstehen; was man doch so wenig sagen kann, als daß der, der das Kreuzeszeichen einmal gedankenlos macht, den Gekreuzigten selbst entweihe. Der entscheidendste Grund liegt nach Ernesti S. 152 ff. in 1 Cor. 11, 29.,. wo es heißt, daß der Unwürdige den Leib des HErrn nicht unterscheide. Dies heiße soviel als: den Leib Christi genießen, wie eine unheilige und gemeine Speise: corpus Christi ita edere, ut cibum profanum et vulgarem. Denn der Ausdruck «Nichtunterscheiden» geht nicht auf ein Urtheil des Verstandes, sondern auf die Handlung des Essens, wo man Alles ohne Unterschied ißt: illud non discernere non ferertur at judicium animi sed ad ipsum actum edendi promiscue;
er hat seinen Ursprung im Mosaischen Gesetze, wo er von denen gebraucht wurde, die ohne Unterschied reine und unreine Speisen aßen;
und so folgt, daß der Leib Christi wirklich müsse genossen werden, weil, wenn er gar nicht empfangen würde, er weder als eine heilige noch als eine gemeine Speise könnte empfangen werden.
Zu diesen exegetischen Gründen kommt der gewichtige historische Grund, daß die alte christliche Kirche von Anfang an in der Feier des h. A. keineswegs ein bloßes nacktes Gedächtnißmahl Christi, sondern cin hochheiliges Geheimniß, ja das höchste Mysterium des ganzen christlichen Cultus erkannt hat, weil in demselben eine geheimnißvolle Verbindung Christi mit uns durch die Gegenwart und Genießung seines Leibes Statt findet, daher auch kein Profaner Zutritt hatte.
Dafür sprechen unverwerfliche Zeugen. Inatius, der Johanneischen Schule angehörig, in Kleinasien lebend, das als Schauplatz
der Wirksamkeit der
Apostel Paulus und Johannes, als Vewahrerin der ältesten reinsten Urform des Christenthums
in besonderem
Ansehen stand, (Irenaeus adv. Haeres. III.
c. 3.). nennt in seinen kürzeren Briefen, die das Gepräge der Aechtheit
(Rothe,
Anfänge der chr. K. I. 713 ff.) und ihres hohen
Alters (f. Münscher, Dogmengesch. II. 411 ed. 2.) an
sich tragen, das Abendmahl
eine Arznei zur Unsterblichkeit, ein Gegengift gegen den Tod, um immerdar in Christo zu leben.
Er warnt ad. Ephes.
c. 20. Coteler. II. S. 17. 54. ed. 1.), und (ad. Smyrn.
c. 7. S. 37.) vor Doceten, welche sich
des Abendmahls
enthalten, weil sie nicht bekennen, daß das Abendmahl
das Fleisch unseres Erlösers Jesu
Christi sei. - Justinus der Märtyrer (Apolog. II. S. 98. Col.) sagt vom Abendmahle:
Wir empfangen es nicht als gemeines
Brod, oder gemeinen Trank, sondern sowie der durch Gottes Wort menschgewordene Heiland I. C. um unseres Heils willen
Fleisch und
Blut hatte; so sind wir anch belehrt, [es war also Glaube und
Bekenntniß der Kirche, was hier
Justinus ausspricht,] daß die durch das Gebet des V. U. geweihete Speise Mod und Wein,) wodurch mittelst der Verdauung unser
Fleisch und
Blut genährt wird*), das Fleisch und
Blut jenes Menschgewordenen Jesus sei. - Irenäus adv.
Haer. IV, 34. S. 327. ed. Grab. sagt: Das irdische
Brod, wenn es durch die Anrufung Gottes geweiht ist, ist nicht mehr gemeines
Brod, sondern die Eucharistie, die aus zwei Bestandtheilen besteht, einem irdischen und einem himmlischen, und er daraus
die künftige Auferweckung des Leibes her, weil durch Christi Leib der Keim der Unverweslichkeit in uns
gelegt ist. Gerade diese drei Kirchenlehrer sind die wichtigsten Zeugen, theils
weil sie die ältesten sind, bei denen wir
das Abendmahl
erwähnt finden, theils in kirchlich-geographischer Hinsicht.
Ignatius war ein Freund des Polycarpus und dieser nach altkirchlicher Tradition ein Schüler des Johannes. Irenäus, auch aus Kleinasien stammend, hatte ebenfalls den Polycarpus gekannt und gehört, und Justinus hatte auf seinen Reisen ebenfalls die berühmten Gemeinen in Kleinasien kennengelernt. Ihre Uebereinstimmung mit einer sonst seltenen Gleichförmigkeit in Wort und Sache, ist wichtig, und muß uns überzeugen, daß wir hier die älteste, von den Aposteln selbst ausgegangene Lehre vom h. A. finden.
Unter den späteren Zeugen sind besonders zu beachten: Cyrillus Hierosolymitanus, welcher in der vierten Katechese sagt: Unter dem Zeichen des Brodes wird dir der Leib, und unter dem Zeichen des Weines wird das Blut gegeben, damit du theilhaftig wirst des Leibes und Blutes I. C., mit ihm zu Einem Leibe und Blute vereinigt (ina gene metalabôn somatos kai aimatos Xriston syssomos kai synaimos auton ^[ινα γενη μεταλαβων σωματοσ και αιματοσ Χριστον συσσωμοσ και σναιμοσ αυτον] ). -
Chrysostomus in dem Briefe an den Cäsarius Montf. III. 737 ff.), dessen Echtheit von Neander K. G. II. Abth. 3. S. 1397. bestritten, aber von Cramer (Uebers. des Chryst. X. nach d. Vorr. S. 85-106.) vertheidigt ist, sagt: Wir nennen das Brod, ehe es geheiligt wird, Brod;
nachdem es aber durch die Vermitteluug des Priesters die göttliche Gnade geheiligt hat, heißt es nicht mehr Brod, sondern ist würdig geachtet, der Leib des Herrn zu heißen, obgleich die Natur des Brodes in ihm zurückgeblieben ist. (Vgl. Cramer's Uebers. VII. 654. 55., wo er bemerkt, daß diese Stelle ebenso wider die Katholiken, als wider die Reformirten streite.) - Weniger bekannt ist der griechische Hieronymus, wahrscheinlich Presbyter zu Jerusalem im 4ten oder 5ten Jahrh., dessen Duo Dialogi graeci qui supersunt, Joh. Benj. Carpzov Altenb. 1772. herausgegeben;
welcher in s. philoponia ^[φιλοπονια], od. Abhandlung über das innere Gefühl des Christenthums, sagt: (bei Fabric. Biblioth. Graec. Vol. 8. S. 381.) Diese Wirkungen des h. Geistes empfinden auch viele gemeine Christen, wenn sie zum Altar treten, um der Mysterien Christi theilhaftig zu werden.
Denn sie werden plötzlich mit Thränen, mit Freude und Heiterkeit erfüllt. Ebendaher hat auch der Christ die volle Zuversicht, nicht bloßes Brod und Wein zu empfangen, sondern wahrhaft den durch den h. G. geheiligten Leib und Blut Christi [hoden kai plêrophoreitai o Christianos ou philon arton kai oinon metalambanein, alla soma halethôs kai haima tou uiou tou theon, pneumati agio hegiasmenon] ^[siehe Bild]. Denn wir empfinden nie etwas Aehnliches, eine solche Freude, Anregung, Süßigkeit oder Rührung, wenn wir gemeines Brod und Wein auf unserm Tische genießen; wobei Fabricius 1. e. sagt: Nota Veritatem corporis et sanguis Christi in S. Eucharistia. Was Tertullians streitige Lehre anlangt, so ist mit Neander, welcher im Antignosticus S. 517-525. ihm die reformirte Ansicht zuschreibt, zu vergleichen Nudelbach, welcher m: Refor-
*) Münscher I. o. S. 368. 383. hat dieß auffallend mißverstanden, indem er das auf den Leib und das Blut Christi bezieht, was nur vom Brod und Wein gesagt ist. Ernesti l.c. 66. Christi corpus et sanguinem descendere in ventriculos et concoqui, non erit ita insanus quisquam, ut dicat. Aber gegen die Lehre von der Transsubstantiation ist es ein unbesiegbares Zeugniß. ¶
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mation, Lutherthum etc. Excurs S. 645-664. erhebliche Gründe für die Lutherische Deutung Tertullians beigebracht.
Endlich ist auch selbst die arge Beschuldigung der Heiden, daß die Christen Tystesteische Mahlzeiten hielten, Athenagoras,
Legat. pro Christianis S. 4. C. ed. Col.) oder Menschenfleisch genössen, (ib. S. 38. A.) ans keiner anderen Quelle hervorgegangen,
als aus Mißverständniß oder schlimmer Auslegung dessen, was den Heiden über den Abendmahl
sgenuß der Christen mochte zu
Ohren gekommen sein, und so setzt also auch diese Verläumdung den Glauben der Christen an den Empfang des Leibes Christi
im Abendmahl
voraus. (Schröckh, K. G. III. 125.)
III. Wichtigkeit dieser Lehre. Daß ein hohes practisches Moment darin liegen müsse, kann man schon daraus abnehmen, daß Männer wie Luther, der nicht so beschränkt war, Spitzfindigkeiten der Schule mit wesentlichen Glaubenslehren und Herzensbedürfnissen zu verwechseln, und Ernesti, der nichts weniger als eine mystische oder sentimentale Richtung hatte, sie mit solcher Wärme und Ernst vertheidigen. Beide haben die Präsumtion für sich, daß ihnen dieser Glaube heilige Gewissenssache und dringendes Herzensbedürfniß war.
Luther ist sich auch in seinem Glauben gleich geblieben. Denn die Sagen von einer im spätern Alter eingetretenen Veränderung sind ohne historischen Grund. Die Eine, daß er beim Lesen der Schrift Calvins de Coena Sacra geäußert: «wenn diese Schrift früher da gewesen, hätte viel Streit vermieden werden können», ist durch des einzigen Hospimans spätere Relation (Ao. 1602.) nicht constatirt;
(s. Löscher Moorig, motuum II. S. 11. u. Planck Geschichte V. 2. S. 13. not.) die Andere, daß er bei seinem Abschiede von Melanchthon, vor der Reise nach Eisleben, seine frühere Heftigkeit bereuet und bekannt habe: «er habe in der Sache vom Sacrament zu viel gethan», ist ganz apokryphisch, und es ist zu verwundern, daß letztere noch von Henry im Leben Calvins II. 502. und von Hoffmann Erkl. des Katech. S. 458. ed. 2. wiederholt worden ist, nachdem Hutter im Calvinista Aulico-Poli.
Witt. 1614. S. 125-139. Seckendorf, Histor. Luth. I. III. fol. 693. Salig, Historie
der Augsb. Conf. I. 557-60. und selbst Planck Gesch. IV. S. 26-28. not. ihre Grundlosigkeit und Unglaubwürdigkeit nachgewiesen
haben. Die practische Bedeutung der Evang.-lutherischen Abendmahl
slehre, (umständlich gezeigt von Martin Chemnitz,
Fundamenta Sacrae Coenae
c. 11. tot. S. 61-65. ed. 1690. und von Gerhard ed. Cott. X. 188. f. und 363-380.) läßt sich in
folgenden Punkten zusammenfassen:
1. Das Abendmahl
erhält dadurch eine weit höhere Würde und Heiligkeit, wenn hier eine reelle Mittheilung, eine Berührung
Christi Statt findet, als wenn es ein bloßes Gedächtnißmahl des Abwesenden ist; es wird ein wahres
Mysterium, ja das höchste und heiligste des ganzen Cultus; und diese Neberzeugung muß daher auch eine höhere Stimmung,
eine tiefere schauervollere Ehrfurcht bei der Feier, sowie dem administrirenden Geistlichen den gewissenhaftesten Ernst einflößen.
«Mit der Heiligkeit des Gegenstandes wächst aber auch die
Sünde dessen, der dagegen frevelt.» Theremin l. c. S. 168. Ueberhaupt hängt der Glaube an Christi Gegenwart im Abendmahle
genau zusammen mit dem Glauben an seine Gottheit und an die Verbindung der göttlichen und menschlichen Natur. «Daher
dieses Sacrament, sowie es die unbegreiflichste und eben
dadurch erhebendste Wohlthat für die Gläubigen,
und ein Angeld auf was Größeres in der Ewigkeit ist, also auch einen Probirstein des Glaubens abgiebt. Hier ist Christus
auch gesetzt zum Fall und zum Aufstehen. Nachdem einer diese Einsetzung verspottet, oder nach seinem Gutdünken für faßlich
deutet, oder sie ganz zu etwas Fremden mißdeutet, und zu einer pharisäischen Herrschaft der Klerisei
über das Volk selbst brauchet, oder sie von Anderen dafür annimmt, wofür sie dergleichen Verführer ausgeben: nachdem
wird offenbar, was in ihm ist, ob Glaube an Gott nach der Wahrheit, oder Unglaube, und ferner ob ein lauterer oder unlauterer
Glaube, ob der rechte Sinn Christi oder der Weltsinn, ob ein Anfang oder eine Reife des Glaubens in ihm
ist.» Crusius, Plan des Reiches Gottes S. 162.
2. Der evangelische Trost von der Vergebung der Sünden wird Jedem weit gewisser und bestimmter, weil der wirkliche Empfang des für unsere Sünden geopferten Leibes Christi jedem Einzelnen die persönliche Aneignung dieser Vergebung gewährt. Dies ist gerade für ängstliche und zarte Gewissen von großer Wichtigkeit, weil diese oft in Anfechtung gerathen, ob die allgemeine evangelische Verheißung auch sie gerade angehe. Melanchthon bei Gerhard S. 366. Coena Domini est testimonium exhibitae et ad singulos adplicatae promissionis evangelicae.
3. Das Abendmahl
gewährt eine unendlich größere geistliche Stärkung durch die Gnade Christi, der
sich herabläßt, uns nahe kommt, sich selbst uns darreicht, und mit den Gläubigen durch die Mittheilung seines Leibes und
Blutes so innig mit ihnen vereinigt, daß sie mit ihm Ein geistiger Leib werden, daß von ihm, dem Urquell
des Lebens,
Joh. 1, 4. 5, 26. 6, 48. 55. gerade hier auf eine ganz besondere Weise Lebensströme in sie ausfließen, zur
Vennehrung ihrer ganzen Lebenskraft, und zur Stärkung ihrer Gemeinschaft mit Christo. - Alles kommt hierbei darauf an, was
Jedem an dieser Gemeinschaft liege: wem sie das höchste geistige Bedürfniß ist, dem wird auch das
am Willkommensten sein, was die höchst innige, nur denkbare Verbindung mit Christo vermittelt.
Vgl. die Zeugnisse der Kirchenväter bei Gerhard S. 368 f.
4. Das Abendmahl wird ein Bund mit der Gemeine im Himmel, und ein Unterpfand unserer künftigen vollendeten Gemeinschaft mit Christo. «Der HErr hat sein Reich im Himmel und auf Erden. Das erste besteht aus denen, die durch ihn selig geworden sind, das zweite aus denen, die durch ihn selig werden wollen. Selig sind die ersten auch jetzt nur dadurch, daß Er sich ihnen zum Anschauen und zum Mitgenuß seiner Seligkeit hingiebt, so daß sie, indem sie ihn sehen, wie er ist, ihm ähnlich werden. Wie er nun die Mitglieder der obern Gemeine Seiner selbst ohne Hülle und Schleier theilhaftig macht, so werden die Mitglieder der irdischen Gemeine Seiner unter dem Zeichen des Nachtmahls theilhaftig. Die Ersteren glauben nicht mehr; sie schauen. Bei den Anderen geschieht die Grtheilung dieser höchsten Wohlthat nur unter der Bedingung des Glaubens. So wird also der Herr selbst, der sich unverhüllt und verhüllt den Seinigen im Himmel und auf Erden hingiebt, der Berührungspunkt zwischen diesen beiden Gemeinen. Die kämpfende Kirche wird dadurch mit der triumphirenden, sowie mit dem gemeinschaftlichen Oberhaupte verknüpft, und ein Mittel ist ihr gegeben, den Strom der Gnade, der sich in jenen ¶